Den Kinder eine gefährliche Wahrheit erzählen, oder die Kinder belügen

8 Antworten

Sehr sehr sehr gute Frage! Dieses Problem hatten auch Familien während der Nazizeit. So gab es katholische Familien, die den Geburtstag vom Führer nicht feierten oder sein Bild abhingen, weil sie ihn als das was er war, ansahen: Gottseibeiuns.

Da mussten die Eltern sicher sein, dass sich die jüngeren nicht verplappern oder sonstwie was sagten.

Zu Deiner Frage: Ich hätte es meinen Kindern gesagt, denn sie können es sonstwo in der Gesellschaft hören und ggf. hätte ich nur meine Frau und jugendlichen Kinder als wirkliche Vertraute. Natürlich hätte ich sie über die Gefahren aufgeklärt, Stillschweigen gewahrt und zu Gott gebetet, dass sie dicht halten. Mehr kann man nicht tun.

Ohne in der DDR gelebt zu haben und ohne die konkrete "gefährliche Wahrheit" zu kennen:

Lügen würde ich nie - wie du schon erkannt hast, ist der Vertrauensbruch eine sehr schlimme Sache.
Aber ohne Vertrauen funktioniert quasi nichts - egal ob ich irgendwas im Supermarkt einkaufe, mich von einem Arzt behandeln lasse, mich mit Freunden über Probleme unterhalte: Alles davon basiert auf Vertrauen - dem Vertrauen, dass ich nicht belogen oder hintergangen werde.
Ein Vertrauensverlust, gerade von nahestehenden Personen, belastet doch sehr.

Neben der Wahrheit und der Lüge gäbe es ja auch noch die Möglichkeit offen und ehrlich zu erklären, dass man das nicht oder nur teilweise beantworten kann oder möchte.
Ich denke das muss man dann im Einzelfall schauen, wie man das macht und mitunter hat man auch nur die Möglichkeit sich für den kleinstmöglichen Schaden zu entscheiden.
Aber wie gesagt: Eine Lüge wäre da für mich die letzte Option.


guitschee 
Beitragsersteller
 08.09.2024, 15:13

Eine Lüge würde halt bedeuten: das Kind kann unbeschwert Kind sein - was ja auch einiges Wert ist.

ThM3344  08.09.2024, 15:18
@guitschee

Hmm ja, diesen Gedankengang verstehe ich schon.
Aber da ist halt dann auch die Frage: Wie lange würde die Lüge aufrecht erhalten bleiben? Und würde der Vertrauensverlust sich dann nicht auch auf die gesamte Kindheit ausweiten? Quasi: Wenn das eine Lüge war, was alles von früher war dann noch eine Lüge?
Und könnte man nicht auch anders eine unbeschwerte Kindheit bieten? Quasi wie bei uns Erwachsenen auch: Man kann sich tagtäglich anschauen was alles in der Welt schief läuft oder aber sich auf die schönen Dinge besinnen.

Letztendlich ist das ja immer ein Balanceakt, genau wie bei deiner Entscheidungsfrage auch.
Ich glaube die perfekte Entscheidung gibt es da nicht.
Wobei ich auch sagen würde, dass es, egal ob es um Erziehung oder sonstige Aspekte im Leben geht, es niemals um Perfektion geht, sondern darum, dass man tagtäglich sein Bestes gibt in der Hoffnung, dass es einen Unterschied für die Welt macht.

Diese Frage wurde und wird auch nicht in der DDR Zeit diskutiert.meine Kinder also 2 sind 86 und 88 aufgewachsen. Und deshalb hatten wir das Thema nicht. In meiner Schule wurde nur der große Bruder als gut dargestellt. Und im Staatsbürger Unterricht wurde das nicht behandelt . Ich bin 1960 geb und habe von der Zeit viel gutes auch sehr schlechte Erfahrungen gemacht. Ein Beispiel es gab zu dieser Zeit keine Arbeitslosen . Falsch es gab sie nur die waren Verdeck vom System . Ich war auch einer , hatte auch keine Chance in einem Betrieb anzufangen . Weil meine Kaderakte heute heist sie Personalakte. Verschwand . Eigentlich hatte ich für diesen Zeitraum kein offizielles Leben ich war hatte in diesem Staat nicht gelebt. Deshalb ist die Frage auch nicht so schnell zu beantworten.Jeder der dort gelebt hatte , hatte hinter seiner Tür seine Meinung leise mitgeteilt. Es gab auch Leute die hinter dem System 100- 300% stand . Ich glaube ihr wisst was ich meine.

MfG Ralf

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Die Frage ist auch im hier und heute noch sehr relevant und das, was in der Schule vermittelt oder in den Medien dargestellt wird, braucht oft genug eine ergänzende Darstellung und Einordnung in den Kontext.

Ich versuche meinen Kindern die Welt aus unterschiedlichen Perspektiven zu vermitteln, die mir relevant erscheinen. Je älter sie werden, desto ausdetaillierter wird es und desto mehr kommt auch von ihnen zurück, was sie erlebt haben oder auf welche Weise etwas von einem Dritten ihnen gegenüber dargestellt wurde.

Die Welt ist nicht schwarz-weiß und zwischen Lüge und Wahrheit befindet sich ein breites Spektrum an Visionen, Idealisierungen, Wunschdenken, Glaubensüberzeugungen. Das ist verwirrend und man muss es für sich einordnen können.
Dann kann man auch besser mit den Erwartungen klarkommen, die an einen gestellt werden, wie man eine gewisse Sache in einem gewissen Kontext darzustellen hat, wenn man es vermeiden will, anzuecken.

Das entscheidet jeder anders, wobei es dabei ja nicht bleibt.

Kinder haben ja nicht nur Kontakt zu ihren Eltern.

Bei mir, ging aber um etwas anderes, hat man sich sehr früh entschieden es zu erzählen, damit man weiß worauf man achten muss. Ehrlicherweise wüsste ich aber nicht, wie ich da selbst entscheiden würde, welches Alter ich da am besten fände, es meinem Kind zu sagen und ob das vielleicht nicht auch irrelevant ist, wenn man selbst daran glaubt oder mit einer Diktatur einverstanden ist. Was ich nicht bin, aber ist halt alles bisschen komplex.

LG.


guitschee 
Beitragsersteller
 08.09.2024, 15:11

Wenn man selber dran glaubt, ergibt sich das Dilemma natürlich nicht - wo man dann irgendwie denken kann: selig sind die unwissenden.