Die „Politische Mitte“
Gerade in letzter Zeit wird von vielen Parteien beansprucht eine Partei „der Mitte“ zu sein oder „die Mitte“ der Bevölkerung zu vertreten. Gibt es so eine Mitte denn überhaupt?
Natürlich gibt es eine Mehrheitsmeinung, aber die kann ja nicht die Mitte sein, sonst wäre die politische Mitte 1933 ja NS-Ideologie gewesen.
Auch bei wirklich wichtigen Position einen Kompromiss zu finden und den dann „Mitte“ zu nennen, ist meiner Meinung nach nicht sinnvoll. Man kann ja beispielsweise nicht ein anderes Land ein bisschen angreifen oder Abtreibungen ein bisschen durchführen lassen. Gerade letzter Punkt bietet ja nur die beiden Optionen verbieten (rechts) und - natürlich auf irgendeine Weise reguliert - erlauben (links). In Situationen in denen es um grundlegende Menschenrechte geht, kann man ja nicht „die Mitte“ zwischen Menschenrechte achten oder dagegen verstoßen liegen.
Denkt ihr, es gibt eine politische Mitte oder das es zwar eine Mehrheitsmeinung gibt, die Bezeichnung „Mitte“ dafür aber falsch ist, weil ja auch die Mehrheit extrem sein kann? Oder habt ihr ganz andere Ideen?
4 Antworten
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Die "politische Mitte" ist vor allem ein ideologisches Konstrukt.
Eine Mittelposition suggeriert Versöhnlichkeit, vernünftiges Abwägen und Kompromisse zwischen widerstreitenden Interessen. Die meisten der großen Parteien in Deutschland beanspruchen für sich selbst die politische Mitte, nämlich SPD, Grüne, CDU, FDP und auch das BSW. Eine "Mitte" gibt es nicht ohne Abgrenzung zu den Rändern oder Extremen links und rechts, die trotz ihrer Unterschiedlichkeit auf eine Stufe gestellt werden.
Das ist irreführend, weil dadurch grundsätzliche Übereinstimmungen zwischen der Mitte und dem rechten Lager verschleiert werden, etwa in Bezug auf die kapitalistische Eigentumsordnung oder staatliche Gewalt nach innen (Polizei) und außen (Militär). Vertreter der Mitte begründen gesellschaftliche Ungleichheiten mit Leistungsfähigkeit, Rechte mit kulturellen oder biologischen Merkmalen, aber Ungleichheiten und Hierarchien befürworten sie eben beide.
Vor die Wahl gestellt, schlägt die Mitte sich immer auf die Seite der Rechten und befürwortete vielerorts die die Errichtung von faschistoiden Diktaturen, wenn sie die Machtergreifung von linken Kräften zu verhindern versprach. Auch im deutschen NS fügten sich Liberale und Konservative größtenteils leicht in die faschistische Diktatur ein und nach dem Krieg wurden FDP und CDU die neue politische Heimat vieler Altnazis.
Parteien der Mitte verfolgen eben keinen Ausgleich von Interessen, sondern vertreten ebenso wie rechte Parteien das Interesse der herrschenden, besitzenden Klasse gegen die unterdrückte, arbeitende Klasse. Das mittlere und das rechte Lager grenzen sich gegen das linke ab, aber untereinander verkörpern sie keine strikten Gegensätze, sondern zwei Seiten der kapitalistischen Herrschaft, die sie aber mit unterschiedlichen Strategien absichern. Die Rechten leiten Wut und Frust auf Minderheiten um, während die Mitte fähig ist, diesen Minderheiten symbolische Zugeständnisse zu machen und sie ins System zu integrieren, ohne die tatsächlichen Machtverhältnisse anzutasten.
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Es gibt verschiedene politische Spektren. Es gibt Positionen für den freien Markt oder für eine Zentralverwaltungswirtschaft. Es gibt nationalistische Positionen und Positionen, die für eine offene Welt stehen. Es gibt Leute mit einem extrem konservativen Familienbild und welche, die in eine progressive neue Richtung gehen wollen. Man kann die Reihe sicherlich erweitern.
Die Mitte ist meines Erachtens dort, wo man sich in mehreren Feldern zwischen den Extrempositionen bewegt. Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass sich die Mehrheit der Wähler hinter einer solchen Position versammeln wird.
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Die Mitte kommt immer aufs aktuelle politische Klima an. Das ist nicht konstant. Und die Mitte der Bevölkerung meint wohl die Mittelschicht, auch die kommt auf den aktuellen Wohlstand an.
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Nein.
Die Mitte ist nicht unbedingt die Mehrheit der Bevölkerung, sondern vorallem die Mitte der Parteien die es aktuell gibt.
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Also irgendwas zwischen DKP und NPD / Heimat?
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Meist ist die Mitte etwas spezifischer als alle Parteien außer zwei.
Heute wohl zwischen AFD und Grüne, damals wohl zwischen DNVP und USPD.
Vorallem ist es meist auch nur auf die Parteien bezogen die im Parlament Sitzen, nicht irgendwelche kleinparteien mit 3 Wählern.
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Es wird definitionsgemäß immer eine "Mitte" geben, da es sich um relative Aussagen handelt. Fragt man die Menschen danach, wo sie sich politisch einordnen, dann gibt es eine schöne Glockekurve. Die meisten ordnen sich der "Mitte" zu. Und etwa jeweils gleich viel rechts und links davon.
Was das inhaltlich bedeutet, ändert sich logischerweise über Zeit. Viele Positionen, die früher als "mittig" gelten konnten, sind heute "rechts". Zum Beispiels zur Strafbarkeit homosexueller Handlungen.
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Genau, weil es eine relative Aussage ist.
Dazu gehört beispielsweise auch, dass derzeit die politische Mitte den Wunsch hat, dass die Migration drastisch begrenzt wird.
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Aber dann könnte die Mitte ja gleichzeitig extrem sein, siehe NS-Zeit, oder?
Also würdest du sagen, dass die NS-Ideologie mal eine Position der Mitte war?