In den meisten Industrieländern mit höherem Wohlstand sank in der Nachkriegszeit die Geburtenrate. Wie war das in der DDR?

5 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Bis Mitte der 60er verliefen die Geburtenraten ähnlich hoch, um die 2,5 Geburten. Ab da folgte der sog. Pillenknick, auch in Ost wie West. Es ging abwärts bis Mitte der 70er, beide Staaten etwa bei 1,5 Geburten. Während dann im Westen die Rate bis 1990 zwischen 1,4 und 1,3 schwankte, erholte sie sich in der DDR wieder auf 1,8 bis 1,9. Dazu war das Alter für's Kinderbekommen in der DDR bei etwa 20, in der BRD wurden die Mütter immer älter.

Eine hohe Geburtenrate war für die DDR wichtig. Nebenbei auch, dass die Mütter wieder schnell in die arbeitende Gesellschaft integriert werden mussten. Einmal verließen ja doch in Zeiten der DDR viele Menschen das Land, etwa 3,5 Millionen (davon die meisten bis zum Mauerbau). Das musste die sozialistische Gesellschaft ausgleichen. Es brauchte sehr viele Menschen, um die zweifelhafte Überlegenheit des Sozialismus zu demonstrieren. Man brauchte für Sport, Produktion und Staat viel Nachwuchs. Dafür gab man auch viel: frühe Betreuung. Kostenfreiheit. Ausbildung. Freizeitgestaltung. Vergünstigungen für Eltern. Diente in vielen Bereichen aber auch der staatlichen Kontrolle und Einflussnahme.

Aber finanziell am Ende auf Sand gebaut, Staatspleite und Wende.

Sie schnellte in die Höhe, nachdem die Lebensverhältnisse sich in kleinen Schritten verbesserte. So etwa 1950 bis 1955 gab es eine deutliche Zunahme der Geburten in Sachsen. Kindergrippen und Kindergärten entstanden teils in Provisorien, so dass die Mütter auch ihren Berufen trotz Kinder nachgehen konnten. das wiederum regte andere Frauen und Familien an, es gleichzutun.

Ja.

Allerdings gingen wir Kinder vom Dorf weder in die Krippe noch in den Hort - und nur halbtags in den Kindergarten. Die Erziehung übernahmen die Großeltern.

Die Frauen, die ich kenne, waren total überfordert mit Vollzeitjob, Kindern und Haushalt.

Trotzdem gab es damals hier sehr viele kinderreiche Familien.

Es gab gemessen an den Einkommen enorm hohes Kindergeld. Und die Regelungen für Kind krank waren sehr großzügig. Da kenne ich Frauen, die prahlen heute mit ihrer Vollzeittätigkeit, waren aber damals kaum im Betrieb zu sehen: ewig Kind krank.

Ich fand nicht, dass man in der DDR einen hohen Lebensstandard hatte. Das sah man ganz deutlich, wenn der Westbesuch kam.


Claud18  03.11.2024, 14:36

Da ich selbst in einer Lohnbuchhaltung in der DDR gearbeitet habe, weiß ich, dass es nur 2 + 20 bezahlte Tage bei Krankheit des Kindes gab (für jedes Kind). Wenn man also die 20 Tage verbraucht hatte, gab es bei jeder neuen Krankheit nur 2 bezahlte Tage (soweit ich weiß, mit 90% des Nettolohns, bei den 20 Tagen nur 60%). Häufige Krankheit des Kindes musste man sich also leisten können. Besser war es, sich selbst krankschreiben zu lassen.

Katinkacat  03.11.2024, 17:34
@Claud18

Bei uns haben es viele so gemacht, dass sie erst die 2 Tage nahmen, dann einen Tag wieder zur Arbeit kamen und dann gleich die nächsten 2 Tage nutzten. Hier auf dem Land waren die Eltern zu über 90 Prozent miteinander verheiratet. Bei selber krank machten die Ärzte nicht immer mit. Zum Jahresende hin bemerkte man, dass weniger Krankenscheine kamen. Ich war als Lehrling auch ein paar Wochen in der Lohnbuchhaltung.

Katinkacat  03.11.2024, 23:42
@Katinkacat

Hier arbeiteten die wenigsten Frauen freiwillig Vollzeit. Sie hatten einen Teilzeitantrag gestellt. Sowas genehmigte der Kaderdirektor nur aus gesundheitlichen Gründen. Deshalb sahen es wohl auch die Frauen finanziell nicht als schlimm an, aufs Kind krank zu sein. Alleinerziehende musste man hier auf dem Land bei uns mit der Lupe suchen.

Claud18  06.11.2024, 06:50
@Katinkacat

Das mit der Teilzeit kenne ich, bei uns hätten viele Frauen auch gern Teilzeit gearbeitet. Das wurde aber nur aus besonderen Gründen genehmigt (z. B. kleine Kinder, weiter Arbeitsweg und eine Krippe, die früh schloss). Ansonsten blieb nur das Hausfrauendasein, und das wollten viele nicht.

Katinkacat  13.11.2024, 14:02
@Claud18

Ja, arbeiten wollten die fast alle. Ich kenne nur 4 Frauen, die damals Hausfrauen waren.

In der DDR , zumindest in der Zeit zwischen Ende der 1960er Jahre bis Mitte/Ende der 1980er Jahre, war die sog. "1-Kind Politik" maßgeblich, sprich in dieser Zeit hatten die Familien überwiegend 1 bis maximal 2 Kinder am Start. Natürlich gab es auch Familien in dieser Zeit, die mehr als nur 1 oder 2 Kinder hatten, aber das war eher so die Außnahme. Zusammengefasst, daß typische DDR-Kind, war und ist ein Einzelkind.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

gb200  20.10.2024, 23:43

Dem kann ich nicht ganz folgen! Das Wort "1-Kind-Politik" ist mir neu, denn die Politik war ganz auf mehrere Wunschkinder ausgerichtet unter unterstützte Familien mit mehreren Kindern durch sogenannte sozialpolitische Maßnahmen.

Drogenspuerhund  20.10.2024, 23:49
@gb200

Ja, die Familien wurden genrell unterstützt, auch die sog. Kinderreichen Familien, aber dennoch war Kinderreichtum also alles ab 2/3 Kindern aufwärts eher in der Minderheit.

gb200  20.10.2024, 23:55
@Drogenspuerhund

Den heutigen Kinderreichtum besonders bei Familien mit Migrationshintergrund führe ich zurück, weil es zu viel finanzielle Zuwendungen pro geborenen Kindes gibt. Somit lohnt sich das Arbeitengehen nicht mehr und die Auswirkungen erleben wir täglich, wenn wir mit offenen Augen durch die Straßen gehen.

gb200  21.10.2024, 10:34
@Drogenspuerhund

Stimmt! Aber mein Kommentar sagt aus, dass Kinderreichtum immer von stützenden Maßnahmen des Staates abhängt, in der DDR galt und heute gilt das gleichermaßen.

Claud18  03.11.2024, 14:49
@gb200

@Drogenspürhund

Da gab es das Babyjahr, zunächst erst für das zweite Kind, zum Schluss auch für das erste. Es gab den Ehekredit, den man mit dem 3. Kind abgezahlt hatte (solange es nur 5000.- Mark gab. Später wurde er auf 7000.- Mark erhöht, aber erlassen wurden nach wie vor nur 5000.- Mark). Das Kindergeld betrug für die ersten beiden Kinder nur je 20.- Mark, erst für das dritte gab es 100.- Mark. Da kannst du doch nicht behaupten, die DDR betrieb eine 1-Kind-Politik.

Was die Leute machten, war natürlich ihre Sache.

Klappstuhl001  20.10.2024, 23:37

dann bin ich wohl untypisch mit 2 geschwistern und baujahr 67

Drogenspuerhund  20.10.2024, 23:40
@Klappstuhl001

In der DDR galt damals der Spruch, "alles ab drei Kinder, ist Asozial". Immerhin gab es in der DDR ja auch den Straftabestand im StGB "asoziales Verhalten, Arbeitsscheue" , der einem u.U. auch ins Gefängniss hätte bringen können. Es war der im Volksmund genannte "Asi-Paragraph".

Nihon488 
Beitragsersteller
 20.10.2024, 23:34

Das ist sehr interessant. Aber warum, ich hatte gedacht der DDR-Staat sei an jungen, formbaren Neubürgern auf jeden Fall interessiert gewesen.

Drogenspuerhund  20.10.2024, 23:37
@Nihon488

"Geformt" kann man auch nur Einzelkinder ganz gut. Abgesehen davon, hatte die DDR Regierung kein Interesse an "Überbevölkerung" innerhalb der DDR. Das hatte mehrere Gründe, u.a. die fehlenden Wohnräume sprich Wohnungen und auch der Gesamtverbrauch an kostbaren Ressourcen war in dieser Angelegenheit ein Maß der Dinge.

Hierbei ging es gut in der DDR, nach der Wende ist damit Ebbe gewesen.

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/554952/umfrage/fertilitaetsrate-in-der-brd-und-ddr/

In Deutschland lag die Geburtenrate 2023 bei 1,35 Kindern pro Frau und damit um 7 % niedriger als im Vorjahr (1,46 Kinder pro Frau). Bereits 2022 war die Geburtenziffer im Vorjahresvergleich um 8 % gesunken.27.08.2024

Geburten in Deutschland - Statistisches Bundesamt

Woher ich das weiß:Recherche