Wie wird man wer man ist?


03.11.2022, 17:21

Gibt es hier denn keine Philosophen die da eine längere Antwort parat haben?

Ich dachte bei der Frage an Nietzsche. Nur fühle ich mich nicht berufen in tiefe in die Philosophie einzusteigen.

6 Antworten

Durch das Leben.

Das mag auf den ersten Blick vielleicht eine kurze Antwort sein aber sie dauert ein ganzes Leben.


Moped85 
Beitragsersteller
 06.11.2022, 14:02

Schöner Gedanke. Wenn ich da so drüber nachdenke, komme ich zu dem Schluss das es völliger Quatsch ist, sich ein Etikett zu geben. Vllt. wäre man schon morgen jemand anders. Zumal das eigene Verhalten auch stark von der jeweiligen Umgebung abhängt.

1

Indem man danach handelt, wer/was man ist.

An Nietzsche, den totalen Lebensversager, denke ich daran überhaupt nicht, eher zum Beispiel an die Denkweisen der kleineren Lebensversager Schopenhauer (Parabel der Stachelschweine) und Kant (kategorischer Imperativ des friedvollen Miteinanderlebens).

Beispiele der wichtigen Selbstreflexion:

Bin ich wirklich ein Sadist, weil ich glücklich bin, wenn andere leiden, besonders wenn ich sie ausnutzen kann?

Bin ich wirklich ein Masochist, weil ich zufrieden bin, wenn ich ständig jammere und mich selbst quäle?

Bin ich wirklich ein Altruist, weil ich stolz und zufrieden der Stärkere bin, wenn ich Schwächeren helfe?

Bin ich wirklich ein Optimist, weil ich alles schönrede, verharmlose und mich in der Oberflächlichkeit zufrieden und glücklich fühle?

Bin ich wirklich ein Pessimist, weil ich alles schlechtrede, verneine und im Versagen die ewige Wahrheit sehe?

Bin ich wirklich Atheist, weil ich an keinen Gott glaube außer an mich selbst?

Bin ich wirklich Religionsgläubiger, weil ich an Jahwe/Gott/Allah glaube, weil er immer genau das will, was ich von ihm denke, weil ich das so will?

Bin ich wirklich ein Liebender, weil ich den Menschen, die mir nahestehen, anordne, was sie zu tun und zu fühlen haben?

Bin ich wirklich ein Hassender, weil ich keinem Menschen vertraue, nicht einmal mir selbst?

Bin ich wirklich...

Das ist zwar keine längere Antwort der Worte, aber der Gedanken und Gefühle in ihnen. Viel Erfolg!

Also was du diesbezüglich mit Nietzsche meinst, weiß ich auch nicht recht. Du erklärst nicht recht genau, was du meinst.

Entscheidend ist, mit was man sich identifiziert (erkennen, wahr nehmen).

Wenn du dich in deinem Beruf, Namen, Religion .... wieder erkennst, dann glaubst du dein Ego und eine Person (Persona = Maske) zu sein.

Wenn du dich mit dir und deinem Selbst identifizierst, dann glaubst du nicht, dein Ego, deine Gedanken, deine Gefühle zu sein, sondern der, der all dies wahr nimmt, dieser Beobachter, der deine Gefühle und Gedanken wahr nimmt. Dieses Bewusstsein, dass sich ständig erweitern und dazulernen will, diese Weite und Stille in dir selbst.

Persönlich gehe ich davon aus, dass man der sein kann, der man ist, sobald man einen guten Kontakt zu sich selbst und seinem Inneren, auch zu seinem Herzen hat und sein Ego (alte Prägungen, Erziehung, Glaubenssätze) eher abstreift bzw. wenig danach lebt.


Moped85 
Beitragsersteller
 06.11.2022, 13:58
Also was du diesbezüglich mit Nietzsche meinst, weiß ich auch nicht recht.

Ich habe mal eine Therapie gemacht und meine Therapeutin war ziemlicher Nietzsche Fan. Und von Irvin D. Yalom. Von da ist es auch nicht weit zu "Und Nietzsche weinte." Klasse Buch wie ich finde.

Sie hat öfters mal erwähnt das Nietzsche dies gesagt haben soll. "Werde der du bist." Ich habe das nie so richtig verstanden und wollte mal wissen was ihr so dazu meint.

Nach meiner Definition wäre es die Version von einem selbst, die man geworden wäre, wenn nicht Erziehung von außen stattgefunden hätte. Z.B. in Form von verboten, Zurechtweisungen oder eben Aussagen wie: "Das wird doch eh nichts." Geralt Hüther nennt das wohl Potential Entfaltung.

Dieser Gedanke, das man nicht der ist der denkt, sondern der, der dabei zuguckt, finde ich auch spannend. Was tut denn so jemand den ganzen Tag, der scheinbar voll und immer in diesem Sein verharrt? Oder ist das dann nicht so, als ob man jemanden zuguckt, nur eben von innen heraus?

1
amormutuus  06.11.2022, 15:20
@Moped85

So einer lebt recht gut und macht alles, was halt so vorkommt. Das ist kein Verharren, sondern einfach ein gesunder Kontakt zu sich selbst und nicht zu seinem Ego, ganz so, wie du das beschreibst.

Der guckt nicht nur zu, sondern macht auch alles, allerdings nicht aufgrund der wirren Gedanken des Egos, sondern aufgrund einer inneren Führung, seiner inneren Stimme, seinem Bauchgefühl und nicht aufgrund alter Verhaltensweisen, die aktuell gar nicht mehr günstig und überholt sind.

Das Ego sind alte Prägungen, Erziehung und altes Gedankengut, das wir von Eltern und anderen übernommen haben. Zudem Bilder und Glaubenssätze, die wir gebildet haben, aber nicht für ein Leben lang gelten müssen, weil man sich ja auch ändert und so. Ein in Kindheit gemachtes Bild muss nicht für ein Leben lang passend oder stimmig sein, kann schnell auch mal hinderlich dann mal werden.

Es geht einfach darum zwischen Ego und Selbst zu unterscheiden.
Einer, der öfter mal selbst sein will, anstatt in alten automatischen Gedanken vom Ego gefangen zu sein, der macht auch alles, nur halt agiert er von seinem Selbst heraus, nicht vom überholten Ego, das meist aus Angst plappert und reagiert oder vom Verstand heraus.
Jemand der Kontakt zu sich selbst hat, macht öfter das, was sich und seinem Selbst entspricht und nicht das, was ihm sein verängstigtes und eingeschränktes Ego vorschreibt.
Einer, der Kontakt zu sich selbst hat, hat den Kontakt zu seinem Ego verringert. Er hat das Ego auch noch, warum auch nicht, aber er lebt seltener danach als unbewusste Menschen und kann daher mehr für sich selbst tun, macht es vermutlich aber auch anderen seltener recht. Er lebt öfter mutig und ehrlich nach seinen Werten und Impulsen als nach denen anderer, wofür ja das Ego steht.
Das heißt nicht, dass dann das Leben ohne Herausforderungen wäre, nein, aber er nimmt sie gelassener, sicherer und weniger verkorkst.

Er geht seinen eigenen Weg. Und vertraut auf seine innere Führung, auch auf das Leben, sein Schicksal und sich selbst.
Auch er erfährt Schmerz, kann damit aber angstfreier und souveräner damit umgehen, vertraut intensiver.

Wer weiß, dass er nicht seine Gedanken, Prägungen, Daten und Gefühle ist, sondern das Bewusstsein, das in ihm inne wohnt und alle Vorgänge beobachtet, dass er die Seele ist, die lernen will, dass er seine Persönlichkeit verwirklichen soll und nicht nach alten Prägungen leben soll, ist einfach klar im Vorteil, lebt sich leichter und muss sich am Totenbett nicht ärgern, warum er das und das nicht alles gemacht hat.

Aber sag doch mal, da muss es doch was geben, das deine Gedanken und Gefühle wahr nimmt, oder? Wer sonst würde das denn machen? ;-)
Und woher wüsstest du, was du gerade denkst und fühlst, wenn das keiner wahr nehmen würde?

Du selbst, dein Selbst ist der Beobachter ... ganz klar!

Willst du dich mit dem Wahrnehmer und Beobachter identifizieren oder entscheidest du dich für dein verbrauchtes Ego?

0
Moped85 
Beitragsersteller
 06.11.2022, 15:34
@amormutuus

Ich glaube ich müsste mir das noch ein zwei dreimal durchlesen um es zu verstehen. Ich mein... Können nich auch Positive Prägungen teil des Egos sein? Wenn man als Kind schon gerne gemalt hat, ist dieses "Jemand eer gerne malt." doch auch Teil des Egos, oder nicht? Nicht nur Ängste und Meinungen anderer.

1
amormutuus  06.11.2022, 16:12
@Moped85

Ja, Neues müssen wir uns alle mit Wiederholung verständlich machen.

Die Mallust von Kindern kommt sicherlich nicht von deren Ego, denn sie haben sich meist noch gar keines aufgebaut oder ein zu kleines dafür.

Aber du hast schon recht, die dahinterliegende Motivation ist entscheidend dafür, ob etwas durch unser Ego oder von unserem Selbst hervor kommt. Da braucht es immer wieder ehrliche Detektivarbeit, um sich da selbst auf die Schliche zu kommen, was für einen dann natürlich von Vorteil wäre, weil man seinem Leben dann eine gewünschte Richtung geben kann.

Klar, ist eine nicht so schöne / attraktive Frau treu, braucht sie sich darauf nicht so viel einbilden. Jeder kann erkennen, dass sie es wohl nicht einzig aus reiner Liebe sein könnte. ;-)

Das Ego formuliert das Bild, das du von dir selbst und von anderen hast, macht dies starr (Schubladendenken). Die Sache ist halt die, dass sich jedoch ständig alles ändert - du selbst, die anderen, das Leben ....
Man könnte auch sagen, dass uns das Ego zu sehr einschränkt, weil wir am Ende ja doch alles in uns tragen, alles sind.

Das Ego lässt uns eine Theaterrolle im Leben spielen. Und natürlich ist dies oftmals von Vorteil auch, z.B. um zwischenmenschliche Beziehungen gerade in der Arbeit aufrecht erhalten zu lassen.
Das Gehirn automatisiert gerne, um häufig wiederkehrende Aufgaben leichter und schneller erledigen zu können, was natürlich auch gut ist.
Wir brauchen das Ego auch, um überhaupt zwischen Ego und Selbst unterscheiden zu können.

Als Egobesitzer kannst du andere leichter verstehen und mit ihnen interagieren. Ohne wäre das ja kaum möglich.

Ansonsten beobachte dich einfach und mache ein harmloses und schmerzfreies Experiment daraus, wann du dein Ego und wann dein Selbst bevorzugen willst.

0

Durch das seinem Wesen gemäße Sein. 😆

Als Individuum durch Talent, Ansprüche und Ambitionen, bestimmt und gebrochen zugleich durch gesellschaftliche Umwelt und Erziehung, wird man, wer man ist. Was man ist, ist man immer nur durch andere - (viele sind berufen, wenige sind auserwählt) .


Moped85 
Beitragsersteller
 03.11.2022, 17:41

Bedeutet man selbst zu werden nicht auch, das man die Erziehung ablegt?

1
bundesanwalt  03.11.2022, 17:46
@Moped85

Nein, man eignet sich in der Erziehung Substantielles an, das unverzichtbar im Leben ist. Natürlich gibt es auch Hinderndes und Altes, das man überwinden sollte. Selbsterziehung durch Talent, Ansprüche und Ambitionen. Insofern, ja.

1