Meinung des Tages: Überraschender Wahlausgang in Frankreich - wie bewertet Ihr die Ergebnisse?
Bei der gestrigen Parlamentswahl in Frankreich konnte das Linksbündnis überraschenderweise stärkste Kraft werden. Der von vielen befürchtete Wahlsieg des rechtsnationalen Rassemblement blieb aus. Doch wie es in Frankreich weiter geht, ist aktuell unklar...
Eine entscheidende Wahl
Entgegen der Befürchtung vieler Franzosen landete das rechtsnationale Rassemblement National um Marie Le Pen bei der Parlamentswahl lediglich auf dem dritten Platz. Als Sieger ging hingegen das Linksbündnis, das aus Sozialisten, Kommunisten und Grünen besteht, hervor. Macrons Regierungslager der Mitte landete auf dem zweiten Platz.
Da das Mitte-Lager von Präsident Emmanuel Macron über keine Mehrheit mehr verfügt, kündigte der derzeitige Premier Gabriel Attal "gemäß der republikanischen Tradition" für heute seinen Rücktritt an.
Hochrechnungen zufolge kommt das Linksbündnis auf 177 - 198 der insgesamt 577 Sitze und ist damit stärkste Kraft. Eine absolute Mehrheit wurde jedoch verpasst. Das Mitte-Lager von Macron erhält 152 - 169 Mandate. Der RN gewinnt viele Sitze hinzu, kommt allerdings nur auf ca. 135 - 145 Abgeordnete und erlangt den dritten Platz.
Absprache verhindert Erfolg des RN
Das RN ging nach der ersten Wahlrunde noch als stärkste Kraft hervor. Viele Politiker und Organisationen innerhalb des Landes warnten danach vor einem Erstarken der rechtsextremen Kräfte in Frankreich. Um die Bedeutung der Wahl wissend, gingen gestern ca. 60% der Franzosen an die Wahlurnen. Die Wahlbeteiligung erreichte somit den höchsten Wert seit über 40 Jahren.
Durch konkrete Absprachen der eigentlichen politischen Gegner des Linksbündnisses sowie der Mitte in vielen Wahlkreisen konnte ein Durchmarsch des RN verhindert werden. Dass überhaupt neu gewählt werden würde, kam für viele Franzosen überraschend: Nach dem starken Abschneiden des RN bei der Europawahl hatte Präsident Macron Neuwahlen ausgerufen.
Reaktionen
Der Chef des RN, Jordan Bardella, kritisierte Macron dafür, dass er Frankreich durch die Wahl "in die Arme der Linksradikalen gestoßen" hätte. Das politische Taktieren vor dem zweiten Wahlgang betitelte er zudem als "Allianz der Schande".
Der Linke Jean-Luc Mélenchon beschrieb das Ergebnis als große Erleichterung für die Franzosen. Weiterhin kündigte er an, eine Regierung bilden zu wollen. Die Frage nach eine möglichen Premierminister sowie der Rolle des linkspopulistischen und umstrittenen Mélenchon dürfte in den kommenden Tagen für zahlreiche Debatten sorgen.
Der SPD-Politiker Michael Roth mahnte, sich trotz des Stopps des RN nicht zu weit zurückzulehnen. Laut Roth habe Macron "die politische Mitte geschreddert", die inzwischen von starken Kräften von links und rechts flankiert werde. Roth forderte die gemäßigten Parteien zu einer Zusammenarbeit auf. Darüber hinaus warnte er vor einer zu einflussreichen Rolle des Altlinken Mélenchon, der eine anti-deutsche und anti-europäische Stoßrichtung vertritt.
Frankreichs ungewisse Zukunft
Dem Präsidenten obliegt es, den Premier zu ernennen. Aktuell ist jedoch unklar, ob er das Rücktrittsgesuch Attas annehmen und wen er mit der Regierungsbildung beauftragen wird. Trotz des Erfolgs blieben die Linken weit von einer absoluten Mehrheit entfernt. Eine Koalition aus Linken und Kräften der Mitte ist zwar möglich, wurde allerdings seitens des Linksbündnisses kategorisch ausgeschlossen.
Einen genauen Zeitplan für die Regierungsbildung gibt es derzeit nicht; der französische Präsident könnte einen möglichen neuen Premier auch erst nach Ende der Sommerpause ernennen.
Trotz Wahlschlappe verbucht das RN erhebliche Zugewinne in der Nationalversammlung, wodurch der Einfluss der Partei bei der Parlamentsarbeit künftig deutlich wächst. Da es Macron in den letzten Jahren unter wesentlich klareren Machtverhältnissen nicht gelang, eine Koalition zu schmieden, rechnen Experten für die verbliebene Amtszeit des Präsidenten mit Stillstand im Lande...
Unsere Fragen an Euch:
- Wie bewertet Ihr den Wahlausgang in Frankreich?
- War es Eurer Meinung nach klug von Macron, nach der Europawahl Neuwahlen auszurufen?
- Wie bewertet Ihr das politische Taktieren im Vorfeld der Wahl, um das RN auszubremsen?
- Sollte seitens des Linksbündnisses eine Zusammenarbeit mit der Mitte wirklich ausgeschlossen werden?
- Wäre Mélenchon Eurer Meinung nach ein geeigneter Premier für Frankreich?
- Ist Macron noch der richtige Mann für das Präsidentenamt?
Wir freuen uns auf Eure Antworten.
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Quellen:
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/frankreich-wahl-264.html
https://www.tagesschau.de/ausland/europa/frankreich-wahl-258.html
31 Antworten
Die Franzosen scheinen uns nicht unähnlich zu sein: schimpfen und dann doch nichts machen. Gut, sie streiken mehr, aber die bürgerkriegsähnlichen Zustände des vergangenen Jahres scheint man dann doch hinzunehmen.
Da antworte ich mit dem altbekannten Satz: Würden Wahlen an den Machtverhältnissen etwas ändern, wären sie längst verboten.
Ich betone: an den Machtverhältnisse, nicht an den Stimmverhältnissen zwischen linken und rechten Parteien. Macron wäre nicht zurückgetreten, hätte “die Gefahr“ bestanden, dass der RN stärkste Kraft im Parlament geworden wäre.
Menschen können wählen, was sie wollen. Wenn es nur ein Gleis gibt, auf dem ein Zug fährt, spielt es keine Rolle aus welchem Lager der Lokführer kommt. Auch das Gejubel wird nur von kurzer Dauer sein, wenn aus dem Lokführer eine Lokführerin wird oder demnächst gar ein LokführerInnenSchrägstrichSternchen*.
Der Zug mag öfter angehalten werden und die in den Wagons sitzenden Parteien können Fahrgäste verlieren oder gewinnen. Es mag auch mal ein weiterer Wagen nötig sein, weil sich eine neue politische Kraft gebildet hat. Das alles ändert nichts an der Tatsache, dass sich das ganze Gebilde nach einem längeren oder kürzeren Aufenthalt in dieselbe Richtung bewegen wird wie vorher auch.
Gruß Matti
In manchen Medien wird der Eindruck vermittelt, Frankreich habe gestern ganz überraschend auf einmal links gewählt. Das hat mit den Fakten allerdings wenig zu tun. Es ist etwas komplizierter und liegt am Mehrheitswahlrecht (gewählt ist in jedem Wahlbezirk der Kandidat mit den meisten Stimmen):
Stimmergebnisse
Gemessen an den prozentualen Stimmanteilen können Le Pens Rechte deutliche Gewinne verbuchen. Landesweit gingen laut vorläufigem Auszählungsergebnis 32 Prozent der abgegebenen Stimmen an die Rechtsnationalen. Im ersten Wahlgang hatte die RN-Partei zusammen mit ihren Verbündeten insgesamt 35,8 Prozent der Stimmen erhalten. Auf die RN selbst entfielen am vergangenen Sonntag im ersten Wahlgang 29,3 Prozent. Das Linksbündnis "Nouveau Front Populaire" (NFP/UG) kam im ersten Wahlgang auf 27,99 Prozent und im zweiten auf 25,7 Prozent. Das "Ensemble"-Lager der Mitte um Präsident Emmanuel Macron landete mit einem Stimmanteil von 20,04 Prozent im ersten Wahlgang und mit 23,1 Prozent im zweiten prozentual jeweils nur auf Platz drei.
Sitzverteilung im Parlament
Das Linksbündnis NFP ist in Frankreich neue stärkste Kraft, Le Pens Rassemblement (RN) wird nur drittstärkste Kraft. Das regierende Mitte-Lager rund um Macrons "Ensemble" geht als zweitstärkste Kraft aus der kurzfristig angesetzten Neuwahl hervor.
Möglich wurde der überraschende Wahlsieg der Grünen und Linken durch wahltaktische Absprachen der Macron-Parei mit dem Linksbündnis. Das links-grüne NFP-Bündnis und Macrons "Ensemble" hatten vor der Stichwahl in mehr als 200 Wahlbezirken ihre jeweiligen Kandidaten zurückgezogen, um den Durchmarsch der Rechtspopulisten gemeinsam zu verhindern. Diese Strategie ging offensichtlich auf.
Die Formulierung "Das RN ging nach der ersten Wahlrunde noch als stärkste Kraft hervor." ist insofern irreführend.
Sowohl in der ersten Wahlrunde als auch in der zweiten Wahlrunde das RN die meisten Stimmen erhalten. Nicht aber die Mehrheit der Sitze in den Stichwahlen, da in Frankreich eine Mehrheitswahlrecht gilt.
Dem Großteil der Bevölkerung ist es einfach extrem wichtig, dass die europäische durch die arabische kultur ausgetauscht wird und gewalt und totschlag an der Tagesordnung stehen.
Auch das an die wand fahren der Wirtschaft, die Anschaffung des Wohlstands und austausch jeglicher Freiheiten gegen regenbogendikatatur sind scheinbar wichtige wahlmotive.
Überraschend dafür das Le Pen neben Macron sonst eine unfassbar starke Kraft war.
Aber es freut mich zu sehen dass man noch immer den Versuch startet, die gegenwärtig Probleme anzupacken ohne in rechte Gesinnungen abzufallen.
Ich würde mir etwas ähnliches für Deutschland wünschen. Ich finde nur hier braucht es eine neue reformierte Linke und Grüne um das realisierbar zu machen.
Jedes Thema braucht eine individuelle Lösung, da darf es nicht sein, dass da die Leute alles über einen Kamm scheren ... Parteien/Kirchen/Sekten/Fussballvereine und all solche "Interessensgruppen", haben, zwangsläufig Ansichten, die völlig neben der Spur sind. Nicht alles was Made in Germany ist, ist Ramsch ... da ist nur im "Germany" der Wurm drin und das "Germany" ist eine Idioten-Fiktion.
Ich sage nur: BSW...
Was denkst Du woher das Potenzial für diese neue Partei kommt?
Die Wahl zwischen sozialdemokratisch neoliberal, grün neoliberal, law and order-neoliberal mit der CDU/CSU, total neoliberal mit der FDP und extremst neoliberal gepaart mit nationalistischem Dummsinn mit der AfD stellt eben nicht jeden zufrieden.
Ich möchte keynesianistische anstatt neoliberale Wirtschaftspolitik eingebettet in ein vereinten Europa aber dabei durchaus die eigenen nationalen Interessen im Auge behaltend. Das finde ich momentan nur beim BSW.
Ich bin kein Kommunist - ich bin Keynesianer.