Wie findet ihr den Titel "Wie Moos den Stein" für einen Gedichtband?

7 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo Machtnix53,

der Titel deines Gedichtsbandes schreckt mich keineswegs ab, sondern spricht mich an und weckt meine Neugier, da er in mir positive Bilder und Assoziationen hervorzurufen vermag.

So stelle ich mir das urzeitlich anmutende Moos vor, das einen Härte und Kälte ausstrahlenden, spröde, abweisend und unbeugsam wirkenden, unbelebten Stein mit einem samtgrünen, sich sonnenwarm, weich und federnd anfühlenden, lebendigen und "atmenden" Teppich überzieht, der nicht nur ein erstaunliches "Mikrokosmos" für kleine Lebewesen bildet, sondern auch wie ein zur Rast einladendes, sanftes Ruhepolster erscheinen mag.

Und sollte der starre Stein, der Tag ein, Tag aus den Elementen trotzt, dennoch irgendwann zerbersten, so überlebt das gleichermaßen nachgiebige wie widerstandsfähige Moos, das die Farbe der Hoffnung trägt und somit eventuell als Symbol für Wachstum, Fruchtbarkeit und die wundersame ewige Erneuerung/Auferstehung der Natur, des Lebens zu sehen ist.


Machtnix53 
Beitragsersteller
 25.07.2024, 14:42

Das trifft ziemlich gut das, was ich damit aussagen wollte. Und du hast es wunderschön ausgemalt.

Meine Erklärung ist unter der Antwort von amormutuus, die das Sternchen auch verdient hätte, doch es gibt leider nur eins zu vergeben.

Garnet72  25.07.2024, 14:46
@Machtnix53

Vielen lieben Dank für deinen Stern, den ich gerne mit amormutuus teile, freue mich sehr 😊.

Kommt stark darauf an was du bezwecken willst... Der Titel allein lässt erstmal annehmen es handelt sich um eine Sammlung Naturgedichte... Wenn du das bezwecken willst finde ich den Titel treffend.

LG


Machtnix53 
Beitragsersteller
 22.07.2024, 11:40

Es sind ein paar Naturgedichte dabei, es ist aber eher symbolisch gemeint.

Meine erste Reaktion war Unverständnis, weil ich die Aussage weder einordnen noch verstehen konnte, und er schreckte mich eher ab, irritierte mich, nicht arg, aber dennoch.

Aber dass du deine Gedichte veröffentlichen willst, finde ich gut.

Was symbolisiert Moos für euch und was Stein ?

Moos natürlich Geld:"Ohne Moos nichts los".
Wenn was Moos angesetzt hat, steht es auch für Altes und Abgestorbenes, somit auch Ruhe.
Moos gehört zu Märchenlandschaften im Wald.

Männer sind wie Bäume: genug Moos haben sie erst, wenn sie alt sind.

Kannst du das bestätigen? ;-)))

Manchmal ist die Welt ganz klein und manchmal riesengroß, manchmal ist sie ganz aus Stein und manchmal ganz aus Moos.

Frantz Wittkamp

Und hier ist das Moos Zeit und Ewigkeit.

Die Burg des Vertrauens wird durch die Kanonen der Wirklichkeit bombardiert und so entsteht eine Ruine der Verzweiflung, auf die sich das Moos der Zeit für die Ewigkeit legt.

Das Herz aus Stein ist ein Symbol der Unbarmherzigkeit, Härte und Kälte.
Steinalt ist jemand sehr Altes aber auch Beständiges.
Bei Harry Potter gibt es den Stein der Weisen, da symbolisiert er die Verwandlung.

Der Stein

Es war einmal ein Stein,

hat weder Kopf noch Bein.

Er sah die Menschen wetzen,

er sah die Menschen hetzen

und sah sie oft beim Denken

sich ihren Kopf verrenken,

und manche sah er holpern

und über sich wegstolpern

und dachte: Was hat so ein Leben für`n Sinn?

Der Mensch will immer woanders hin.

Warum nur ... Fragezeichen,

es ist zum Steinerweichen.

Ich bin stets hier und niemals da

und kleiner als Amerika.

Ich bin von dieser Welt ein Stück,

und wo ich bin,

da ist das Glück.

Da kam der kleine Mattias Speck

und warf ihn im hohen Bogen weg.

Der Stein ist fortgeflogen ...

In einem schönen Bogen ...

Und sprach, als er gelandet war:

Bin immer hier und niemals da!

Und flüstert dann ganz leise:

Was sind wir Steine weise.

Fredrik Vahle

Dann gibt es natürlich noch eines von Ringelnatz:

Der Stein Ein kleines Steinchen rollte munter Von einem hohen Berg herunter. Und als es durch den Schnee so rollte, Ward es viel größer als es wollte. Da sprach der Stein mit stolzer Miene: »Jetzt bin ich eine Schneelawine«. Er riß im Rollen noch ein Haus Und sieben große Bäume aus. Dann rollte er ins Meer hinein, Und dort versank der kleine Stein.

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In den Gedichten anderer kann man auch gut erkennen, mit was sie Moos und Steine so gleichsetzen oder wie sie damit umgehen..... welche Metaphern....

"Wie Moos den Stein"

Überleben, wie Geld die Härte.

Überleben, wie Altes die Verwandlung.

Es ist die letzte Zeile aus meinem Gedicht "Wir Wunder" : "Überleben so wie Moos den Stein."

Ja, so wird das ab und wenn gemacht; den Bezug dazu findet man dann später, nachdem man das Gedicht las.


Machtnix53 
Beitragsersteller
 22.07.2024, 11:37

Mal eine völlig andere Sichtweise. Für mich wäre Geld das Letzte, was ich mit Moos assoziieren würde. Verstehe auch nicht, wie Leute auf diesen Spruch gekommen sind, außer dass es sich auf los reimt.

Auch Stein mit Verwandlung zu verbinden. Stein ist doch gerade das, was sich nicht verwandelt.

Meine eigene Deutung werde ich später noch mal erläutern, will aber erst weitere Antworten abwarten.

amormutuus  22.07.2024, 22:06
@Machtnix53
Mal eine völlig andere Sichtweise.

Ja genau, ich hoffe sie ist dir auch inspirierend und weiterführend, also auf irgendeine Art bereichernd.
Aber sicherlich kannst du auch gut und gerne bei deiner Deutung bleiben, aber interessant ist es halt mal, was andere so dazu sagen .... und meinen ....

Für mich wäre Geld das Letzte, was ich mit Moos assoziieren würde.

Aber ja, das weiß ich doch!
Daher ja auch meine kleine Provokation:

Männer sind wie Bäume: genug Moos haben sie erst, wenn sie alt sind.

Kannst du das bestätigen? ;-)))

Verstehe auch nicht, wie Leute auf diesen Spruch gekommen sind

Ohne Moos nix los. Ja, im Wald gibt es viel Moos. Aber nein, das Gewächs hat nichts mit dem Sprichwort zu tun, auch wenn es naheliegend scheint. Die Redensart stammt vom jiddischen „moes", was Geld bedeutet. Ähnlich lautet im Hebräischen das Wort für Münze: „māʿōt".

Entwickelte sich .... wurde übernommen .... hielt sich bis heute .....

Die Juden waren immer schon gut in Geldangelegenheiten, und aus Wut und Neid wurden sie dafür sehr grausam behandelt.

Auch Stein mit Verwandlung zu verbinden. Stein ist doch gerade das, was sich nicht verwandelt.

Bei den Alchemisten ... also das suche dir heraus, falls es dich näher interessiert .... ist doch umfangreich....

Garnet72  23.07.2024, 09:09
@Machtnix53
Meine eigene Deutung werde ich später noch mal erläutern, will aber erst weitere Antworten abwarten.

Da sind wir mal gespannt...

Machtnix53 
Beitragsersteller
 25.07.2024, 14:35
@Garnet72

Nun wird es mal Zeit, zu erläutern, was es für mich bedeutet und wie ich dazu kam. Die letzte Strophe meines Gedichts lautete erst nur:

Wie selbstverständlich
halten wir Wunder
zusammen
und überleben.

Mit dem Ende war ich aber nicht ganz zufrieden. Ein intransitives 'Überleben' ohne Objekt war mir zu schwach, es erscheint dann einfach als bloßes individuelles 'weiterleben'. In einem transitiven 'Überleben' steckt aber mehr, man überlebt eine Katastrophe, einen Angriff, einen Gegner. Damit bleibt das Überleben auch nicht individuell, es hat Bedeutung für Mitlebewesen, mit denen wir verbunden sind.

So kam ich dann auf das Bild mit dem Moos, das Steine überwächst und sie damit zu Lebensraum für Kleinstlebewesen macht. Mit Leben überziehen, eine zweite Bedeutung für 'Überleben'. Moos ist ein pflanzlicher Überlebenskünstler, es kommt auch mit ungünstigen Lebensbedingungen zurecht. Sein Überleben beruht auf Genügsamkeit, man könnte fast sagen, es "lebt von Luft und Liebe". Pescatori hat in seiner Antwort einen Link auf ein sehr gutes Video über die Besonderheiten von Moos gesetzt.

Der Stein ist für mich ein Symbol für Härte und Unnachgiebigkeit, für lebensfeindliche Strukturen. Im Umgang damit ist das Moos ein Vorbild für uns andere Wunder, die Härte wird abgemildert und dem Leben zugänglich gemacht. Deshalb habe ich folgende Zeilen als Schluss und Pointe angefügt:

Überleben so
wie Moos den Stein.

Der Stein ist damit zugleich Objekt für das Moos und für "wir Wunder" aus der vorhergehenden Strophe.

Für einen Gedichtband mit recht unterschiedlichen Gedichten ist es schwierig, einen passenden Titel zu finden, besonders wenn man sich von allgemeingültigen Klischees fernhalten will. Als mir diese Zeile als Titel in Sinn kam, musste ich nicht mehr lange hin und her überlegen. Er gibt eine Haltung oder Richtung an, die zu fast allen meinen Gedichten trotz ihrer Unterschiedlichkeit passt.

Garnet72  25.07.2024, 14:58
@Machtnix53

Vielen Dank für deine ausführliche Erklärung: deinen einleuchtenden Überlegungen kann ich nur zustimmen, vor allem, da ich mich ja schon an einigen deiner Gedichte erfreuen durfte, die deine Haltung bzw. Richtung, wie du schreibst, deutlich spiegeln.

Hallo Machtnix53,

der harte, unbelebte Stein - wie unzerstörbar erscheint er!

Das zarte, belebte Moos - wie leicht zerstörbar es doch erscheint!

Doch die Erosion einerseits und die große Vielfalt des Lebens andererseits schenkt den Moosen die Zukunft -

 alles wissen: Ohne Moos nix los - hier anschauen (ardmediathek.de)

 und auch jenen Menschen, die sich der Vielfalt des Lebens anvertrauen statt sich starren Strukturen zu überlassen.

 Und im Zweifelsfall:

 Mach mal Pause

 Die Welt kommt

auch ohne uns

nicht zurecht

Jobst Quis in: "Wie Moos den Stein"

 Tolle Gedichte!

Danke, danke danke!

 


Machtnix53 
Beitragsersteller
 23.07.2024, 12:21

Vielen Dank für deine Antwort und ganz besonders für den Link auf das Video. Es bestätigt und erweitert meine Begeisterung für diese Pflanzenart: Überlebenskünstler durch Genügsamkeit.

Ich hatte mal nach "Wie Moos den Stein" gegoogelt. Meist ging es darum, wie man Moos von Stein entfernt: Das Leben als Störung der steinernen Ordnung.

Garnet72  23.07.2024, 15:34
@Machtnix53

@Pescatori

Gefällt mir, Überlebenskünstler und Lebensspender statt schädlicher Oberflächenbefall: alles eine Frage des Blickwinkels, schön, wie ihr euch ergänzt.

Hallo,

als naturinteressiertem Menschen weckt es bei mir erst einmal Interesse.

Assoziationen:

Moos:

Belebt, feucht, kühl, weich, grün, dunkel, schattig

Stein:

Unbelebt, trocken, hart, schwer, heiß