Wie habt ihr rausgefunden, dass ihr asexual seid? Wie war euer Coming-out?

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Hallo FoolsDayNatze,

erkannt, dass ich asexuell bin, habe ich erst mit 25 Jahren. Eine sehr lange Zeit wusste ich nicht, was mit mir ist. Warum ich grundsätzlich keine sexuelle Anziehung empfinde (also nicht nur gegenüber Menschen nicht) sowie keine Bedürfnisse/Wünsche nach sexuellen Aktivitäten jedweder Form verspüre. Ich fühlte mich jahrelang falsch gepolt; kam mir vor wie von einem anderen Stern. Diese Unwissenheit nahm bei mir regelrechte depressive Züge an. Krampfhaft versuchte ich zu sein wie die Menschen bzw. damalige Altersgenossen in meinem Umfeld; zwang mich selber zu Pornos und sexuellen Handlungen sowie zum Gefallen daran. Je häufiger ich das tat, umso mehr verspürte ich den Drang, vom nächsten Hochhaus zu springen, weil ich mich danach dermaßen schlecht fühlte - so als hätte ich was vollkommen falsches getan. Das ist keineswegs übertrieben formuliert; diese Selbstfindungsphase führte bei mir zu ernsthaften Suizidgedanken.

Erst als mir das erste Mal der Begriff asexuell begegnete, der verdeutlicht, dass es eben durchaus auch Menschen gibt, die sich aus Sexualität schlicht und ergreifend nichts machen, war das ein regelrechtes Aha-Erlebnis für mich.

Das Coming-out als asexuell ist eben wesentlich komplizierter als ein Coming-out etwa als homo- oder bisexuell. Es ist lange nicht so, dass man genauso schlagartig erkennt "Okay, sexuell interessieren mich gar keine anderen Leute und/oder ich habe keinen Bock auf Sex, also bin ich asexuell." Tatsächlich handelt es sich beim asexuellen Coming-out um einen langwierigen Eliminierungsprozess. Wenn Du für eine abwesende sexuelle Anziehung und/oder generell fehlendes sexuelles Verlangen alle anderen möglichen Ursachen wie

  • körperliche, neurologische oder psychische Krankheiten/Störungen
  • körperliche oder geistige Behinderungen
  • Hemmungen durch Traumata bzw. schlechte/schlimme Erlebnisse wie Missbrauch
  • hormonelles Ungleichgewicht
  • Nebenwirkungen durch die Einnahme von Medikamenten, Arzneimitteln, Alkohol, Drogen und anderen Substanzen
  • Umwelteinflüsse wie Gifte, Schadstoffe etc.

ausschließen konntest, bleibt als Erklärung irgendwann eben nur noch Asexualität übrig.

Leider wird der Coming-out-Prozess heutzutage liebend gerne als totally easy dargestellt sowie Asexualität billig als angebliches "Spektrum" verkauft und damit zum bedeutungslosen Trendbegriff ausgehöhlt. Angeblich ist man heuer direkt schon "asexuell", nur weil man

  • es bevorzugt, seine Sexualität anders auszuleben als andere Menschen; etwa ohne sexuelle Interaktionen.
  • sexuelle Anziehung "nicht so stark", "nicht so oft", "nur unter bestimmten Bedingungen" oder was weiß ich verspürt, grundsätzlich aber dazu imstande ist, was eigentlich ein Ausschlusskriterium für Asexualität darstellt!
  • sexuelle Anziehung nur gegenüber anderen Menschen nicht empfindet; damit wird nämlich suggeriert, dass auch etwa Objekt- und Zoosexuelle automatisch asexuell wären, was überhaupt nicht der Fall ist!

Nein, zur Asexualität gehört wesentlich mehr als nur solche Kleinigkeiten! Diese Spektrums-Definition der Asexualität bzw. solche Bezeichnungen wie "asexuelles Spektrum" sehe ich als zutiefst asexuellenfeindlich an, weil dadurch die - wie gesagt - häufig schwierig und kompliziert verlaufenden Coming-out-Prozesse tatsächlich Asexueller bagatellisiert werden. Zudem ist es respektlos, durch solche Spektrums-Definitionen Menschen eine sexuelle Orientierung bzw. Asexualität einzureden, die sie mit sehr hoher Gewissheit gar nicht haben. Denn "kein Verlangen nach sexueller Interaktion" allein ist noch lange kein Indiz für Asexualität und wer generell sexuelle Anziehung verspüren kann, bei dem liegt einfach keine Asexualität vor, weil es deren zentraler Definition widerspricht.

Asexualität hört spätestens da auf, wo sexuelle Anziehung anfängt.

Liebe Grüße,

Matsi.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Selber asexuell; bewusst seit 2012, inneres CO mit 25 Jahren

Das habe ich letztens auf Gutefrage erfahren. Ich kann mich weder in Menschen verlieben (aromantisch heißt das, glaube ich) noch mich zu Menschen sexuell angezogen fühlen. Mir war als Kind schon klar, dass ich mein Leben lieber alleine verbringen möchte, wusste aber nicht, dass es dafür einen Begriff gibt. Das haben mir erst vor kurzem ein paar Leute hier auf gf erklärt. Die Menschen in meinem Leben geht das allerdings nichts an und ich erwähne das nicht, da es auch ziemlich wahrscheinlich niemanden interessiert.