Hatte Hitler nur was gegen Juden in Europa oder auch gegen alle anderen europäischen Völker?

9 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Die Rassenhygiene war ein zentraler Baustein der Weltanschauung der Nationalsozialisten, einem Thema was international bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts vermehrt diskutiert, von den Nationalsozialisten aber auf eine andere Ebene gehoben wurde. Der Begriff "rassisch wertvoll" hob das eigene Volk in die Höhe, die "minderwertigen" wurden in den Staub gedrückt und ab 1941 ausnahmslos und systematisch der Vernichtung zugeführt.

Das Studium der Rassenfrage wurde im nationalsozialistischen Deutschland staatlich finanziert. 1933 gründete die NSDAP das “Aufklärungsamt für Bevölkerungspolitik und Rassenpflege”, das ein Jahr später in “Rassenpolitisches Amt der NSDAP” umbenannt wurde. Das Rassenpolitische Amt der NSDAP wies mit seiner gefährlichen Propaganda auf biologische Faktoren hin, die den Niedergang von Kulturen bewirken, hier wurde bereits von der "Gefährlichkeit bei der Vermischung mit fremden Rassen" gesprochen. Auch die SS schrieb dazu seinerzeit in ihren Schulungsbriefen "“Der Nationalsozialismus hat als erste Weltanschauung in der Geschichte den Einbau der Naturgesetze bewusst aus ihrer Kenntnis und Wirksamkeit beim Menschen vorgenommen.”

Im Vorfeld seiner Kanzlerschaft missbilligte Hitler derart offene Aussprachen seitens NSDAP noch vor dem Volk, Zitat von 1930: "Das deutsche Volk würde durch die Aufführung der Rassenprobleme nur noch weiter zerspalten, gegeneinandergehetzt, atomisiert und damit außenpolitisch bedeutungslos gemacht." und "Alles, was die Schichten einigt und verbindet, muss hervorgeholt, gepflegt und gefördert werden, und alles, was sie trennt, was die alten Voreingenommenheit wieder wach werden lässt, muss vermieden, bekämpft, beseitigt werden...die Hinweise auf rassische Unterschiede innerhalb des deutschen Volkes sind das sicherste Mittel, um eine Volksgemeinschaft zu zerstören.

Natürlich glaubte Hitler zu dieser Zeit bereits an die Ungleichheit der Rassen, allerdings empfand er es als viel zu früh, den wahren Blick auf seine späteren, um so deutlicheren Taten offen zu legen oder vermuten zu lassen. Die Schuld der Juden auf die Not des Landes zu schieben war dagegen von Anfang an ein leichtes, denn diese Meinung war bereits in den meisten Köpfen des deutschen Volkes gepflanzt.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Geschichte Schwerpunkt Deutsches Reich / Nationalsozialismus

Hitler selbst hat in „Mein Kampf“ nur zwischen „Ariern“ (also Europäern) und Juden polarisiert. Die psychologische Dichotomie zwischen Ariern und Juden hat Hitler aber nicht erfunden. Sie war ein gängiger Topos im intellektuellen Diskurs seit dem späten 19. Jahrhundert. Man hat den chtonischen, christlichen, konstruktiven arischen Geist dem nomadischen, analytischen jüdischen Geist gegenübergestellt.

Hitler vergröberte diese Gedanken und misst dem Arier die kreativen, Gesellschaften aufbauenden Fähigkeiten und Neigungen zu, dem Juden aber unschöpferisches Parasitentum. Im Grunde hat er damit aber nur die Einschätzungen verschiedener westlicher Antisemiten seiner Zeit zusammengefasst und verschärft.

Die anderen europäischen Völker wurden grundsätzlich geachtet – selbst die Slawen!

Persönlich hatte Hitler wohl ein sehr enges Verhältnis zum italienischen Volk, das er für seine Kultur ebenso bewunderte wie für den Faschismus, den es als moderne Staatsform hervorgebracht hat. Ebenfalls zeigte er Hochachtung für England und das riesige britische Imperium. Der frühe Hitler der Weimarer Kampfzeit war durch und durch Imperialismusbefürworter und somit schon per se probritisch. Die Engländer waren für ihn so etwas wie ein „germanisches Brudervolk“ und ihr Imperium galt ihm wie den Briten selbst als gottgewollte Ausdehnung der Vorherrschaft der zivilisatorisch überlegenen Weißen über die farbigen Völker der Erde.

Frankreich achtete Hitler, war aber kein dedizierter Fan. Die Spanier sah er wohl als charakterhaftes, starkes Volk an, ebenso die skandinavischen Völker.

Die slawischen Völker mag er etwas geringgeschätzt haben, aber nicht wirklich verachtet – jedenfalls finden sich in seinem Buch dazu keine Stellen, in denen er direkt gegen Russen oder Polen hetzt.

Anders war es aber mit dem Himmlerismus, der vor allem in der Kriegszeit gegen die Sowjetunion aufkam. Dieser hat tatsächlich auf einmal einen brutalen Rassismus gegen Russen und andere Ostslawen gepredigt und die „ostbaltische Rasse“ dieser Völker der seiner Meinung nach höherstehenden „nordischen Rasse“ der germanischen Völker gegenübergestellt. Dieser antirussische Rassenwahn ist aber im Wesentlichen vor allem auf dem Boden von Himmlers Geist gewachsen und findet sich bei anderen führenden Nationalsozialisten deutlich weniger. Selbst Alfred Rosenberg, der größte Philosoph des Nationalsozialismus, nimmt Russen und Kleinrussen (Ukrainer) explizit in Schutz gegen deren Unterdrücker, den, wie er es formulierte, „jüdisch-asiatischen Bolschewismus“.

Bei genauerem Hinsehen hat aber selbst Himmler nicht die Russen per se verachtet. Er vertrat vielmehr, ähnlich wie Rosenberg, die These, dass die „rassisch besten Elemente des Russentum“, also die verwestlichte, kosmopolitische Oberschicht (einschließlich des teilweise deutschstämmigen Adels) von den Bolschewisten seit der Revolution von 1917 systematisch ausgerottet und das Russenvolk somit ein Volk ohne eigenen Eliten geworden war, das nunmehr von fremden Eliten, also den „jüdischen Bolschewisten“, geführt und unterdrückt wurde. Die russischen Massen, die den bolschewistischen Terror, den Gulag und die vielen geschürten Hungersnöte in der Sowjetunion überlebt hatten, sah Himmler als eine Auslese des „Untermenschen“, also der schlechteren Elemente im Russenvolk, die sich dann mehr oder weniger freiwillig von den „jüdischen Bolschewisten“ führen lassen. (Die dies nicht taten, wurden ja von Stalins Schergen ermordet.)

Daraus leiteten führende, dem Himmlerismus anhängende Nationalsozialisten die Berechtigung ab, nach dem Endsieg über Sowjetrussland die „jüdischen Bolschewisten“ abzusetzen, zu bestrafen und anstelle der jüdischen nun eine deutsche Führung in Russland an die Macht zu bringen. Russland und die Ukraine sollten dann zu „Schutzgebieten“ des Deutschen Reiches gemacht werden und die große agrarische Produktion dieser Länder Deutschland dabei helfen, seinen Nahrungsmittelbedarf auf dem Landweg importieren zu können (der Seeweg nach Lateinamerika war durch britische und amerikanische Kreuzer versperrt).


Daedalus723  13.07.2022, 09:24

Die Polarisierung zwischen Slawen und Germanen gab es schon im 19. Jh. und nicht nur in Deutschland. Ganz Europa blickte auf die rückständigen Slawen zurück.

1

Alles, was nicht seinem "arischen" Aussehen entsprach. Ich hatte aber mal gehört, dass er eine gute Beziehung zu Türken hatte oder diese bewundert hatte. Ich weiß aber nicht zu 100% , ob das stimmt.


Auch Polen, Ukrainer und Russen wurden als "Untermenschen" angesehen-


Feniaron  11.07.2022, 18:26

Von dieser Ideologie findet sich in "Mein Kampf" noch nichts. Es war vielmehr Heinrich Himmler, der für den antislawischen Rassenwahn der Nationalsozialisten seit der Kriegszeit verantwortlich war.

2
oder auch gegen alle anderen europäischen Völker?

Beispielsweise sah er Slawen als sogenannte Untermenschen an. Seltsamerweise gibt es dennoch in slawischen Ländern Neo-Nazis. Also damit meine ich keine "normalen" Nationalisten, sondern richtige Neo-Nazis, die Hitler huldigen.

Edit:

Und Schweizer mochte er auch nicht ^^

Hitlers Entscheidungen brachten die Eliten des Dritten Reichs oft zum Verzweifeln. Weshalb er die Schweiz als einziges Nachbarland nicht eroberte, hat Hitler nie gesagt. Doch er äusserte sich wiederholt unfreundlich, etwa im Juni 1941 auf dem Brenner, wo er sich mit Mussolini traf, der die Schweiz als «Anachronismus» bezeichnete und die italienischsprachigen Landesteile annektieren wollte. «Die Schweiz bezeichnete der Führer als das widerwärtigste und erbärmlichste Volk und Staatengebilde. Die Schweizer seien Todfeinde des neuen Deutschland [. . .]. Sie seien offen gegen das Reich eingestellt, weil sie durch die Trennung von der Schicksalsgemeinschaft des deutschen Volkes gehofft hatten, besser zu fahren – was ja auch über weite Zeiträume der Fall gewesen wäre –, nunmehr jedoch im Lichte der neuesten Entwicklung einsähen, dass ihre Rechnung falsch gewesen sei. Ihre Einstellung sei gewissermassen durch den Hass der Renegaten bestimmt.»

https://www.nzz.ch/schweiz/weshalb-blieb-die-schweiz-im-zweiten-weltkrieg-verschont-ld.1411372


Feniaron  11.07.2022, 18:18

Die Schweizer sind ja kein Volk, sondern ein Viervölkerstaat (Deutsche, Rätoromanen, Franzosen und Italiener). Gegen diese Völker aber hatte Hitler nichts. Was er an der Schweiz geringschätzte, war, kurz gesagt, das demokratische System.

2
Pseudonym333  11.07.2022, 18:22
@Feniaron
Die Schweiz bezeichnete der Führer als das widerwärtigste und erbärmlichste Volk und Staatengebilde.

https://www.nzz.ch/schweiz/weshalb-blieb-die-schweiz-im-zweiten-weltkrieg-verschont-ld.1411372

'Volk' steht dort, nicht nur 'Staatengebilde'. Dies war seine Aussage.

Gegen diese Völker aber hatte Hitler nichts.

Als der Krieg verloren war und auch noch die US-Amerikaner auf Sicilia landeten, gab es zudem irgendeine abwertende Äußerung Hitlers über Italiener.

0
Feniaron  11.07.2022, 18:36
@Pseudonym333

Das ist nur ein Schweizerischer Zeitungsartikel, es fehlt die Originalquelle. Somit ist die Glaubwürdigkeit fragwürdig. Wenn er es wirklich gesagt haben sollte, so wird er damit aber kaum Italiener, Franzosen, Rätoromanen und gar Deutsche (sic!) gemeint haben, sondern nur eben die multiethnische Organisationsmodalität des Schweizertums.

Die Italiener hat Hitler als Katholik immer bewundert. Was du meinst, ist sein Unmut über die italienische Armee aufgrund deren notorischen Versagens im Kriege. Dazu hat er sich gegen Ende seines Lebens einmal geäußert.

0
Pseudonym333  11.07.2022, 18:39
@Feniaron
Was du meinst, ist sein Unmut über die italienische Armee aufgrund deren notorischen Versagens im Kriege. Dazu hat er sich gegen Ende seines Lebens einmal geäußert.

Behauptete ich etwas anderes? Lies gscheid.

Du musst den Adolf nicht so zwanghaft verteidigen.

Das ist nur ein Schweizerischer Zeitungsartikel.

Das ist die renommierte Neue Zürcher Zeitung.

0
Feniaron  11.07.2022, 18:44
@Pseudonym333

Renommee ist keine Garantie für Resistenz gegenüber a) Irrtümer und falschen Kolportagen und b) Lügen. 1991 z. B. haben ausnahmslos ALLE "renommierten" westlichen Zeitungen die Brutkastenlüge kolportiert, mit denen die USA ihren Angriffskrieg gegen die Irak legitimierten.

Du musst mir nicht krampfhaft irgendwelchen Unsinn unterstellen ...

0
Pseudonym333  11.07.2022, 18:53
@Feniaron

Na ja, und der BND ließ sich von einem Typ aus dem Irak ebenso blenden und glaubte ihm die Märchen über mobile Chemielabore. Die CIA bzw. die US-Regierung stützte sich ebenfalls auf diese Berichte, die eigentlich nur primitive Skizzen waren und so kam es zum zweiten Golfkrieg. Der Typ lebte oder lebt noch immer von Sozialhilfe in Deutschland.

Brutkastenlüge

Es wurde zumindest später richtiggestellt. Man hätte so oder so einen Grund gefunden, um zu intervenieren und falls nicht, dann eben ohne Grund.

https://www.youtube.com/watch?v=Ti7oC2mzX3o

Im Buch von Volker Reinhardt über die Historie der Schweiz kannst du die Äußerung Hitlers ebenfalls nachlesen.

0
Feniaron  12.07.2022, 13:16
@Pseudonym333

Moral aus der Geschicht: Glaube weder Amerikanern noch irgendwelchen "Südländern". Denen zu glauben, ist das sicherste Mittel, um betrogen zu werden.

"falls nicht, dann eben ohne Grund." ... du verstehst die Vorgehensweise der Briten und Amis nicht. Sie liefern der Welt IMMER einen scheinmoralischen Vorwand, da sie über die Macht der moralischen Wertung wissen. Die ganze Westpropaganda ist seit den Tagen des britischen Imperiums darauf ausgerichtet, sich selbst als "die Guten" zu verkaufen und die eigenen sehr realen Verbrechen einfach auf unliebsame Konkurrenten (Spanier, Deutsche, Russen, Japaner, Chinesen, Muselmanenvölker usw.) zu projizieren. Google einfach mal nach dem Begriff "cant"!

Dabei ist die Westpropaganda nicht mal kreativ: Die Lüge, dass die einfallenden Soldaten des "Schurkenstaates" bei ihrem Einmarsch Kinder ermorden, gab's schon 1914 in der Londoner Presse. Damals haben die britischen Lügen-Experten sich ausgedacht, die deutschen Soldaten würden belgischen Kindern die Hände abhacken (und nicht etwa belgische Soldaten zuvor kongolesischen Kindern). Selbst damals waren die britischen Lügenfreaks nicht einmal kreativ: Tatsächlich haben die britischen Kolonialherren im 19. Jh. indischen Weberinnen die Hände abgehackt, um die indische Textilindustrie zu zerschlagen, zum Zwecke des Verkaufs eigener Textilien an die unterdrückten Inder. Die größten Schurken hatten es in der Geschichte stets einfach, wenn sie über eine funktionierende Propaganda-Maschinerie verfügten: Sie mussten nie kreativ sein, sondern sich einfach die eigenen Verbrechen ansehen, diese verschleiern und einfach auf den Rivalen projizieren!

0