Wie unterscheidet man tatsächlichen Missbrauch von nachträglichem Bereuen?

Rabenfederchen  26.09.2024, 17:05

Wie meinst du das? Ob das Opfer missbraucht wurde oder es einfach nur bereut?

EuerPeter 
Beitragsersteller
 26.09.2024, 17:08

Ich meine: Unzweifelhaft gibt es Missbrauch. Es soll andererseits auch Personen geben, die einvernehmlichen Sex danach in Missbrauch umdeuten um das eigene Gewissen zu beruhigen.

6 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Ich glaube, von Täterseite hier, sieht man die besten Beispiele dafür gerade an dem Prozess in Frankreich...

Wieviele der Vergewaltiger reden sich gerade ihren Missbrauch "schön", relativieren ihn und negieren die Vergewaltigungen, die sie begangen haben, nur damit sie ihr Gewissen und ihre Familie beruhigen.

Das ist die andere Seite.

Was das "Opfer" betrifft, also ob es wirklich einen Missbrauch erfahren hat oder etwas als Missbrauch umdeutet, bspw. um sich eine Situation schön zureden, um einen Fehler zu kaschieren usw.
Schwierig, da meistens eben nur die zwei Personen dabei waren. Aussage gegen Aussage. Je nachdem, was wirklich stattgefunden hat, kann es eins oder beide Leben zerstören.
ABER...aus Erfahrung kann ich dir sagen, als vergewaltigte Frau bekommt man nicht selten zu hören, so man denn darüber spricht, ob es nicht doch Spaß gemacht hat, ob es wirklich nicht in Einvernehmen war, ob man es nicht herausgefordert hat usw usw usw.
Sprich, von außen wird der Missbrauch, die sexualisierte Gewalt, die man erfahren hat, einfach umgedeutet in eine normale sexuelle Begegnung, die nur ein Part (nachträglich natürlich) als missbräuchlich empfunden hat.

Selbst von Ermittlerseite ist man davor nicht geschützt, wie meine Frau leidvoll erleben musste. Das waren mit die ersten Fragen von ihnen, ob es sich wirklich um eine Vergewaltigung handelt oder ob sie (dem armen) Mann nur etwas anhängen will...sie, die bevor sie vergewaltigt wurde, so zusammengeschlagen und -getreten wurde, dass sie wochenlang im Koma lag.
Ich wurde das auch schon gefragt...ich war allerdings Kind, als es mir passierte.

Die Unterscheidung wird eben sehr schwierig. Gerade auch, wenn, wie hier schon abgesprochen, das Opfer sich nicht, aufgrund ihrer Persönlichkeit oder vorhergehenden Erfahrungen, nicht deutlich äußern kann, weil es eben in eine Schockstarre verfällt oder, wie man es ja auch so oft rät, es lieber über sich ergehen lässt, anstatt sich zu wehren.
Dazu kommen ja noch die Vorfälle, die unter Drogen stattfinden...es gab ja mal einen Prozess. Vier Männer haben eine Frau mit K.O.Tropfen in die Bewusstlosigkeit geschickt und dann vergewaltigt. Alle vier wurden freigesprochen, weil die Frau nicht nachweisen konnte, dass sie etwas dagegen gehabt hätte...

Mal sehen, wie der Prozess in Frankreich ausgeht.

Wenn ich schon lese, wie diese Typen sich winden, um nicht zugeben zu müssen, dass sie den Zustand der Frau ausgenutzt haben, um an ihr die perversesten Dinge auszuleben...tja...
Und ich traue mich zu sagen: kein Einzelfall!

Fakt ist jedoch: sollte es jemanden geben, der einen anderen zu Unrecht beschuldigt und das wird herausgefunden, sollte diese Person eine sehr harte Strafe bekommen. Sie erweist den echten Opfern einen Bärendienst und sorgt dafür, dass eben den echten Opfern wenig bis gar nicht mehr geglaubt wird, was ja sowieso schon verbreitet ist.


EuerPeter 
Beitragsersteller
 27.09.2024, 22:05

Vielen Dank für deine Sachlichkeit, deine Differenziertheit und deine Offenheit. Ich wünsche dir und der anderen erwähnten betroffenen Frau, dass die Wunden irgendwann zumindest kleiner werden, wenn sie schon (leider wahrscheinlich) nicht heilen...

Hallo EuerPeter,

ich finde diese Frage gar nicht so leicht zu beantworten, wenn man mal genauer darüber nachdenkt.

Grundsätzlich würde ich sagen: Missbrauch ist es, wenn ein Part deutlich gemacht hat, dass er etwas nicht will, entweder verbal oder nonverbal (sich wehren).

Aber es ist tatsächlich nicht so einfach, weil manche Menschen auch in eine "Schockstarre" fallen und sich nicht mehr wehren und nichts sagen können. Ist es dann Missbrauch? Schwer zu sagen. Der aktiv handelnde Part kann vielleicht merken, dass es der Person nicht gefällt, wenn sie aufmerksam ist. Kann man das von jedem Menschen erwarten? Ich wünschte, man könnte es, aber ich glaube, das ist utopisch, allein schon deshalb, weil viele junge Menschen ja auch unerfahren sind. Insofern ist das eine Gradwanderung, die unbeantwortbar bleibt. Am Ende kann man sich als handelnder Part nur rückversichern und fragen: Geht es dir gut? Ist das, was wir tun, okay für dich? Das würde ich sowieso allen Menschen ans Herz legen. Dieser Ansatz ist ja auch die Grundlage für die "Ja heißt ja"-Debatte.

Bereuen kann man Dinge immer. Grundsätzlich würde ich als Leitfrage mitgeben: Bereue ich es, diese eine Sache gemacht zu haben (dann liegt es an der Sache) oder bereue ich es, eine Sache mit diesem Menschen gemacht zu haben (dann liegt es vielleicht am Menschen = Verdacht auf Missbrauch)? Das ist natürlich keine rechtskräftige Grundlage, aber es kann helfen bei der Orientierung, ob man sich nochmal auf die Person einlassen sollte oder nicht.

Hoffe, ich konnte ein paar Anregungen geben.

Liebe Grüße!

Meine Rückfrage: Wie meinst du das? Ob das Opfer missbraucht wurde oder es einfach nur bereut?

Deine Antwort: Ich meine: Unzweifelhaft gibt es Missbrauch. Es soll andererseits auch Personen geben, die einvernehmlichen Sex danach in Missbrauch umdeuten um das eigene Gewissen zu beruhigen.

Meine Antwort:

Sicherlich gibt es solche Personen. Aber das ist noch einmal ein anderes Thema. Wie soll man das pauschal beantworten? Ich glaube, die einzigen Personen, die das erkennen können, ist die Person selbst und der Sexpartner.

Ich finde, es ist schon deutlich, wenn es Missbrauch war und wann nicht. Auch für den Täter selbst, wenn er sich ein wenig damit auseinandersetzt und es vielleicht nicht sieht, weil ihm zum Beispiel nicht klar ist, dass Überreden und Emotionale Erspressung, das zu einem Ja oder Zulassen führte, trotzdem Missbrauch ist.


ZionsDaughter  26.09.2024, 17:17

Ich finde, du bringst es sehr gut auf den Punkt. Meiner Erfahrung nach als Therapeutin, die auch immer mal wieder mit sexuellen Missbrauchsopfern arbeitet, ist, dass es sehr, sehr selten der "überfallartige Sex" ist, bei dem ein Opfer komplett überwältigt wird, sich wehrt und "nein" schreit. Oft ist es vielmehr genau diese emotionale Erpressung, das Überreden, das Nachbohren durch Partner, Freunde, Bekannte usw., bis das Opfer mit mulmigem Gefühl nachgibt und dann mit dem schlechten Gewissen zurückbleibt, dass es sich ja nicht genug gewehrt hätte (obwohl es x-mal nein gesagt hat). So nach dem Motto "Ein Na gut überwiegt zehn Neins". Das sind die wirklich problematischen Fälle, weil diesen Leuten oft auch ihr Missbrauchserleben abgesprochen wird und sie dann still leiden, während der Täter munter weitermacht.

Heyy,

Ein Missbrauch passiert ohne echtes Einvernehmen, oft durch Zwang oder auch Manipulation. Nachträgliche Reue ist das Bedauern einer einvernehmlichen Handlung. Der Unterschied zwischen einem Missbrauch und Nachträglicher Reue liegt im freiwilligen Einvernehmen zum Zeitpunkt der Handlung.

Muss man gar nicht! Denn wenn Du missbrauchst wirst, dann empfindest Du es auch so! Es geht nur darum, was Du empfindest. Wie ein anderer das sieht, ist schnurz, wenn es um Dich geht. Derjenige hat ja ein Eigenempfinden und darf das empfinden wie er / sie will.