Wieso mischt man sich bei Religionsfragen als Atheist ein?

16 Antworten

Religion geht auch Atheisten etwas an. Wir leben schließlich nicht in einem gesellschaftlichen Vakuum. Das wäre kein Problem, wenn die Religion Privatsache wäre, wie es sich gehört. Aber die Gläubigen versuchen immer noch, über Ihre Religion Einfluss zu nehmen auf die Moral, das Verhalten.

Es wäre recht einfach: Wenn Du Abtreibung aus „religiösen Gründen“ für falsch hältst, treibe nicht ab. Wenn Du anderen aus Deinem Glauben heraus das ebenfalls verbieten möchtest, richte Dich auf Widerstand ein. Das gilt für alles, das ist nur ein Beispiel. Wenn Gott etwas von mir möchte, soll er es mir sagen -- und nicht Du. Du hast absolut nicht das geringste Recht, für Gott zu sprechen, seine Abwesenheit und sein Schweigen auszunutzen, um Deine Ideen zu verbreiten. Aber Gläubige sehen das nicht ein, sie meinen, das sei sogar ihre Pflicht. Sie maßen sich an, genau zu wissen, was Gott von ihnen und vor allem von anderen will. Wenn man sie dann kritisiert, ziehen sie sich auf die Position zurück, dass niemand was über Gott wissen kann. Das geht nicht. Sie mögen sich ja einbilden, zu wissen, was der Gott von ihnen will, von dem man nichts wissen kann. Aber was interessiert mich ihre Einbildung?

Natürlich haben gerade die Christen (nicht nur die) immer versucht, Atheisten am Reden zu hindern. Früher machte man das mit Gewalt, Atheisten wurden umgebracht, wenn sie sich dazu geäußert haben. Die meisten haben dazu geschwiegen, weil man sich nicht gerne von Fanatikern mit verrückten Ideen umbringen lässt.

Heute versucht man immer noch, Atheisten zum Schweigen zu verdammen. Die Mittel sind andere: Man diskutiert friedlich mit seinen Glaubensgenossen, wie man sich in der Gesellschaft besser durchsetzt, wie man die als böse und unmoralisch verleumdeten Atheisten bekämpfen kann, wie falsch die doch liegen. Dabei scheut man sich nicht, in voller Unkenntnis für die Atheisten zu reden und Unsinn zu verbreiten.

Unsinn und Falschheiten wie:

  • Atheisten haben keine Moral (oder keine Gründe, eine zu haben)
  • Atheisten sind alle Nihilisten
  • Atheisten glauben auch nur
  • Atheismus ist eine Religion
  • Atheisten sind felsenfest davon überzeugt, dass es keinen Gott gibt
  • Atheisten sind davon überzeugt, dass alles aus dem Nichts entstanden sind
  • Atheisten glauben an den Zufall
  • Atheisten glauben an die Wissenschaft
  • … und dergleichen mehr.

Dann wundert man sich, wenn sich Atheisten plötzlich zu Wort melden. Eigentlich müsste die erste Antwort auf jede religiöse Frage zunächst von einem Atheisten kommen, damit die Gläubigen wissen: Achtung, es sind Atheisten anwesend, wir müssen uns jetzt mit Verleumdungen und Unterstellungen etwas zurückhalten. Denn wenn man sieht, was so an Falschheiten über uns mit einer Selbstverständlichkeit verbreitet wird, bei der man nicht weiß, ob Ignoranz oder Rechthaberei gerade die Oberhand hat, dann graust es einen.

Bei uns herrscht Meinungsfreiheit, erkämpft übrigens auch von Atheisten. Der erste König in Europa, der Religionsfreiheit zuließ, war Friedrich der Große, bekennender Atheist. Wir können nicht jeden Unsinn unwidersprochen im Raum stehen lassen, darauf hoffen die Esoteriker, Obskurantisten und sonstige Gläubige natürlich. Pech gehabt. Das wird nicht passieren, findet Euch damit ab.

Es gibt nämlich ein gewaltiges Problem in unserer Gesellschaft. Die Gläubigen meinen, das Hauptproblem der Menschen sei ihre Moral. Genauer: Dass nicht jeder ihre Moral unhinterfragt übernimmt. Aber sehen wir uns ein Beispiel an:

Im Jahr 2020 sind 220 Menschen in Deutschland ermordet worden. Das ist ein moralisches Problem, verursacht durch menschliche Bösartigkeit. Da nicht jeder Mord unbedingt als solcher erkannt wird, runden wir großzügig auf 250 auf.

Im selben Zeitraum kamen alleine im Straßenverkehr 2.500 Menschen ums Leben, von den vielen Verletzten nicht zu reden, die oft ein Leben lang mit den Folgen zu kämpfen haben. Es kommen, nur im Straßenverkehr, also zehnmal so viele Menschen ums Leben als durch Boshaftigkeit. Niemand setzt sich in ein Auto und plant, jemanden umzubringen -- und wenn, zählt das ohnehin zu den Morden, nicht zu den Verkehrstoten. Nein, Unfälle passieren, weil die Menschen schlechte Entscheidungen treffen, aus dem Bauch heraus urteilen, ihren Verstand nicht einschalten, irgendeinen Glauben haben. Viele steigen betrunken in ein Auto, weil sie glauben „bisher ist ja noch nie etwas passiert“. Kurz, man kann sagen, dass durch Dummheit zehnmal so viele Menschen sterben als durch böse Absicht.

Aber darüber redet man nicht. Vernünftiges Denken könnte viele dieser Probleme vermeiden helfen. Wer vernünftig ist, steigt nicht betrunken in ein Auto. Punkt.

Man müsste also vernünftiges Denken fördern. Aber da sind die Religionen vor, denen passt das überhaupt nicht. Die mögen es schon nicht, wenn jemand nur sagt, er sei anderer Ansicht (siehe Eingangsfrage). Die allgemeine menschliche Unvernunft vernichtet nicht nur menschliches Leben, ohne dass sich die Verbreiter der Unvernunft da einen Kopf machen. Sie richtet auch einen enormen wirtschaftlichen Schaden an. In der Politik sieht man das deutlicher als bei sich selbst, das ist aber Teil der allgemeinen Unvernunft.

Das Hauptargument der Verbreiter der Unvernunft ist übrigens: Jeder darf doch glauben, was er will. Das ist falsch.

Wenn jemand sagt, „Ich glaube, dass Schwarze minderwertige Menschen sind“, so schimpfen wir ihn einen Rassisten, und niemand sagt, man dürfe doch glauben, was man will.

Wenn jemand sagt, „Ich glaube, dass Frauen sich dem Mann unterordnen sollen“, so schimpfen wir ihn einen Sexisten, und niemand sagt, man dürfe doch glauben, was man will.

Wenn jemand sagt, „Ich glaube, dass Atheisten Menschen sind, die für ihren Unglauben ewige Folter verdienen“, so nennen wir ihn einen Gläubigen, und jeder sagt, man dürfe doch glauben, was man will.

Kaum schiebt man eine Religion vor, so denken manche, schon darf man nicht mehr kritisiert werden. Falsch gedacht. Nur durch Kritik und Korrektur falscher Denkweisen können wir auf irgendeinem Gebiet Fortschritt erzielen, und das gilt auch für Religionen. Ohne dass ein wenig Fortschritt auf die Religionen abgefärbt hätte, würden wir heute noch Hexen verbrennen, Sklaven halten, Ungläubige ermorden, und beten statt zum Arzt zu gehen.

Wenn jemand sagt „Atheisten haben ein starkes Mitteilungsbedürfnis, weil sie befürchten, dass ihre persönliche Ideologie zwischen all den verschiedenen religiösen Ansichten untergeht.

Um dieses fragile Ego aufrecht zuhalten, müssen sie daher kontra-argumentieren, um ihr Selbstwertgefühl wieder kurzzeitig zu stabilisieren. Nur durch diese Art von 'antireligiöser Propaganda' erfahren sie ein temporär anhaltendes Gefühl der geistigen Befriedigung“, dann tut dieser so, als ob er die Gedanken der Atheisten lesen könnte und über ihre innersten Befindlichkeiten Bescheid weiß. Das nehmen sich Gläubige gerne als Privileg heraus, über Dinge zu reden, von denen sie absolut nichts verstehen -- und wenn man sie dann kritisiert, reagieren sie beleidigt.

Ich wäre dafür, so eine Antwort, die keine Substanz hat, sondern nur der Herabwürdigung dient, die nicht auf dem beruht, was Atheisten sagen, sondern aus bloßen Vermutungen, die sich auf nichts stützt als den projizierten eigenen inneren Befindlichkeiten, als Lüge zu klassifizieren. Geht aber nicht, Lüge wird anders definiert (etwas anderes sagen als man glaubt). Aber es erfüllt den Tatbestand der Irreführung, und derjenige ist sich dessen nicht einmal bewusst.

Übrigens auch ein Beispiel dafür, dass Religiöse keinerlei Skrupel kennen, sich in Fragen einzumischen, die an Atheisten gerichtet sind. Warum auch? Da bin ich auf der Seite derer, die das tun. Dass umgekehrt die Religiösen lieber unter sich bleiben, ist verständlich, aber dann geht man nicht in ein öffentliches Forum.

Außerdem verkennen die meisten Gläubigen, dass die Mehrheit von uns Atheisten meist früher selbst religiös gläubig waren. Das gilt für mich, Religion hat mich schon interessiert, da war ich gerade mal fünf Jahre alt. Was bedeutet, dass ich 60 Jahre Erfahrung mit Religion habe. Und zwar nicht nur mit einer. Ich kenne also beide Seiten, ich habe die komplette Einführungsliteratur Theologie gelesen, ich diskutiere alles mit meiner Frau, die Theologie studiert hat, und ich habe mehr darüber gelesen als sie selbst. Warum sollte ausgerechnet ich darauf verzichten, etwas zu Glaubensfragen zu sagen?

Woher ich das weiß:Hobby

mjutu  10.02.2024, 02:26

Danke. Das beantwortet die Frage umfassend.

Wenn jemand sagt, „Ich glaube, dass Schwarze minderwertige Menschen sind“, so schimpfen wir ihn einen Rassisten, und niemand sagt, man dürfe doch glauben, was man will.

Doch, natürlich darf jeder das glauben, wenn ihm danach ist! Problematisch wird das erst, wenn solche Ansichten beleidigend geäußert werden oder diskriminierend gehandelt wird.

Weil man auch als Atheist eine Meinung dazu haben und diese äußern darf. Immerhin mischen sich Muslime ja auch ein, wenn es darum geht, christliche - oder sekuläre - Werte und Regeln zu diskutieren.

Das hat sehr viel mit Angst zu tun, aber auch mit Hass.

Atheisten haben ein starkes Mitteilungsbedürfnis, weil sie befürchten, dass ihre persönliche Ideologie zwischen all den verschiedenen religiösen Ansichten untergeht.

Um dieses fragile Ego aufrechtzuhalten, müssen sie daher kontra-argumentieren, um ihr Selbstwertgefühl wieder kurzzeitig zu stabilisieren. Nur durch diese Art von "antireligiöser Propaganda" erfahren sie ein temporär anhaltendes Gefühl der geistigen Befriedigung.

In diesem Fall handelt es sich also um Menschen, die ihre Energie und Freude im Leben hauptsächlich daraus ziehen, anderen Menschen destruktiv zu begegnen, um die eigene subjektive Meinung gewaltsam durchzusetzen und ihren instabilen Selbstwert zu schützen, anstatt konstruktiv den Nutzern in der Community weiterzuhelfen und Harmonie zwischen den Leuten zu schaffen.


Lamanini  09.02.2024, 11:08
die ihre Energie und Freude im Leben hauptsächlich daraus ziehen, anderen Menschen destruktiv zu begegnen, um die eigene subjektive Meinung gewaltsam durchzusetzen

Klingt nach Christen. Keine andere Ideologie verursacht so viel Leid in Deutschland.

CarlosMerida  09.02.2024, 13:23
@Lamanini

Weltweit können Moslems das aber nochmal deutlich besser als Christen!

Lamanini  09.02.2024, 13:26
@CarlosMerida

Mag sein. Welche von beiden Religionen mehr Leid verursacht kann ich nicht genau sagen. Aber was ich sagen kann, ist, dass das Leid, was das Christentum verursacht, unfassbar riesig ist.

mjutu  09.02.2024, 16:52
Atheisten haben ein starkes Mitteilungsbedürfnis, weil sie befürchten, dass ihre persönliche Ideologie zwischen all den verschiedenen religiösen Ansichten untergeht.

Atheismus ist die am schnellsten wachsende Gruppe:

Zwischen 2005 und 2012 hat sich der Anteil religiöser Personen weltweit um 12 % (9 Prozentpunkte) verringert, während der Anteil von Atheisten um 75 % (3 Prozentpunkte) gestiegen ist. [Link]

Es sind also eher die religiösen Ansichten, die sich im Prozess des Untergehens befinden. Damit ist deine These, die Atheisten bräuchten eine "kurzfristige Stabilisierung des Selbstwertgefühls", nicht überzeugend.

Deine Vermutung, keine vernünftige Antwort zu geben: ist definitiv falsch. Denn: Vernunft und Glaube sind zwei verschiedene Dinge. Glaube ist nicht vernünftig! Aber das heißt nicht, das ein Gläubiger Mensch unvernünftig ist oder handelt.

Viele meiner Freunde sind Christen, einige auch Moslems. Wenige Buddhisten dabei.

Eine Diskussion auch über Glauben ist bei uns normal. Auch wenn wir wissen, das wir den anderen nicht "bekehren" werden, so ist der Respekt und das "Leben lassen" Voraussetzung einer Diskussion. Es ist immer interessant die Argumente des anderen zu hören, vielleicht sogar zu verstehen. Damit fängt Verständnis an: mit dem Verstehen und der Bereitschaft auch konträre Positionen zu akzeptieren. Was wir alle dabei lernen: Eine engstirnige Sichtweise, quasi "Scheuklappen" führt zu Fanatismus. Das ist in keiner Form gut.

Nach deiner Logik darf niemand mit Niemanden diskutieren, solange man nicht ein Teil der Gruppe ist.


Inkognito-Nutzer   09.02.2024, 08:21

wenn man speziell eine Frage an die gläubige Community richtet, ist es einfach unnötig sich da einzumischen

LeWe23  09.02.2024, 08:24
@Inkognito-Beitragsersteller

Dann richtet man solche Fragen an Seiten oder Gruppen, wo explizit nur Menschen sind, die diesen Religionen angehören. Wenn man in einem öffentlichen Forum Frageb stellt, darf ausnahmslos JEDER sich dazu äußern!

VolkerDittmar  09.02.2024, 20:05
@Inkognito-Beitragsersteller

Man sollte nicht in einem öffentlichen Forum eine Frage stellen, wenn man eine gruppeninterne Diskussion führen möchte. Dafür gibt es genügend andere Foren, da kann man unwidersprochen den größten religiösen Mist verzapfen, und kein Atheist meldet sich.

Wenn man eine Frage umfassend beantwortet haben möchte, ist es sinnvoll und vernünftig, auch andere Perspektiven einzuschließen. Sonst endet man in einer selbstgewählten Filterblase, die für manche mehr ein geistiges Gefängnis ist.

Gerade Gläubige muss man manchmal daran erinnern, dass sich die ganze Welt nicht um ihren Glauben dreht.

Außerdem, hier wurde eine Frage an Atheisten gerichtet, und doch antworten auch Gläubige. Warum auch nicht? Meinungsfreiheit gibt es nicht ohne Toleranz, d. h., man muss es erdulden, dass jemand eine andere Meinung hat und die auch äußert, wenn es einem nicht passt.

Obendrein ist es schwer einzuschätzen, was andere für nötig oder unnötig halten. Das wird sich selten mit Deiner Ansicht decken.

Widerspruch muss man aushalten können. Da hapert es inzwischen bei uns, ich bezeichne das als „Infantilisierung unserer Gesellschaft“. Zu meinen, man könne alles sagen, der andere dürfe nur keinen Widerspruch wagen oder etwas sagen, was meine Gefühle verletzt, ist eine Vorstellung, die kleine narzisstische Kinder haben. Da kann man nur sagen „Werde erwachsen“.

Niemand zwingt Dich, alles zu lesen.

Eine Frage diskutieren zu wollen und gleich bestimmte Gruppen von der Diskussion auszusperren, zeugt nicht von einem vernünftigen Verständnis einer Diskussion. Ansonsten sind es nämlich meist die Gläubigen, die anderen eine Diskussion (meistens eher einen Monolog) aufzwingen wollen.

Moral bedeutet: Für jeden gelten dieselben Regeln. Wenn also A hier antworten darf, wer immer das auch ist, darf es auch jeder andere. Keine Gruppe sollte der Mehrheit Regeln aufdrücken dürfen, für die es keine Zustimmung der Mehrheit gibt. Wenn jeder antworten darf, darf jeder antworten, und da spielen Gruppenzugehörigkeiten keine Rolle. Letztlich sind wir alle Individuen, ich kann nur für mich entscheiden, welche Frage ich beantworte, und ich wünsche nicht, dies für andere zu beantworten – und ich will auch nicht, dass ein anderer das für mich entscheidet. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Du es Dir wünscht, dass andere das über Deinen Kopf weg entscheiden.

Ich bin überzeugt davon, dass wir in einer besseren Welt leben können, wenn nicht einige der Meinungen wären, sie selbst wüssten besser, wie ein anderer sein Leben zu führen habe, als der Betroffene selbst.