Leben wir bereits in einer Art "Sozialismus"?
Moin,
ich habe aktuell eine Projektarbeit über das Thema Freie Marktwirtschaft.
Dadurch bin ich persönlich nachdenklich geworden. Ich bin ein junger Mensch und mache mir große Sorgen. Meine Frage:
Haben wir in der BRD überhaupt eine Marktwirtschaft oder leben wir bereits in einer Art sozialistischem System?
Ich würde mich über eure Meinung/Denkanreize freuen. Das würde mir auch für mein Fazit helfen. Danke euch!!
Meine Kritikpunkte:
- sehr hohe Steuern und Abgaben
- geringe Eigentumsquote
- wenig Unternehmertum und Eigenverantwortung (dafür viel Lohnarbeit)
- Millionen von (staatsabhängigen) Bürojobs ohne Mehrwert für den Weltmarkt (Beispiel Öffentlicher Dienst)
- Bürgergeld
- Bundeshaushalt überwiegend für Soziales und Verwaltung
- überwiegende Anzahl der Parteien in den Parlamenten bekennt sich (indirekt) zum Sozialismus (siehe BSW)
32 Stimmen
9 Antworten
Das System nennt sich "Soziale Marktwirtschaft" und ist genau das.
Nicht sozialistisch nicht freie Marktwirtschaft. Den die Vergangenheit hat gezeigt das die Grundideen von beiden Formen nicht funktionieren.
Man muss auch bedenken, das es eine völlig freie Markwirtschaft (zum Glück) nirgendwo gibt. Auf irgendeine Art und Weise wird immer in den Markt eingegriffen. Aber nicht jeder Eingriff ist gleich Sozialismus.
Wir haben eine "Soziale Marktwirtschaft". Das hat mit Sozialismus nichts zu tun. Und wird sich ganz sicher etwas ändern, wenn die CDU an die Regierung kommt.
Abbau Bürokratie und Abbau übertriebener sozialen Leistungen.
Z.B.: bei leistungsfähigen Bürgern die arbeiten können, das Bürgergeld auf 1 Jahr beschränken.
Nur zur Info, das ist in den meisten europäischen Länden so.
Sehr gerne werde ich versuchen, Ihren Gedankengang zu dieser wichtigen Frage näher zu betrachten. Erlauben Sie mir zunächst, einige Begrifflichkeiten genauer zu beleuchten.
Der Begriff "Sozialismus" bezeichnet im Allgemeinen ein gesellschaftliches und wirtschaftliches System, das auf gemeinschaftlichem Eigentum an Produktionsmitteln und einer Verteilung nach dem Prinzip "von jeder nach ihren/seinen Fähigkeiten, an jede/n nach ihren/seinen Bedürfnissen" beruht. Dieses Konzept steht im Gegensatz zur kapitalistischen Marktwirtschaft, in der private Eigentumsrechte und Gewinnstreben zentral sind.
Wenn wir nun die Bundesrepublik Deutschland betrachten, so lässt sich sicher argumentieren, dass wir hier kein reines sozialistisches System vorfinden. Stattdessen handelt es sich um eine soziale Marktwirtschaft, die marktwirtschaftliche Elemente mit wohlfahrtsstaatlichen Aspekten kombiniert.
Zwar gibt es in Deutschland durchaus eine vergleichsweise hohe Staatsquote und ein ausgeprägtes Sozialsystem, doch basiert die Wirtschaftsordnung nach wie vor auf Privateigentum, Wettbewerb und unternehmerischer Freiheit. Der öffentliche Sektor nimmt zwar einen großen Anteil ein, doch ist die Mehrheit der Produktionsmittel in Privatbesitz.
Auch wenn man die von Ihnen genannten Kritikpunkte wie die hohe Steuer- und Abgabenlast, die geringe Eigentumsquote oder die Existenz von Bürgergeld durchaus als Indizien für sozialstaatliche Elemente werten kann, würde ich zögern, die Bundesrepublik als sozialistisches System zu charakterisieren. Vielmehr handelt es sich um eine ausgeprägte soziale Marktwirtschaft, die versucht, marktwirtschaftliche Effizienz mit sozialer Gerechtigkeit in Einklang zu bringen.
Diese Balance zwischen Markt und Staat, zwischen Leistungsprinzip und sozialer Absicherung, ist sicher komplex und nicht frei von Spannungen. Doch sie hat sich in Deutschland über Jahrzehnte als ein relativ stabiles und erfolgreiches Modell erwiesen.
Ob man dieses System als "bereits eine Art Sozialismus" bezeichnen möchte, hängt sicher von der individuellen Perspektive ab. Aus philosophischer Sicht wäre es meiner Meinung nach sinnvoller, es als eine Form des "Dritten Weges" zwischen Kapitalismus und klassischem Sozialismus zu verstehen - mit all seinen Vor- und Nachteilen, die es sorgfältig gegeneinander abzuwägen gilt.
Ob ich denn nun selbst in Deutschland leben würde, verneine ich, da ich in Deutschland für meine Position als Selbstständiger sowohl keine Vorteile sehe, das Gewerbesystem sich auch für neue Unternehmer als "grundüngsunfreundlich" zeigt. Ich bin aktuell wohnhaft in der Schweiz, wo meiner Meinung nach für neue Unternehmer die besten Bedingungen gelten.
Vielen Dank für die ausführliche Begründung. Ich freue mich, dass Sie in der Schweiz leben. Ich lebe aktuell leider in einer Region, in der es wenige Unternehmen gibt und sehr viele Menschen vom Staat abhängig sind, daher habe ich bei diesem Thema gemischte Gefühle und würde mich eigentlich freuen, wenn mehr produzierende Unternehmen hierher finden würden, da das natürlich auch die Familienplanung etc. betrifft. Also Unternehmen, die Hand und Fuß haben. Unabhängig davon fällt mir allerdings auf, dass fast alle Kommentare hier mehr oder weniger reflexartig das Wort "soziale Marktwirtschaft" verwenden. Ich ahne, hier einen etwas wunden Punkt getroffen zu haben. Sicherlich ist das in der Theorie so. Aber wenn man am Monatsende nach allen erzwungenen Ausgaben vlt. 10% des Nettolohns als Investition (z.B. wie bei Ihnen in die Selbstständigkeit) verwenden kann, dann finde ich, dass etwas grundsätzlich nicht stimmen kann. Und wenn Menschen und Gewerkschaften für Lohnerhöhungen protestieren anstatt für Steuersenkungen, dann werden Sie in 100 Jahren noch protestieren müssen. Jedenfalls bedanke ich mich für Ihre Einblicke. Viele Grüße in die Schweiz!
Die letzten Jahre haben gezeigt dass wir in der reinsten Form des Kapitalismus angekommen sind und scheinbar alle damit zufrieden sind. Wer viel Geld hat soll mehr bekommen, Firmenvermögen über alles und auf die schwächsten aka Geringverdiener wird eingetreten.
Und warum Stimmen sie dann mit Ja, wenn sie Nein meinen?