Wechsel von As-Dur zu E-Dur - enharmonische Verwechselung?


27.01.2022, 11:55

Nachtrag: Ich WEISS prinzipiell, was eine enharmonische Verwechslung ist! Das muss mir nicht erklärt werden :) . Ich frage mich nur, ob der Begriff hier auf Tonartebene (im Gegensatz zur Einzeltonebene) auch Anwendung finden kann, und wenn nein, wie diese Tonarten harmonisch sonst zueinander in Beziehung stehen! Jemand eine Idee?

7 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo ZionsDaughter,

ja, es handelt sich hier tatsächlich um eine enharmonische Verwechselung.

Du kanntest bislang die enharmonische Verwechselung nur aus der Theorie. Nun begegnet sie Dir in der Praxis.
Eine ganz ähnliche Konstellation wie von Dir beschrieben findet man in der As-Dur Ballade von Chopin. Chopin moduliert in den Takten 154 bis 156 von As-Dur nach des-Moll. Des-Moll - das wären jedoch durchgängig 6 b und ein Doppel-b. Deshalb schreibt Chopin statt des-Moll die Tonart mit nur 4 Kreuzen cis-Moll. Der Austausch von des-Moll und cis-Moll ist die enharmonische Verwechselung.

Es ist auch in der Notation eine enharmonische Verwechselung wie aus dem Schulbuch: Das letzte As in T 156 wird mit einem Haltebogen in den Takt 157 gehalten, wo es als Gis weiterklingt.

Darf ich fragen, um welches Stück es sich bei Deiner Beobachtung handelt?

LG
Arlecchino
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Nachtrag:

Schönen Dank für die Information!

Bei Schubert - der wohl gar nicht der Komponist ist, aber das ist ein anderes Thema - ist die Sache nicht ganz so einfach wie bei der oben beschriebenen Stelle bei Chopin.

Der harmonische Gang ist hier ohne den Auftakt (notiert):
Es-Dur > as-Moll > H-Dur > E-Dur > B-Dur > Es-Dur (Quart/Sext)> Es-Dur -> As-Dur

Ohne die enharmonischen Verwechselungen wäre es:
Es-Dur > as-Moll > Ces-Dur > Fes-Dur > B-Dur > Es-Dur (Quart/Sext)> Es-Dur -> As-Dur

Nun wirst Du vielleicht ungläubig den Kopf schütteln, deshalb zwei Erläuterungen:

1.
Alle Theorie dient nur dazu, Musik zu erklären und zu verstehen. Letztlich kann die Musik nur sein, was man hört.
In den Takten 2 bis 4 in dieser Zeile hört man in des Basslinie einen Dur-Dreiklang: Gis - H - E oder As - Ces - Fes. Wenn nun Ces und Fes als H und E notiert werden, ist das eine enharmonische Verwechselung.

Das überzeugt Dich nicht? Spiele die Noten As - H - E auf dem Klavier. Was hörst Du vom ersten zum 2. Ton? Eine übermäßige Sekunde oder eine kleine Terz?

Aber weiter...

2.
In den Takten 4 bis 6 dieser Zeile findet eine enharmonische Modulation statt (wie sie erstmals Rimski-Korsakow in seiner Harmonielehre beschreibt). Du siehst zunächst: Im Bass wird E zu Fes umgedeutet (T4 nach T5) - enharmonisch, daher der Name dieser Modulation.
Dann ist da dieser verflixte Akkord im 5. Takt... Das ist ein verkürzter Dominant-Sept-Non-Akkord mit tiefalterierter Quinte im Bass: Fes - Ces - D - As
- die 1. Note im Diskant nicht beachten, das ist eine Vorhaltsnote
- verkürzt -> der Grundton (B) fehlt
- Dominant... -> B-Dur vor Es-Dur
- Sept... -> As über dem nicht klingenden Grundton B
- None... -> Ces über dem nicht klingenden Grundton B
- tiefalteriert -> einen Halbtonschritt erniedrigt
- tiefalterierte Quinte -> Fes statt F

Um diesen harmonischen Gang mit dem Gehör zu erfassen, spiele auf dem Klavier (Akkord-Töne jeweils von unten nach oben):
F - Ces - D - As ---> Fes - Ces - D - As ---> Es - C - Es - As

Wenn Du nun einwendest, der 1. dieser 3 Akkorde steht ja nicht dort, hast Du Recht. Diese Auslassung nennt man eine Elipse, so funktioniert die enharmonische Modulation.

Wenn Du noch Fragen hast - immer zu! 😉

Bisher waren sich alle einig, dass es keine enharmonische Verwechselung sei! 

Das habe ich gesehen. Den anderen Nutzern lagen ja die Noten nicht vor.


ZionsDaughter 
Beitragsersteller
 27.01.2022, 14:36

Hallo Artlecchino, danke für deine Antwort! Bisher waren sich alle einig, dass es keine enharmonische Verwechselung sei!
Es handelt sich um den Sehnsuchtswalzer von Schubert (Op. 9 Nr.2). Der zweite Teil des Walzers legt da ein paar hübsche harmonische Spielereien hin :) .

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Arlecchino  27.01.2022, 16:02
@ZionsDaughter

Upps... da war mir ein Fehler unterlaufen.
Ich habe korrigiert, jetzt sollte alles stimmen.

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ZionsDaughter 
Beitragsersteller
 27.01.2022, 18:27
@Arlecchino

Danke dir! Ich bin gerade auf dem Sprung, aber ich setze mich heute Abend oder morgen früh nochmal ans Klavier und dividiere das für mich auseinander! :)

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Arlecchino  27.01.2022, 18:28
@ZionsDaughter

Mache das in aller Ruhe. Wenn diese Dinge neu sind, braucht es ein wenig Zeit, das wirklich zu begreifen.

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Wenn man - mit Übergang - von einer Tonart in eine andere wechselt, dann bezeichnet man das als "Modulation".

Woher ich das weiß:Hobby – Spiele seit vielen Jahren Keyboard, Klavier und Trompete

ZionsDaughter 
Beitragsersteller
 27.01.2022, 11:49

Ja, den Begriff kenne ich, nur frage ich mich, ob dieser Übergang "zufällig" vom Komponisten gewählt wurde (ich denke nicht :D) oder ob diese Tonleitern irgendwie anders miteinander in Verbindung stehen. Vorher findet ein Wechsel in as-moll statt, bevor er zu E-Dur wechselt. Hast du eine Idee, was der harmonische Grundgedanke dahinter sein könnte?

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zalto  27.01.2022, 12:37
@ZionsDaughter

Ich würde die Idee so verstehen, dass er vom Grundakkord zwei Töne gleich hält und den dritten um einen Halbton (chromatisch) verschiebt. Das ist eine "chromatische Modulation".

As-Dur: As - C - Es
C wird zu Ces
As-Moll: As - Ces - Es
Es wird zu E
E-Dur: As (jetzt Gis) - Ces ( jetzt H) - E

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ZionsDaughter 
Beitragsersteller
 27.01.2022, 12:44
@zalto

Stimmt, super Idee! Ist mir noch gar nicht aufgefallen, weil ich meinen Blick auf die Tonleitern und nicht auf die Akkorde gerichtet hatte! :D Also super spannender Blickwinkel, dankeschön! Es gibt mehr Zusammenhänge zwischen As-Dur und E-Dur als ich je dachte :D .

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Sprünge um 3 - 4 Tonarten im Quintenzirkel sind so ungewöhnlich nicht, z.B. von E-Dur auf G-Dur oder C-Dur.
Von As-Dur 4 nach links wäre aber Fes-Dur, mit 7 b-Vorzeichen und einem bb.
Um das zu vermeiden, wer kann solche Noten schon flüssig lesen, wird einfach zur praktisch gleichen Tonart E-Dur mit 4 #-Vorzeichen gewechselt.

Es ist enharmonische Verwechslung bzw. enharmonische Modulation.
Bei anderer Schreibweise der Noten des Akkordes aus dem 5. Takt, auf den Arlecchino hingewiesen hat (in meinem Beispiel unten der jeweils 2. Takt) gäbe es eine unterschiedliche Auflösung desselben. Ein E-Dur-Dominantseptakkord würde sich nach a-moll auflösen, der verkürzte Dominantseptakkord mit tiefalterierter Quint im Bass bei Schubert löst sich in den Vorhaltsquartsextakkord der Dominante in As-Dur auf.
Wikipediaartikel zu diesem Typus von Akkord

Bild zum Beitrag

 - (Musik, Klavier, Musiktheorie)

c7sus4  28.01.2022, 07:59

http://www.lehrklaenge.de/PHP/Harmonielehre1/Vorhaltsquartsextakkord.php
Im 3. Takt von Schubert in meinem Notenbeispiels kommt nicht sofort der Dreiklang der Dominante (Es-Dur), sondern nur der Basston Es, und darüber die Töne As und C, die genau eins höher liegen als die Töne von Es-Dur G und B.
Quarte und Sexte über dem Basston sind weniger konsonant als Terz und Quinte, also eine Dissonanz auf schwerer Zeit, die sich schrittweise auflöst, ein Vorhalt (normalerweise, Schubert hat den Akkord in eine andere Stellung springen lassen, deswegen sieht man es nicht so leicht).

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ZionsDaughter 
Beitragsersteller
 27.01.2022, 23:12

Super, vielen Dank für deine Antwort und die bildliche Verdeutlichung! Ich spiele das morgen mal am Klavier nach und höre/fühle mich da rein. Eine Nachfrage: Was ist ein Vorhaltsakkord? Der Begriff ist mir bisher nicht begegnet.

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c7sus4  28.01.2022, 08:07
@ZionsDaughter

das Einzige Problem bei dem anderen möglichen Fortgang ist das Ais, das ist eine Dissonanz, die sich nicht auflöst. Wenn man stattdessen H spielt klingt es noch logischer.

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Hallo,

As-Dur und E-Dur sind zwei deutlich zu unterscheidende Tonarten.

Enharmonische Verwechslung liegt nur vor, wenn sich die verwechselten Tonarten auf einem Klavier gleich anhören. Beispiel: Gis-Dur und As-Dur werden auf den gleichen Tasten gespielt. As-Dur und E-Dur dagegen nicht.

Herzliche Grüße,

Willy


ZionsDaughter 
Beitragsersteller
 27.01.2022, 11:50

Ja, genau, das weiß ich :D . Ich frage mich nur, ob diese Tonarten irgendwie miteinander in Verbindung stehen. Der Komponist wird sie ja nicht zufällig gewählt haben, da wird ja ein harmonischer Grundgedanke hinterstehen. Ich meine, wenn er zu Es-Dur wechseln würde - okay, das wäre halt die Dominante... Aber E-Dur?
Hast du eine Idee, wie diese Tonleitern sonst in Beziehung stehen könnten?

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Willy1729  27.01.2022, 12:02
@ZionsDaughter

Die Dominante von E-Dur ist H-Dur mit der Mollparallele gis-Moll gleich as-Moll nach enharmonischer Verwechslung. Das nach Dur moduliert ergibt As-Dur.

Vielleicht war das der Gedanke dahinter.

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ZionsDaughter 
Beitragsersteller
 27.01.2022, 12:06
@Willy1729

Himmel! :D Ja! Das könnte es wirklich sein! Danke dir! Die 5. Stufe der Durparallele von as-moll! Es entwickelt sich ja auch aus as-moll!

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