Wie bewertet ihr den Begriff "Neurodiversität"?

Das Ergebnis basiert auf 20 Abstimmungen

neutral 45%
kenne ich nicht 30%
positiv 15%
negativ 10%

6 Antworten

positiv

Positiv, weil es somit endlich eine passende Bezeichnung gibt, für eben ... Na ja, Neurodiversität! (Oder: Neurodivergenz)

"Neurodiversität" heißt ja nur: Schau, es gibt unterschiedliche Gehirne. Jedes Gehirn ist ein bisschen anders. Aber es gibt Gehirne, die unterscheiden sich sehr stark vom "normalen", vom gängigen Gehirntypen - Menschen mit dem gängigen Gehirntypen werden als "neurotypisch" bezeichnet und dieser Begriff ist in keinster Weise abwertend gemeint -, so sehr, dass sie neurodivers sind. Denn sie sind anders aufgebaut, Menschen mit diesen Gehirnen nehmen die Welt anders wahr.

Neurodivers weil wegen Neurologie (Autismus beispielsweise = neurologische Entwicklungsstörung laut ICD-11/DSM-5), Gehirn, und ja, den Part brauche ich wohl nicht zu erklären.

Es gibt nun einmal neurologische Vielfalt, neurologische Diversität und wir sollten das besser früher als später verstehen und akzeptieren.

Neurodivers/neurodivergent zu sein ist nicht besser oder schlechter. Es ist einfach nur ... anders. Divers. Es entwickelt sich in eine andere Richtung.

Was ich allerdings auch bemerke, ist, dass manche, die den Begriff benutzen oder ihn mal irgendwo gelesen haben, ihn falsch verstehen.

Nein, "Neurodiversität" ≠ psychische Krankheiten sind voll normal.

Nope! Nein!

Meine Sozialphobie beispielsweise gehört nicht in den "Neurodiversitäts-Sektor". Warum? Weil ich damit nicht geboren wurde. Ich bin daran erkrankt. Ich bin aber nicht an meinem Autismus erkrankt, weil niemand an Autismus erkranken kann. (Entwicklungsstörungen sind etwas anderes als Krankheiten. Um nur einen Unterschied zu nennen: Entwicklungsstörungen sind immer angeboren bzw. treten in früher Kindheit auf, Krankheiten können angeboren sein, müssen es aber nicht und sie können sich zu jedem Zeitpunkt im Leben entwickeln. Ebenfalls sind nicht alle Behinderungen Krankheiten, auch wenn Krankheiten manchmal zu Behinderungen werden können.)

"Neurodiversität" soll ja sagen, dass manche Menschen eben ein anderes Gehirn haben, dass sie so geboren wurden und dass sie nie etwas anderes erlebt haben. Ich war schon immer autistisch, ich hatte schon immer ein autistisches Gehirn, aber gottverdammt, nein, ich bin nicht mit einem Gehirn geboren, dass sich nicht alleine nach draußen traut uvm.!

Meine Sozialphobie verändert nicht meine Neurologie, meine Gehirnstruktur, die Synapsen, den Aufbau etc. pp. Meine Sozialphobie ist eine psychische Krankheit, sie hat meine Psyche erkranken lassen - Etwas, was mein Autismus niemals tun könnte (nicht zuletzt, weil es eben nichts Psychisches ist).

Ich finde, psychische Krankheiten gehören definitiv ... Na ja, man sollte Leute, die sowas haben, ernstnehmen, und man muss einfach ... Wie nennt man dieses Wort ... Es muss weniger stigmatisiert werden, genau! Aber es ist keine Neurodiversität/Neurodivergenz. Es muss immer noch geheilt werden, während Autismus z.B. nicht geheilt werden muss (und nicht geheilt werden kann, außer man steht auf "geheilt" mit ganz viel Extratrauma - Jetzt für nur 159,99€! Nur solange der Vorrat reicht.)

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich bin diagnostizierte Autistin (Keine Selbstdiagnose)👽
neutral

Der Begriff dient der Verhinderung einer Stigmatisierung bestimmter Erscheinungsformen, die von der Norm abweichen. Ich würde z.B. auch die Phantomschmerzen zur Neurodiversität zählen, ebenso wie Hypersensibilität, Hochbegabung und Autismus. Die Inselbegabungen bei machen Autisten zeigen, dass Autismus nicht unbedingt eine "Krankheit" im üblichen Sinne ist, sondern teilweise nur eine Normabweichung.

Die Geschichte des unter Schizophrenie leidenden John Forbes Nash dürfte die Stigmatisierung von solchen Erscheinungsformen möglicherweise etwas abgebaut haben. (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/John_Forbes_Nash_Jr.)

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Lehrer u. Fachbetreuer für Mathematik und Physik i.R.
orangade 
Fragesteller
 16.04.2024, 20:59
 Ich würde z.B. auch die Phantomschmerzen zur Neurodiversität zählen, 

Echt jetzt?

0
Littlethought  16.04.2024, 21:01
@orangade

Ja, denn Phatomschmerzen sind neurologisch bedingt und lassen sich abtrainieren und in einem erstaunlichen Versuch auch antrainieren.

0
orangade 
Fragesteller
 16.04.2024, 21:21
@Littlethought

Und das trifft auch auf Autismus, bipolare Störung, Synästhesie, Hochbegabung oder Hochsensibilität zu?

0
Littlethought  16.04.2024, 21:33
@orangade

Dass obige Erscheinungsformen neurologisch (genauer synaptisch) bedingt sind dürfte wohl nicht bezweifelt werden. Von pathologische Unterschieden in der Zahl der Neuronen kann man absehen. Entscheidend sind die synaptischen Verknüpfungen der Neuronen. Dabei könnte man prinzipiell zwei Fälle unterscheiden. Die Verknüfungen sind nicht in ausreichender Zahl oder Struktur vorhanden oder die Verknüpfungen können auf Grund fehlender Botenstoffe nicht ausreichend genutzt werden.

Bei den Phatomschmerzen wurden durch das Hirn "unsinnige" Verküpfungen gebildet. Synaptische Verbindungen können aber einerseits erzeugt und andererseits auch zurückgebaut werden. Bei der Schizophrenie werden unter bestimmten Voraussetzungen zeitweise manche Verbindungen chemisch unterdrückt oder verstärkt.

0
Littlethought  16.04.2024, 21:46
@Littlethought

Nachtrag: Während des gesamten Lebens werden im Hypothalamus Hirnzellen ständig auf- und abgebaut. Die Anzahl der Neuronen bleibt dabei etwa gleich, die Zahl der Synapsen erhöht sich aber etwa um den Faktor 16.

1
positiv

Ich bewerte ihn positiv, da die "Krankheiten" (auch Neurodivergenzen genannt) wie AD(H)S, ASS etc., welche unter die Neurodiversität fallen, auch als positives/besonderes angenommen werden sollten.

Das würde vielen Betroffenen einiges erleichtern.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
orangade 
Fragesteller
 16.04.2024, 20:49

Warum wird es dadurch für die Betroffenen leichter?

0
StrumpfPrinz  16.04.2024, 20:53
@orangade

Weil sie von der Gesellschaft nicht generell als komisch, krank, wehleidig oder sogar als Simulant angesehen würden.

Das kann viel mit einem machen, bei Erwachsenen aber gerade bei Kindern.

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orangade 
Fragesteller
 16.04.2024, 20:58
@StrumpfPrinz

Ich glaube nicht, dass es diesen positiven Effekt geben würde, den du dir erhoffst.

Autisten sind ja leider oft etwas schwierig im sozialen Kontakt. Das ändert sich auch nicht durch eine andere Bezeichnung. Das Problem mit dem Umgang bleibt bestehen.

Nur mehr Aufklärung und Integrationsprogramme könnten da helfen.

2
StrumpfPrinz  16.04.2024, 21:04
@orangade

Dem stimme ich zu. Vor allem die Aufklärung habe ich von Kopf aus in meine Antwort inkludiert, ohne es ausgeschrieben zu haben. Sorry dafür.

1
neutral

Das ist ein wissenschaftlicher Begriff, der sich einer Bewertung entzieht.

Tamtamy  16.04.2024, 20:52

Man sollte nicht (grundsätzlich) davor zurückschrecken, auch wissenschaftliche Begriffe zu bewerten! Wissenschaft ist nicht frei von 'Zeitgeist'.

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vanOoijen  16.04.2024, 21:56
@Tamtamy

Und Psychologie und Psychiatrie schonmal gar nicht. Im Gegenteil. Da hat sich der Zeitgeist von Beginn an so richtig ausgetobt und macht es nach wie vor.

0
Tamtamy  16.04.2024, 21:59
@vanOoijen

Jetzt mach mal mein ehemaliges Studienfach nicht so gnadenlos runter! 😁
Da wird schon auch kritisches Denken (mit) vermittelt.

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vanOoijen  16.04.2024, 22:03
@Tamtamy

Darüber kannst Du Dich mit der FS unterhalten. Die hat das auch studiert.

Ich war hingegen immer sehr kritisch gegenüber Psychiatrie und Psychologie eingestellt.

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Tamtamy  16.04.2024, 22:05
@vanOoijen

"Psychologie" als wissenschaftliches Studium ist nicht gleichzusetzen mit dem, was alles als "Psychologie" in den Regalen oder Zeitschriften steht.

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vanOoijen  16.04.2024, 22:14
@Tamtamy

Das ist mir durchaus bewusst und psychiatrieerfahren bin ich ebenfalls.

Ich war nicht aus Unwissenheit kritisch, sondern habe schlechte Erfahrungen gemacht.

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Tamtamy  16.04.2024, 22:16
@vanOoijen

Das ist leider (immer wieder mal) auch der Fall.
Aber das ist als Thema "ein weites Feld".

1
Von Experte Skyangelforever bestätigt
neutral

Mir erscheint das als ein pragmatisch tauglicher Begriff im Zusammenhang mit Autismus.