Wie können Sprachen sterben bzw. warum spricht man nicht davon, dass germanisch, gotisch, ahd, mhd tot sind?

8 Antworten

Mein Lateinlehrer hat immer gesagt: "Latein ist KEINE tote Sprache." Damit hat er eigentlich auch recht. Latein ist zwar keine Volkssprache/ Nationalsprache, aber sie lebt trotzdem noch immer. Gerade in der Kirche findet sie noch Anwendung, wenn auch keine vollständige Konservation darüber läuft.

Germanisch ist an sich keine Sprache, es ist eher eine Sprachfamilie. Die Germanen waren ja auch keine Ethnie, sondern es waren verschiedene Stämme, die unterschiedliche - wenn auch mehr oder weniger ähnliche - Sprachen gesprochen haben.

"Eine ausgestorbene Sprache ist eine historische Sprache, deren Sprecher ausgestorben sind bzw. deren Sprecher zu einer anderen Sprache übergegangen sind (sich an eine andere Sprachgemeinschaft assimiliert haben).

Für das Aussterben von Sprachen gibt es verschiedene Ursachen. Ausgestorbene Sprachen sind abzugrenzen von „toten“ Sprachen, deren Sprecher nicht im eigentlichen Sinne ausgestorben sind, sondern die historische Vorläufer heutiger Sprachen darstellen (z. B. sind die Sprecher des Lateins nicht ausgestorben, sondern haben ihr Vulgärlatein im Laufe der Zeit mehr und mehr verändert, bis daraus die heutigen romanischen Sprachen entstanden.)"

https://de.wikipedia.org/wiki/Ausgestorbene_Sprache

Woher ich das weiß:Recherche

Du hast schon recht damit, dass die Einteilung in "tote" und "lebende" Sprachen etwas willkürlich ist, bzw. zumindest nicht 'lupenrein'.
Aufgrund seiner kulturellen Bedeutung hat sich das Latein als eine Sprache gehalten, die weiter gelehrt wird, sogar an den höheren Schulen. Sie wird aber (mit wenigen Ausnahmen wie im kirchlichen Bereich oder - so las ich mal - als 'exotische' Konferenzsprache vereinzelt im Geschäftsbereich) nicht aktiv im Alltag gesprochen.
Von daher gilt sie als 'tot'. Ähnlich beim Altgriechischen.


Gotisch ist ausgestorben und mausetot — es hat ja keine lebenden Nachfahren, weil der ganze ostgermanische Zweig ausgestorben ist. Natürlich haben Gotischsprecher heute noch lebende Nachfahren, aber die sind auf eine andere Sprache umgestiegen.

Bei Latein und Griechisch hast Du natürlich recht, diese Sprachen haben Nachfahren, die heute von Millionen Menschen gesprochen wurden. Dabei gab es in keiner Gener­ation einen „harten Schnitt“ — jede Generation redete ein bißchen anders als die Vor­gänger­genera­tion, und über die Zeit haben sich die Sprachen so signifikant verändert, daß man sie heute mit einem anderen Namen benennt.

Hebräisch ist dabei ein Sonderfall, denn diese Sprache ist wirklich ausgestorben (nie­mand sprach irgendeine Form von Hebräisch als Muttersprache), wurde aber seit dem 19. Jahrhundert wiederbelebt.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik

mulan2255  24.10.2023, 12:54

Ist Hebräisch wirklich von niemandem mehr gesprochen worden? Ich denke da an die uralten jüdischen Gemeinden etwa in Jemen, Irak oder Iran. Die sprachen und schrieben schon immer Hebräisch neben Arabisch bzw. Farsi. Es gibt gerade aus dem Jemen eine Menge hebräischer Texte auch aus dem Mittelalter. Das Hebräische hört sich dort im übrigen semitischer an, also mit anderer Aussprache bestimmter Buchstaben, als es im ivrith heute zu hören ist, welches oft die ursprünglichen semitischen Lautwerte solcher Buchstaben wie טקחעצת nicht anklingen lässt, welche den arabischen Buchstaben ط ق ح ع ص ث entsprechen. Und auch vor der Gründung Israels gab’s schon immer alteingesessene jüdische Familien, welche ebenfalls schon immer ein semitisch klingendes Hebräisch gesprochen haben.

verreisterNutzer  24.10.2023, 15:27

Schön,dass die Sprache wiederbelegt wurde. Das wusste ich gar nicht :).

indiachinacook  24.10.2023, 15:56
@verreisterNutzer

Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was ich mit dem Einwand von Mulan2255 ma­chen soll; bei meiner Antwort habe ich nur an die aschkenasischen Juden in Europa ge­dacht, nicht an die jü­di−schen Gemeinschaften im Orient. Die Frage ist, ob es da welche gab, die in ungebrochener Tradition Hebräisch als Erstsprache pflegten. Ich habe öfters mal gelesen, daß das nicht so sein soll, aber eine reputable Quelle dafür habe ich nicht.

Die Wiederbelebung des Hebräischen war allerdings eine rein europäische Angele­gen­heit, deshalb hat modernes Hebräisch eine eher unsemitische Aussprache ohne die typi­schen „em­pha­ti­schen“ Konsonanten. Sprecher aus dem Yemen oder Äthiopien bewahren die ur­sprüng­lichen Laut­werte dieser Buchstaben, aber da sie von semitischen Sprachen um­geben sind (bzw. viel­leicht sogar solche Mutter­spra­chen haben), be­weist das keine ungebrochene Tradition.

verreisterNutzer  24.10.2023, 16:59
@indiachinacook

Die Tora ist meines Wissens nach auf Hebräisch. Gelehrt wurde sie immer. Egal wo die Menschen vor der Gründung des Staates Israels lebten. Ich denke, die Sprache wurde von Generation zu Generation weitergetragen. Es stimmt schon. Das jüdisch gläubige Volk war weit verbreitet. Die Religion allerdings auch. Was dieser Mulan schrieb las ich bisher noch nicht.____ Ok,habs überflogen. Nach meinen Kenntnisstand war das Volk selten bis gar nicht über Generationen an einem Ort. Alteingesessen ist da ein dehnbarer Begriff. Vielleicht stimmt es. Lass meine Wissenslücken da gerne füllen :).

indiachinacook  24.10.2023, 22:42
@verreisterNutzer

Hebräisch fiel bereits nach dem Babylonischen Exil außer Gebrauch (und wurde durch Aramäisch ersetzt). Ein paar Jahrhunderte später waren die Hebräisch­kennt­nisse in Alexandria bereits so schlecht, daß die Schriften ins Griechische ersetzt werden mußten (LXX).

Natürlich gab es immer Leute, die Hebräisch konnten, und es wurden auch neue Texte auf Hebräisch verfaßt — mit Latein oder Altgriechisch war das ja nicht anders (abgesehen davon, daß die auch noch lebende Nachfahren haben). Die Frage ist aber, ob es Mutter­sprachler gab, und da vermute ich “Nein”, und Mulan2255 vermutet “Ja”.

Plattdeutsch stirbt ja auch aus. Die Menschen kriegen weniger Kinder, weil sie ärmer werden. Ziehen weg, weil die guten Jobs Raritäten sind. Und die Schulen passen sich auch an. Lange Zeit gab es das Fach Plattdeutsch gar nicht mehr. Inzwischen führten das manche Schulen in Schleswig-Holstein wieder ein. Dabei ist es eine Amtssprache. Ich nehme an, so ist es auch mit den anderen Sprachen gewesen. Die Welt wird schnelllebiger, globaler und hektischer. Wer weiß , irgendwann sprechen die meisten in Europa vieleicht nur noch englisch?!

Wäre schade, ist aber nicht all zu unrealistisch. Finde ich jedenfalls.