Verständnis für die Perspektive ostdeutscher Demonstranten bezüglich der DDR?

9 Antworten

Das Gehirn des Menschen funktioniert so, dass wir die wirklich schlimmen Sachen mit der Zeit verdrängen. Wir vergessen einfach, wie schlimm es wirklich war. Anders könnten wir auch nicht existieren. Wenn es anders wäre, würde ein schlimmes Ereignis uns bis an unser Lebensende verfolgen und uns zerstören. Davor schützt uns unser Gehirn. Es kann die wirklich schlechten Erlebnisse einfach loslassen und streichen.

Aus diesem Grund suhlen sich heute viele Ostdeutsche in ihrer Ostalgie. Sie haben vergessen, dass die DDR eine der schlimmsten Diktaturen war, die es überhaupt gab. Man konnte für ein falsches Wort für Jahre eingesperrt werden. Es gab eben keine Demokratie, weil es ja keine Wahlen gab. Das, was dort als Wahl bezeichnet wurde, hatte mit einer Wahl nicht das Geringste zu tun. Es standen die Namen der Kandidaten der "Nationalen Front" auf dem Zettel. Niemand wusste wer diese Typen waren und welcher Partei sie angehörten, denn es gab ja keinen Wahlkampf. Die konnten alle von der SED sein, oder von den Blockparteien, die nichts zu sagen hatten. Das wusste man nicht, denn diese Namen waren vollkommen unbekannt.

Man konnte auch nicht einfach mehrere Namen streichen, in der Hoffnung, dass die ersten auf dem Zettel tatsächlich der SED angehören würden. Wenn man mehrere Namen durchstrich, war die Stimme ungültig. Ebenso, wenn man den ganzen Zettel durchkreuzte. Man konnte auch kein Häkchen hinter einem Namen machen. Auch das machte die Stimme ungültig. Man konnte nur den Zettel falten und ihn unverändert in die Urne werfen, ohne dass man auch nur einen Blick auf diesen Zettel warf. So hieß der Vorgang dann auch: "Zettel falten!"

Diese Wahlen waren also keine richtigen Wahlen, denn das Ergebnis stand von vornherein fest.

96% aller Leute haben ihren Zettel in der Regel tatsächlich nur gefaltet und in die Urne geworfen. Nur 4% haben sich im Wahllokal getraut, auf dem Zettel herum zu kritzeln. Die haben ihren Zettel vor aller Augen ungültig gemacht, denn es gab natürlich auch keine Wahlkabine, in der man ungestört war. Doch dieses Ergebnis reichte der SED nicht aus. Es wurde am Ende immer noch einmal gefälscht. Aus den 96% wurden 98,irgendwas gemacht. Je nach Vorgabe aus dem Politbüro. Es war, als würde man Falschgeld fälschen!

Mit Demokratie hatte das alles also nichts zu tun. Es gab keine Demokratie in der DDR. Doch das haben diese Leute von denen du sprichst, vergessen. Sie haben auch vergessen, dass sie nicht reisen durften, dass sie nicht frei reden durften, dass sie nicht gegen das demonstrieren durften, was ihnen unter den Nägeln brannte.

Sie haben die Mangelwirtschaft vergessen, das tägliche Schlangestehen für die alltäglichsten Dinge. Sie haben vergessen, dass sie auf ein Auto aus Pappe 13 oder 18 Jahre warten mussten und dass sie keine Wohnung zugewiesen bekamen, wenn sie nicht verheiratet waren.

All das ist ihnen entfallen. Stattdessen haben sie die rosarote Brille auf, wenn sie an die DDR zurückdenken und wünschen sich die alte Zeit zurück.

Natürlich wollen sie den Euro behalten und nicht wieder für Aluchips arbeiten gehen. Auch die Grenze soll offen bleiben und ihren Golf würden sie auch mit in die DDR nehmen. Die Demokratie und die Redefreiheit soll es dort auch geben, denn sonst könnten sie ja nicht länger das Maul aufreißen. Wenn sie also alle Vorteile aus der heutigen Zeit mitnehmen könnten, dann hätten sie die DDR gern wieder zurück.

Mich nervt diese Sichtweise schrecklich, denn auch ich habe die DDR erlebt und ich habe nichts vergessen. Ich erinnere mich sehr gut an die Unfreiheit, die staatlichen Lügen, die Propaganda, die Dummheit, den Mangel. Ich wünsche mir die DDR nicht zurück, genauso wenig wie diese Typen. Denn wenn man sie daran erinnert, wie es wirklich war, dann sind sie ganz still oder sie stellen sich absichtlich dumm und sind dann bockig. Sie tun dann auch weiter so, als wäre damals alles Banane gewesen. Doch in ihrem Inneren wissen sie, dass das Leben in der DDR den Vergleich zu heute nicht standhält.


BeRlisoni 
Beitragsersteller
 01.01.2024, 15:31

Vielleicht machen sie es auch bewusst...

vielleicht wissen einige von denen ganz genau, dass es früher schlimmer war, und sie machen es nur um zu provozieren.

Aber danke für deinen Beitrag, der ist wirklich auch sehr stark und bringt eigentlich alles auf den Punkt.

Mich nervt das eigentlich auch immer tierisch, deswegen habe ich jetzt einfach mal hier ganz unbedarft nachgefragt in diesem Forum.

Fuchssprung  01.01.2024, 15:37
@BeRlisoni

Ganz sicher machen einige das auch ganz bewusst, um sich von der Demokratie und dem Rechtsstaat abzugrenzen. Die wissen ganz genau, was sie haben und doch wünschen sie sich die Diktatur der Faschisten. So als hätte sie die Diktatur der Kommunisten nicht erlebt. In mir löst so viel geballte Dummheit und Ignoranz nur noch Wut aus.

Verständnis für die Perspektive ostdeutscher Demonstranten bezüglich der DDR?

Deine Frag verstehe ich ja weniger auf die Vergangenheit der Bürger gerichtet, sondern auf die Zukunft mit ihrer Erwartungshaltung. Somit ist da eine Enttäuschung dabei, das es nicht soviel besser geworden ist in den neuen Bundesländern. Einmal die Entvölkerung von geschätzten 30 %, deuten darauf hin, das die vorhandenen Arbeitsplätze von der Treuhand abgewickelt wurden, aber neue Arbeitsplätze sich rar machten, was eben zu dieser Westwanderung führte.

Das ist der ganze Frust, das die AfD jetzt hier Aufwind hat und die derzeitige Politik das zwar weiß, aber nichts daran geändert hat. Auch die Anpassung der Lebensumstände warten immer noch auf eine Gleichstellung und die Ansichten ueber ihre Landsleute im Osten sind immer noch bei manchen von zweifelhaften Vorurteilen geprägt.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Von Experte Udavu bestätigt

Ich habe selbst nicht in der DDR gelebt, bin aber in Ostdeutschland aufgewachsen und natürlich haben die Eltern- und Großeltern meiner Familie in der DDR gelebt. Auch in meiner Familie gibt es eine gewisse Art von Nostalgie für die DDR.

Ich denke viele Dinge werden verklärt dargestellt. Man erinnert sich häufiger an die schönen Sachen als an die negativen Sachen. In der DDR hat ein durchschnittlicher Mensch ja eine normale und auch schöne Kindheit. Probleme hatten i.d.R. nur politisch subversive Erwachsene, die gegen das System waren. Wer jedoch politisch desinteressiert war oder damit leben konnte, kaum politischen Einfluss zu haben, der hatte eigentlich keine großen Probleme und konnte ein weitgehend normales Leben führen.

Meiner Meinung nach spricht aus diesen Aussagen bei Ostdeutschen auch in Verbindug mit der Kritik an der heutigen Regierung eher eine Enttäuschung über die BRD-Demokratie als eine wirkliche Befürwortung der DDR.

Den Menschen in der DDR wurden schon vor dem Mauerfall aber auch nach dem Mauerfall, große Versprechen über die westliche Demokratie gemacht. Mehr Einfluss, mehr Rechte, eine Regierung, die sich um die Nöte der Bürger kümmert und nicht einfach nur das Land verwaltet und misswirtschaft betreibt. Und wenn man sich bestimmte Kennzahlen des heutigen Deutschlands anschaut, dann sieht man dass diese Versprechen einfach nur hohle Phrasen waren.

Kinderarmut, Wohnungs- und Obdachlosigkeit ist auf Rekordnniveau. Über 50% der deutschen Bevölkerung hat nicht mal 1 Euro auf der hohen Kante und kann sich außerplanmäßige Reparaturen oder Anschaffungen, wie bspw. den Ersatz einer Waschmaschine, nicht leisten. Obgleich die Reallöhne vor Corona zuletzt stiegen, stagnierten sie davor fast 20 Jahre. Die Infrastruktur, die Schulen, die Kitas fliegen auseinander. Hinzu kommt das desolate Gesundheitssystem, insb. in den ländlichen Regionen, wo es fast unmöglich geworden ist einen Arzttermin zu bekommen. Und viele andere Themen: Stichwort Rente, Stichwort Migration, Stichwort Mieten, Stichwort Energie, usw. usf.

Dann kommt die unstete politische Führung dazu. Man erarbeitet sich über Jahre seines Lebens ein Auto, ein Haus und weil die Politik keine strategischen Antworten auf drängende Fragen gibt, werden diese Dinge in die Gefahr gebracht über nach Wertlos zu werden (bspw. durch Klimapolitik), weil die Regierung E-Autos fördert oder verbrenner Besteuern will oder neue Heizungssystem einführt, ohne den Leuten irgendeine Form von Ausgleich anzubieten.

Ich meine: Erwartet man solche Politik von einem System, welches angeblich von den Menschen für die Menschen gemacht ist? Ne, sowas erwartet man eigentlich nur von einer Regierung die sich nur für sich selbst interessiert und schlampig arbeitet.

Jetzt kann man natürlich sagen, dass das alles auch auf Westdeutsche zutrifft und dass diese nicht so krass für die AfD stimmen oder auf die Straße gehen. Na ja, einerseits gibt es auch westdeutsche Landkreise in denen die AfD mittlerweile zweitstärkste Kraft ist, z.B. auch in Bayern, wenn ich es richtig erinnere. Oder wo 30% der Leute gar nicht mehr zur Wahl gehen.

Nur haben Ostdeutsche eben die Diktaturerfahrung sowie die Demokratisierungserfahrung durch die Proteste 89 gemacht. Sie ziehen den unmittelbaren Vergleich, und die Kindergeneration zieht den überlieferten Vergleich, zur DDR und lässt sich dann zu solchen Vergleichen hinreißen.


BeRlisoni 
Beitragsersteller
 01.01.2024, 14:54

Dein Beitrag ist sehr stark, und jetzt beim durchlesen merke ich auch gerade dass meine Frage vielleicht etwas unpassend war!

Ich war mal vor drei Jahren in Thüringen. Das erste Mal in meinem Leben dass ich in Ostdeutschland war, und ich habe es eigentlich dort nicht wiedererkannt, also Deutschland im Vergleich zu Bayern. Ich stelle mir gerade vor wenn ich dort leben würde und nicht mein schönes Bayern hätte, dann wäre ich sicherlich auch etwas anders eingestellt zur Politik.

Vor allem, vor dem Hintergrund das versprochen wurde, dass blühende Landschaften entstehen sollten... dort sah es eigentlich nur sehr traurig aus aber nicht "blühend" (also, ohne jetzt Thüringen schlecht machen zu wollen, aber ist einfach so dass dort sehr viele leer stand z.b wo ich gewesen bin und so weiter...)

seizegott  01.01.2024, 14:58
@BeRlisoni

Bis auf die großen Städte in Ostdeutschland wie Dresden, Leipzig, Halle, Erfurt, Magdeburg, usw. sehen viele kleinere Orte in Ostdeutschland einfach komplette Katastrophe aus. Das liegt vor allem daran, dass es dort nie wirklich eine wirtschaftliche Entwicklung gab, bzw. das was da war, wurde ja auch durch Treuhand, usw. zerstört.

Daher sind viele junge Menschen, und so auch ich, aus dem Osten weg bzw. nur in die großen Städte gegangen. Entsprechend gab es in den kleineren Orten keine Zukunft und folglich kein Investitionen mehr.

Aber als ich von meinem ostdeutschen Städtchen nach Westdeutschland gegangen bin für die Arbeit, war ich z.T. auch geschockt wie schlecht einige Orte im Ruhrgebiet aussehen. Daher finde ich, sollte man schon auf jeden Fall sehen, dass dieses Versprechen nicht nur für Ostdeutsche gebrochen wurde.

Da gibt es nichts zu verstehen. Solche Leute reden einfach Schwachsinn. Nichts davon stimmt.

In der DDR gab es überhaupt keine Demokratie. Man musste als Bürger auf alle demokratischen Freiheitsrechte verzichten. Es gab keine freien Wahlen, keine freien Medien, keine Meinungsfreiheit , keine Reisefreiheit.

Die Zensur in der DDR spürte man sehr deutlich. In den Zeitungen, in Rundfunk und Fernsehen durfte nur das geschrieben oder gesendet werden, was die SED erlaubte.

Was heute üblich ist, die Regierung zu kritisieren in den Zeitungen wäre in der DDR unmöglich gewesen. Der Journalist der dafür verantwortlich war wäre ins Gefängnis gekommen.

Heute gibt es überhaupt keine Diktatur, das ist Quatsch. Die DDR wurde sogar von der SED-Führung als Diktatur bezeichnet und zwar als Diktatur des Proletariats.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Habe in der DDR gelebt, weiss eine ganze Menge darüber.

Weiß ja nicht, wo du deine Aussagen her hast, habe das noch nie dort gehört. Im Gegenteil, die Meisten haben Angst, dass es wieder so wird wie damals.

Ich bin selber gebürtiger Bayer und auch wahrscheinlich ein bissl älter als du, habe auch das Gefühl, dass sich Deutschland die letzten 15 Jahre immer mehr zu einer Diktatur entwickelt.

ich habe es eigentlich dort nicht wiedererkannt, also Deutschland im Vergleich zu Bayern

Das ist Quatsch. Warst du mal in der Oberpfalz oder nördlich vom Bayerischen Wald? Dann in Erfurt oder am Rennsteig?

Oder noch besser im Ruhrgebiet?

Es gibt solche und solche Gegenden. Die schöneren Städte gibt's eindeutig im Osten, bis auf Passau🤭


BeRlisoni 
Beitragsersteller
 01.01.2024, 15:32

Diese Aussagen stammen aus verschiedenen Medien sei es privat beispielsweise RTL oder auch öffentlich-rechtlich bei uns ja der bayerischer Rundfunk.

Zu dem anderen Teil, mag sein dass es vielleicht in Bayern auch verkommene Gebiete gibt, aber wenn man sich das große ganze anschaut, und Bayern z.b mit Ostdeutschland vergleicht hat man schon irgendwie ein anderes Wirtschaftswachstum denke ich.

Das Ruhrgebiet kenne ich nicht.

toni6970  01.01.2024, 15:36
@BeRlisoni

OK .. Medien.

Ich bin ziemlich oft im Osten, habe viele Bekannte. Habe sowas noch nie gehört. Man sollte sich eigentlich selber ein Bild machen.