Traue mich wegen "rassistischen Blicken" nicht mehr auf die Straße?
Ich bin in Deutschland geboren und in einer Großstadt aufgewachsen, bin ganz normal deutscher Staatsbürger, Akademiker, Steuerzahler. Ich habe einen Migrationshintergrund, wir viele anderen deutschen Staatsbürger auch. In der Großstadt war das alles immer kein Thema - bis ich in ein eher ländlichen Gebiet gezogen bin. Ich merke leider, dass ich - ob im Supermarkt oder auf der Straße - mit Blicken angestarrt werde, die verletzend sind. Zumindest ist dies meine Wahrnehmung. Es gibt hier keine (zumindest ist der Anteil extrem gering) Menschen mit anderer Hautfarbe. Es geht so weit, dass ich mich so unwohl fühle, dass ich mich nicht mehr auf die Straße traue. Ich denke, jeder der Alltagsrassismus erlebt hat und sich von so etwas getriggert fühlt, kennt das Gefühl, wohl wissend, dass nicht jeder Blick "rassistisch" gemeint ist, aber es leider doch auch sehr viel subtilen Rassidmus gibt. Hat jemand einen guten Umgang damit gefunden? Ich möchte einfach wieder "normal" leben können, meinem Alltag nachgehen, ohne mich beim Einkaufen oder Spaziergang unwohl zu fühlen.
12 Antworten
hm...
das problem liegt eher bei dir.
du hast den wunsch nach einer gruppenzugehörigkeit zu andern menschen, die genauso aussehen wie du.
dasselbe problem hat jeder kleinwüchsige, jeder rollstuhlfahrer, jeder mit massiv roten haaren, jeder mit durch spastiken verformtem körper, fast jeder, der kinderlähmung hatte, jeder arm- oder beinamputierte.
die liste lässt sich beliebig fortsetzen.
ich bin in einer kleinstadt aufgewachsen. im gegensatz zu dir. ausländische arbeitnehmer waren bei uns spanier aus andalusien. die sehen ja nicht sooo anders aus.
mein vater war flüchtlingskind. flüchtlingskinder wurden überall weggejagt, angestarrt, oft gemobbt und manchmal sogar öffentlich von fremden geschlagen.
irgendwann gab es in dem ort mal nur noch einen hausarzt, es wurde ein weiterer gebraucht. der arzt, der nach etwa einem jahr eine neue praxis im ort eröffnete war dunkelhäutig, selbstredend akademiker, hatte zwei doktortitel, sprach anfangs nicht so besonders gut deutsch, kam aus einem äquatorialafrikanischen land. ziemlich schnell nahm er kontakt zur evangelischen kirchengemeinde auf, sang im kirchenchor mit und engagierte sich auch sonst in seiner freizeit sozial. er fühlte sich wohl auch zunächst angestarrt oder ausgegrenzt oder so... dauerte halt ein paar monate, bis die praxis wirklich gut lief - aber exzellente arbeit spricht sich nun mal rum. er hat meine oma beim sterbeprozess rührend und mit grosser menschlichkeit mit betreut.
was soll man sagen...
er hat halt nicht auf die einladung gewartet, sondern selber das heft aktiv in die hand genommen.
und das musst du auch tun. DU musst aktiv auf dein umfeld zugehen. in der menge quasi zu verschwinden wie in der grossstadt funktioniert in einer kleinstadt oder einem dorf nun mal nicht. man schaut dort aufeinander und nicht aneinander vorbei. ich bin sicher, sie warten nur darauf, dass du dich mal bequemst, einen schritt auf sie zu zu machen. dieser teil der deutschen kultur, dass man sich umeinander kümmert, ist dir fremd, weil du das in der grossstadt nicht gelernt hast.
ich bin aus der kleinstadt zwischenzeitlich ins ruhrgebiet gezogen - und dort auch gut zurechtgekommen. aber dies laute, anonyme, beschäftigte etc. hat mich schnell gestört. in einer mittelgrossen stadt war es besser, jetzt wohne ich wieder ländlich.
würde ich den ort wieder besuchen, in dem ich geboren und aufgewachsen bin, würde ich ganz, ganz schnell wieder anschluss finden.
es ist also eher bei dir eine lern- und eine mentalitätssache. aber sitzen und warten, bis jemand kommt oder dass du einfach nicht beachtet wirst - no way. das geht übrigens nicht nur dir so, sondern jedem, der neu in einen kleinen ort zieht.
kümmkere dich also bitte um dein seelisches wohlbefinden selber.
Ich glaube, du überreagierst und hast eine verzerrte Wahrnehmung der Realität. Du interpretierst etwas in Blicke hinein, das gar nicht vorhanden sein muss. Du weißt es nicht!
Es mag sein, dass du vereinzelt "neugierig" angeschaut wirst, aber das sind Ausnahmen. Außerdem ist nicht immer alles gleich rassistisch. Viele Menschen in kleinen, abgelegenen Dörfern, die keine Ausländer kennen, sind ganz einfach neugierig, weil sie Interesse an dir haben und mehr über dich und deine Herkunft wissen möchten. Das ist nicht immer böse und schlecht gemeint.
Mein Tipp: Engagiere dich in der Gemeinde, in Vereinen, nimm an öffentlichen Events teil, werde ehrenamtlich tätig, damit du die dortigen Leute kennenlernst und sie dich. Damit werden meistens (nicht immer!) Neugier und Unkenntnis überbrückt und abgebaut
Erst dann kannst du feststellen, ob es sich tatsächlich um Rassismus handelt. Im Augenblick urteilst du etwas übereilt und verfrüht, wie ich finde.
Alles Gute in und mit deiner neuen Nachbarschaft!
das findet nur in deinem Kopf statt...
Nach dem 11.09.2001 hatte jeder ein komisches Gefühl wenn er einen Menschen mit Turban am Flughafen sah...obwohl wahrscheinlich 999 von 1000 Turbanträger friedlich waren
Jetzt ist diese überflüssige Rechts-Debatte in den Medien...
was sagt dir das?
Ich fasse zusammen: Du ziehst aufs Land, wirst mit "Blicken" angestarrt die, laut deinem Empfinden, "verletzend" sind. Aha. Und deswegen gehst du nicht mehr raus und denkst du kannst nicht mehr "normal" leben kannst und unterstellst den anderen pauschal Rassismus?!
Ich bin aus dem süddeutschen Raum nach Norddeutschland in ein Dorf gezogen. Weißt du was? Als ich hierher gezogen bin haben mich die Dorfbewohner auch angestarrt. Der Typ den keiner kennt, das Auto mit dem "fremden" Kennzeichen, der so komisch spricht (süddeutscher Dialekt), etc. - Was will der hier? Wo kommt der her? Was macht der hier? Warum ist der hierher gezogen? - wäre ich drauf wie du hätte ich das sicher als offene Anfeindung bis Drohung empfunden, wärte "getriggert" gewesen, hätte mich zuhause eingeschlossen und im Netz über Rassismus gejammert.
Seit ich in den örtlichen Vereinen tätig bin, mich ehrenamtlich engagiert, mich eben integriert habe und in das Leben aktiv einbringe, werde ich nicht mehr kritisch beäugt sondern fröhlich gegrüßt...
Ich glaube eher, du kommst aus einer Großstadt (wie du schreibst) und bist aufs Dorf gezogen (wie du schreibst, ländliche Gegend). Und jetzt kommst du nicht damit klar, dass du nicht mehr in der Großstadt wohnst. Wenn du in Anonymität leben willst, wo es keinen interesiert wer da so unterwegs ist - dann musst du eben wieder in die Großstadt ziehen. Dort lebt man anders. Nicht besser, nicht schlechter, anders eben.
Du willst wieder "normal" leben ohne "angestarrt" zu werden? Ja dann tu was dafür dass du am neuen Wohnort akzeptiert wirst. Oder auch nicht, niemand zwingt dich dazu. Dann wird es aber auch entsprechend länger dauern bis man sich an dich "gewöhnt" hat.
Die Frage ist: Was hast DU denn bis jetzt getan um am neuen Wohnort anzukommen? Davon ist jedenfalls in deinem Bericht zu keinem Zeitpunkt die Rede.
Hast du die Erfahrung gemacht, "auf dem Land" nachweisen zu müssen, dass du ein Haus nur mieten kannst, wenn die Kinder "nicht so laut wie bei den Ausländern sind?"
Nö, ich hab die Erfahrung gemacht dass mir erstmal gar keiner eine Wohnung vermieten wollte, weil ich ja "von weit weg" komme und man mir daher nicht recht glauben wollte dass ich dort nen Job hätte (trotz Arbeitsvertrag)... Erst als ich schon einige Monate dort gearbeitet habe wurde ich überhaupt zu Wohnungsbesichtigungen eingeladen...
Sich zu engagieren, um "akzeptiert" zu werden, während die Nachbarn akzeptiert werden, ohne sich zu engagieren?
Joa, genau so ist es. Alle aus der Umgebung wurden offen aufgenommen. Ich musste mcih erstmal engagieren und zeigen was für einer ich bin. Inkl. kritischer Nachfragen was ich denn hier wollen würde und wieso ich meine Heimat verlassen hätte.
die Fluchterfahrungen, die eine Rolle spielen und das Trauma, das triggert, nicht vergleichbar sind.
Dafür sind nicht die anderen Bewohner verantwortlich.
Ich habe eher das Gefühl du hast bewusst eine Opferrolle eingenommen um jedwede Eigenverantwortung abgeben zu können und nur von den anderen fordern zu können ohne selbst etwas zu tun. Unterstellst systematischen Rassismus obwohl du, abgesehen von "komischen Blicken" nichts dergelichen erlebt hast in dem Ort. Du kannst anderer Meinung sein, ich bleib bei meiner.
Aber da wir uns da eh nicht einig werden, bleibt die Frage: Was hast DU denn bis jetzt getan um dich am neuen Ort zu integrieren? Hast du dich ehrenamtlich engagiert? Bist du in einem Verein? Vermutlich nein oder, zumindest ist nirgendwo davon die Rede? Tja, ist es so abwägig dass das ein Problem ist? Du wolltest doch Hinweise wie man damit umgehen könnte. Aber dann hättest du ja niemanden auf den du mit dem Finger zeigen kannst...
"Keine lauten Ausländerkinder" ist deines Erachtens also kein rassistsches und diskrimierendes Erlebnis? Wow. Ich glaube, bevor wir weiter diskutieren, ist es notwendig, dass du dich grundsätzlich mit dem Thema kritisch auseinandersetzt. Täter-Opfer-Umkehr und die Relativierung von den Erfahrungen, die Schwarze Menschen machen, ist ein Teil des Problems. Ich bin hier berufsbedingt im Krankenhaus tätig und leite eine Nachhilfegruppe, aus der zwei Schüler ausgetreten sind, weil sich die Eltern lieber "Muttersprachler" für den Deutschunterricht vorstellen. Tja, es ist meine Muttersprache, aber die Hautfarbe sagt was anderes. :) ENGAGEMENT genügt nicht, um als Schwarzer anerkannt zu werden, während es bei dir durchaus reicht, wie du schreibst.
"Keine lauten Ausländerkinder" ist deines Erachtens also kein rassistsches und diskrimierendes Erlebnis?
Doch natürlich. Und mir hat ein Vermieter gesagt, er gibt mir die Wohnung nicht weil "die" (süddeutsche) bleiben hier doch sowieso nicht lange und gehen wieder dahin wo sie herkommen. Wollen wir jetzt nen Diskriminierungs-Wettbewerb abhalten? Wozu soll das führen? Macht es das besser? Genau das meine ich nämlich, das scheint dein Reflex zu sein. Natürlich ist das nicht in Ordnung, weder das eine noch das andere, natürlich macht jeder andere Diskrimnierungs-Erfahrungen - aber inwiefern bringt das einem jetzt konkret weiter?
Weiter bringt es einem wenn man sich trotzdem erst recht mühe gibt, sich erst recht engagiert, erst recht zeigt dass die Vorurteile falsch sind.
Du wolltest wissen wie man damit umgehen könnte - das ist mein Vorschlag. Wenn du den für nicht relevant hältst weil ich eine andere Hautfarbe habe (wie du ständig in jedem zweiten Satz betonst) - von mir aus.
Du siehst in allem und jedem "Rassismus" und "WeißderGeierwas". Was stimmt mit dir nicht?
Entspann dich mal ein bisschen und sieh das als die normale Skepsis jedem Fremden gegenüber.
Es hilft übrigens immer wenn man selbst mit den Menschen Kontakt sucht und sich auch einbringt.
Es ist nicht das "Großstädter zieht aufs Land und kommt damit nich klar dass es anders ist als in der Großstadt". Vergleichst du gerade ernsthaft People of Color, die systematische und strukturelle Rassismuserfahrungen in ganz Deutschlan machen und Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt sind, sei es im Job oder im Alltag, mit dem Umzug eines Deutschen von Süd nach Norddeutschland? Hast du die Erfahrung gemacht, "auf dem Land" nachweisen zu müssen, dass du ein Haus nur mieten kannst, wenn die Kinder "nicht so laut wie bei den Ausländern sind?" Ja, das musste ich "nachweisen". Sich zu engagieren, um "akzeptiert" zu werden, während die Nachbarn akzeptiert werden, ohne sich zu engagieren? Erkenne den Fehler. Es ist diese Art von Relativierung, die du zeigst, die das Problem Diskriminierung und Vorurteile verharmlost. SCHWARZE Menschen haben schon kulturell und geschichtlich bedingt nicht das Privileg, ein Leben ohne Diskriminierung zu leben. Stichwort Critical Whiteness und White Privilege. Deine Antwort verdeutlicht das Problem leider und warum es ein systematisches ist. Nein, als POC reicht es nicht, sich zu engagieren, um sich als MENSCH akzeptiert zu fühlen, während es die weißen Nachbarn nicht müssen. Und nein, einen Einheimischen, der aus dem Süden in den Norden zieht, kannst du nicht mit einem Schwarzen Menschen vergleichen, weil die Lebensrealitäten, die Fluchterfahrungen, die eine Rolle spielen und das Trauma, das triggert, nicht vergleichbar sind. Du magst dich "fremd" gefühlt haben und kannst durch ein wenig "Engagement " Akzeptanz" erlangen. Das ist schön. Das zu vergleichen, ist jedoch schon wahnsinnig traurig. Meine Freundin lebt seit 15 Jahren auf dem Dorf und ist dort die "Schwarze", deren Briefkasten mit dem N-Wort beschmutzt worden ist und deren Kinder mit der Frage aus der Schule nach Hause kommen, warum sie ausgegrenzt werden. Sensibilisierung ist gefragt, um als MENSCH akzeptiert zu werden - und nicht Relativierung. Bitte beschäftige dich mit dem Thema.