Aus welchem Material sind die Treibstangen bei Dampfloks?
Hallo, ich war gestern in einem Bahnmuseum und bei einer alten Dampflok habe ich gesehen, dass die Treibstangen unlackiert und etwas wie Edelstahl ausgesehen haben. Hier ein Beispielfoto:
Aus welchem Material wurden diese damals hergestellt?
Gab es zu dieser Zeit schon "Edelstahl" im heutigen Sinne?
Vielen Dank!
6 Antworten
Die Preussische Staatsbahn schrieb um 1900 vor, dass Flussstahl, 50 bis 60 Kg/Mm2 mit einer Dehnung von 20% vorgeschrieben ist Quelle;: Garbe, die zeitgemässe Heissdampflokomotive.
Und nicht rostend waren die Stangen fast nie: Man putzte die.
In der Schweiz sind sie heute noch blank, ausser der vertiefte Teil:
Bei Loks aus Friedenfertigung hat man die vorstehenden Stahlflächen der Treib- und Kuppelstangen sorgältig plangefräst und -geschliffen. Die Eisenbahner haben die immer eifrig geputzt, poliert und blank gehalten, besonders bei Museumsloks und da speziell bei Schweizer Loks. Später hat man auf diese teure Bearbeitung verzichtet.
Eine sehr gute Frage!
Im Bild sehen sie so aus als wären sie aus Buntmetall, also z.B. Bronze. Bronze wäre festigkeitsmäßig noch denkbar, ist aber gegenüber Stahl um ein Vielfaches teurer. Geschmiedeten Stahl besitzt die nötige hohe Festigkeit, mit einer Rost-verhütenden metallischen Beschichtung versehen ist er ausreichend korrosionsfest. Eine solche Beschichtung kann entweder galvanisch oder durch Diffusionsprozesse entstehen, z.B. als Vernickelung.
Rostfreier Edelstahl (nicht jeder Edelstahl ist rostfrei!!!) wie wir ihn heute kennen gibt es seit 1912, Dampfloks gab es lange vorher, es ist u.a. deswegen kaum an zu nehmen dass rostfreier Edelstahl für die Treibstangen zum Einsatz kam, auch wegen der sehr hohen Kosten.
V2A (Versuchsschmelze 2 Austenit, entstand 1912 für Legierungs-Typ X12CrNi18-8 oder auch 1.4300 genannt), wird heute nicht mehr hergestellt. Die Nachfolger von 1.4300, wie 1.4301 (X5CrNi18-10) und der klassische Stahl für die Automatenbearbeitung 1.4305 (X8CrNiS18-9) gehören zu den häufigsten Vertretern der Gruppe V2A.
Schön, bring einfach mal solche Stangen und die Literatur dazu.
Wenn du hier in den 45 Jahren, wo ich mit Danpfloks zu tun habe eine findest, dann bekommst ein Harass Bier:
Ich habe doch nicht gesagt dass die Stangen aus Bronze sind. Ich habe nur gesagt, theoretisch wäre Bronze hierfür geeignet (aber viel zu teuer und zudem völlig unnötig). Wenn Du einen Insbusschlüsselsatz aus Bronze machen kannst dann auch -theoretisch- diese Stangen.
Meist sind die aus Gussstahl. Je nach Legierung auch schwer rostend. Ordentlich poliert kann das wie Edelstahl aussehen. Meist sind die aber Lackiert.
Kurze Frage eines Laien: Geschmiedeter Stahl ist zunächst aus einem Gussrohling, wird dann aber noch "umgeformt", oder?
Hallo
Ja beim Schmieden wird der Stahl verdichtet und somit das Gefüge verändert.
Natürlich ist heute der Stahl irgendwann flüssig. Puddelstahl, der im teigigen Zustand zu Stahl verarbeitet wurde, gibt es schon seit über 100 Jahren nicht mehr.
Technologisch gesehen, ist Stahlguss gegossener Stahl, der in Formen gegossen wurde und dann nicht weiter durch Schmieden verdichtet wurde.
Es kann durchaus Gusseisen verwendet worden sein. Das gibt es in 2 verschiedenen Varianten. Früher nannte man die GG oder GGG und die Zugfestigskeitszahl dahinter.
Welche Festigkeit und wieviel Materialquerschnitt die Gestänge haben mussten, wurde anhand der maximal zu erreichenden Zugkraft ermittelt. Ein Güterzug mit 2000 Tonnen Gewicht ist ja mit wesentlich geringerer Anfahrzugkraft in Bewegung zu setzen. Für die Herstellung aus Gusseisen wurde GGG verwendet.
Was bedeuten nun GG oder GGG. Gusseisen enthält im Gegensatz zu Stahl bis etwa 2% Kohlenstoff. Bei Stahl ist es weniger. Weitere Zuschläge im Gusseisen bedingen, ob sich der Kohlenstoff in feinen Lamellen im Gussstück bildet oder in winzigen Kügelchen. Gusseisen ist an einer Bruchfläche hellgrau. Daher stammt die Abkürzung
GrauGuss oder bei GGG GlobuliGrauGuss. Also mit diesen Kügelchen. Mit bloßem Auge kaum zu erkennen, werden die unter einem Mikroskop sichtbar. GG ist stark Schwingungsdämpfend, hat dafür aber weniger Strukturelle Festikgeit.
GGG ist fester gegen Bruch und hat mehr Zug-und Druckfestigkeit. Die Gestänge können auch als Hohlgussteil gegossen werden. In der Form wird ein Hilfsobjekt aus Sand geformt eingelegt. Beim Ausformen der ausgekühlten Teile wird der Sand durch entsprechende Löcher entfernt. Man verwendet nur wenig Materialüberschuss, der später bei der Herstellung präziser Lagersitze zerspant wird. Je nach Gießverfahren werden die Formen immer wieder genutzt, was die Fertigungszeit größerer Stückzahlen verkürzt. Alles spricht für Gestänge aus Gusseisen. Noch dazu verzeihen die sich nicht, wenn Sie nachbearbeitet werden oder lagern. Bei Stahl der durch Brennschneiden in Form gebracht wird, müssten die Werkstücke vor der Endbearbeitung noch einmal "Normalgeglüht" oder gealtert oder länger gelagert werden.
Grauguss hierfür zu benutzen wäre unsinnig, auch globularer Grafit Guss (GGG) erreicht nicht die hohen mechanischen Werte von Stahl, besonders was die Bruchdehnung betrifft. Warum denkst Du dass man Crack-Pleuel für Motoren herstellen kann? Weil der Grauguß so spröde ist dass man ihn verformungsfrei kontrolliert brechen kann, sodass man die Bruchflächen wieder präzise zusammen fügen kann. Siehe auch die Antwort von Guru 61:
Die Preussische Staatsbahn schrieb um 1900 vor, dass Flussstahl, 50 bis 60 Kg/Mm2 mit einer Dehnung von 20% vorgeschrieben ist.
Lunkerbildung ist bei Graugussteilen nie ganz zu verhindern, bei Schmiedestahl aber ausgeschlossen. Zudem haben Graugussteile oft eine charakteristische raue Oberfläche, da hätten die im Bild schon aufwendig mit der Fräsmaschinen nachbearbeitet werden müssen.
Die Rauhe Oberfläche stimmt. Die entsteht, wenn das Eisen in Sandformen gegossen wird. Das würde auch bei Gussstahl passieren. Die Glatten Flächen können plan geschliffen werden. Eine große, Elektromagnetfläche reicht aus, um die Gestänge zu halten und ein Schleifrad mit Durchmesser 2 Meter, dass mit Schleifschuhen bestückt wird zieht 1 bis 2 mal über die zu planende Fläche. So eine Maschine habe ich schon in Betrieb gesehen und auch gewartet. Schwieriger wäre die Bearbeitung zwischen den Lagersitzen. Da kann man aber mit einem Fräsgang was erreichen. Du hast aber recht, das sähe man auch an der Oberfläche. Schmieden ist ein ebenfalls gängiges Fertigungsverfahren. Um da aber nahezu 100% glatte Flächen zu erreichen müsste im Gesenk geschmiedet werden. Freiform-Schmieden dürfte zu ungenau werden. Die Gestänge sehen ja immer sehr gleichmäßig aus. Also sind die auch nachbearbeitet. Und Hohlprofile Schmieden dürfte auf eine Schweißkonstruktion hinaus laufen. Ein Bild, welches ich selber fotografiert habe zeigt, dass die Räder und Gestänge sehr ähnliche Oberflächen haben. Daher tendiere ich weiterhin zu Gusseisen als Werkstoff. Leider kann ich das Bild nicht im Kommentar einstellen..
Ursprünglich waren sie aus Stahl geschmiedet, später wurden sie auch, z.B. bei Kriegsloks, aus Kostengründen aus Stahl geschweißt. Um das Gewicht zu reduzieren, hatten sie in der Mitte eine vertiefte "Rinne".
Hast Du einen Link hierzu?
Solch hohe Wandstärken zu schweißen stelle ich mir schwierig vor
Die Stangenköpfe waren bei den BR 52 und 42 geschmiedet, ich vermute im Gesenk, die Stangen aus Walzprofielen und die wurden dann zusammengeschweißt. Das sind doch keine hohen Wandstärken, 300 - 400 mm Wotan hart oder weich bei der geschweißten Panzerung eines Schlachtschiffs würde ich da eher als hoch bezeichnen.
Jo3591 hat schon recht: Bei den Kriegslok hat man das so gemacht.
Die Perronstützen hier in Zürich Stadelhofen waren über 10 Cm dick und wurden geschweisst:
https://flic.kr/p/5rt54b
Woow, das sind ziemlich hohe Werkstoff-Anforderungen, am ehesten erfüllbar durch Zusatz von Kohlenstoff, Chrom und Molybdän, so zum Beispiel etwa 25CrMo4 (1% Chrom, Molybdän-Spuren als Kornfeiner)