Hallo,
die Worterklärung beschreibt Grey- oder Grausexualität als ein im Vergleich zum Standard geringer ausgeprägtes Verspüren von sexueller Anziehung gegenüber anderen Menschen. Wie häufig bzw. selten/schwach dieses geringer ausgeprägte Verspüren tatsächlich ist, kann jedoch nicht klar definiert werden, sondern ist eine Frage der persönlichen Auslegung. Darüber, wie häufig/stark sich sexuelle Anziehung üblicherweise ausdrückt und ab wann man von Grausexualität sprechen kann, variieren die Meinungen sehr stark.
Aus diesem Grund lehne ich es auch ab, Asexualität als "Spektrum" und Grausexualität als eine "(Unter-)Form der Asexualität" darzustellen. Grausexualität wäre der weitaus geeignetere Begriff für diesen Graubereich zwischen Asexualität und ("Allo-")Sexualität, während Asexualität wirklich nur für Menschen komplett ohne das Empfinden von sexueller Anziehung und/oder mit völliger Abwesenheit des Bedürfnisses/Wunsches nach sexuellen Aktivitäten jedweder Form stehen sollte.
Unter Grausexualität fallen bezüglich der sexuellen Anziehung meines Erachtens Empfindungsweisen wie etwa
- "nur unter bestimmten Bedingungen"
- "nur manchmal"
- "nur wenig"
- "nur bei Bestehen einer tiefen, emotionalen Bindung" ( = demisexuell)
- "nur gegenüber Fremden" ( = fraysexuell)
- "ohne das Verlangen nach Sex mit anderen Leuten" ( = litho-/orchidsexuell)
- etc.
Das alles ist objektiv betrachtet bei weitem noch keine Asexualität. Diese hört spätestens da auf, wo sexuelle Anziehung anfängt. Ein "asexuelles Spektrum" gibt es nicht.
NACHTRAG:
[...] denn von Menschen, die unter keinen Umständen je freiwillig Sex haben würden, bis zu Leuten, die keine sexuelle Anziehung verspüren, es aber z.B. ihrem Partner zuliebe trotzdem regelmäßig tun gibt es eben auch bei Asexualiät eine Menge verschiedener Möglichkeiten - eben ein Spektrum.
Das Problem hierbei ist allerdings, dass Asexualität im Prinzip wie eine sexuelle Orientierung "funktioniert"; wenn sie eigentlich auch die Abwesenheit einer solchen beschreibt. Bei einer (abwesenden) sexuellen Orientierung kommt es auf Gefühle und Empfindungen an und keineswegs auf Dinge, die man letztendlich tut oder nicht tut. Ob ich einem Partner zuliebe Sex oder gar keinen Sex habe, spielt hinsichtlich der Asexualität an sich überhaupt keine Rolle. Auch irgendwelche Handlungen, die die eine asexuelle Person aus welchen Gründen auch immer vollzieht, die andere jedoch bleiben lässt, machen die Asexualität nicht zu einem "Spektrum". Ein "asexuelles Spektrum" gibt es darum weiterhin nicht.
Um dies anhand eines Vergleiches verständlicher zu machen: Man spricht im Bezug auf Homosexualität ja auch nicht direkt von einem "homosexuellen Spektrum", nur weil die einen Homosexuellen sich niemals auf eine Person des anderen binären Geschlechts einlassen würden, andere Homosexuelle beispielsweise ihrer Religion zuliebe oder aus gesellschaftlich-ideologischen Zwängen heraus hingegen völlig heterosexuell leben. Warum soll es nach diesem Prinzip dann bei Asexualität ein "Spektrum" geben?
Liebe Grüße,
Matsi.