Wie kann ich mich sprachlich weiterentwickeln und lernen "interessanter" zu reden? [Langer Text!]
Hallo,
ich bin Schüler an einem technischen Gymnasium und 16 Jahre alt. Zurzeit besuche ich die 11. Klasse und alles läuft gut und klappt prima. Heute musste wir (meine Klasse und ich) zu einer Präsentation des BK2 an meiner Schule. Die Leute, die den Vortrag hielten waren zu fünft. Diese 45-minütige Präsentation war jetzt nicht grade interessant. Es lag jedoch nicht am Inhalte des Beitrags, nein, ich stellte fest, dass es an den Leuten lag, die diese Präsentation vortrugen. Jeder dieser 5 Jungen hatte einen Teilbereich zu vermitteln. Die ersten 40 Minuten zogen sich lange hin. In diesem Zeitraum hielten die ersten 4 Jungs Ihren Teilvortrag. Sie nuschelten ein wenig, die Stimme war eintönig, sie stotterten und redeten dann mal wieder zu schnell. Damit habe ich kein Problem, klar, es geht hier um ihren Abschluss und da darf man sicher beunruhigt und nervös sein. Das habe ich auch an der Gestik gesehen, sie zupften an ihren Hosen und an ihren Händen herum, kratzten sich kurz am Kopf und schauten verlegen zum Boden. Weil sie ihre Hose richten wollten? Weil ihre Hände oder ihre Köpfe juckten? Nein, es war die Nervosität. Wie gesagt, das stellte kein Problem dar. Doch: Nach diesen 40 Minuten kam der Teil des letzten Jungen dran, er war der Projektleiter des ganzen.
Er fing an zu reden und ich blickte sofort zu ihm rüber und horchte ihm auch gespannt zu. Ich ließ anschließend meinen Blick durch die Klasse schweifen und sah, dass auch sie (meine Klassenkameraden) die Köpfe hoben. Der Junge machte irgendwas anders und ich versuchte herauszubekommen was es war.
- Die Haltung: Sie war viel offener und nicht so verkorkst
- Die Aussprache: Deutlich und angenehm laut, und vor allem die unterschiedlichen Tonlagen
- Die Gestik: Er hielt seine Karteikarten in den Händen und redete so wie ich es von den Moderatoren aus dem Fernsehen kannte, die Arme immer ein bisschen "umherfliegen" lassend
- Die Verwendung von Synonymen und anderen Stilmitteln (z.B. rhetorische Fragen), die ein Wort gleich viel korrekter klingen ließen
- Die fachliche Kompetenz
Das beeindruckte mich sehr.
Das Gleiche bei einer GFS eines Mitschülers bzw. Freundes von mir. Sie war super und er drückte sich sehr interessant aus. Im Alltag jedoch redet er ganz normal.
Wie kann ich sowas lernen? Ich mag beim sprechen sicher und interessant klingen.
Für sowas gibt es Seminare etc. ohne Ende. Wäre für mich als Schüler 1. preislich nicht zu bewältigen und 2. will ich eher eine Übung, die ich tagtäglich durchführen kann um mich weiter zu entwickeln.
Ich möchte also vor allem über die nächsten Monate (,sogar Jahre) hinweg lernen:
- Meine Tonlage interessanter zu nutzen
- Meinen Wortschatz zu erweitern
- Deutlicher zu sprechen
Doch wie stelle ich das an? Möchte nicht stundenlang in Wörterbüchern für Synonyme rumblättern und alles auswendig lernen. Habt ihr Vorschläge?
Liebe Grüße
Daniel
6 Antworten
Auswendiglernen ist nicht die Lösung. Das Geheimnis liegt in der sehr guten Vorbereitung, durch die du die Inhalte, die du vermitteln willst, in- und auswendig kennst. Erst dann kannst du nämlich anfangen, fast frei zu reden - also ohne deinen Kopf in den Karteikarten zu versenken. Wichtig ist, dass du nicht den ausformulierten Text auf den Karten stehen hast, sondern nur Stichpunkte. Dann gerätst du gar nicht erst in Versuchung, alles abzulesen.
Die üblichen verbesserungswürdigen Punkte:
- Mittelgroße Karteikarten, die logisch mit Stichpunkten beschriftet sind und eigene Sinneinheiten bilden. Der Wechsel der Karteikarte bedeutet auch einen kurzen Stopp im Redefluss.
- Blickkontakt ist das A und O. Schaue immer wieder hoch, von links nach rechts, von hinten nach vorn, von vorn nach hinten. Schau die Leute an. Wenn du meinst, dass dich das verunsichert, schau ihnen auf die Stirn oder auf den Schreibtisch vor ihnen, aber schau hoch. Es hat niemand Lust, 40 Minuten lang auf deinen Scheitel zu starren, wenn du dich durch den Vortragstext nuschelst.
- Sehr gute Vorbereitung, sodass du das gesamte Konzept dessen, was du sagen willst, verinnerlicht hast.
- Sprich laaaaangsam. Bei Aufregung neigt man dazu, schneller zu werden, den Text runterzuhaspeln, sich zu versprechen, leiser zu werden, noch schneller zu werden ... Du siehst, worauf ich hinaus will. Sprich langsam und deutlich. Wenn du Fehler machst, korrigiere dich, wenn es erforderlich ist. Wenn nicht, fahre unbeeindruckt fort.
- Stell' dir deine Situation vor: Du hast die Chance, deinen Mitschülern etwas zu vermitteln, und sie MÜSSEN dir zuhören. Sorge dafür, dass es dir Spaß macht. Das überträgt sich auch auf die Zuhörer.
- Sorge für verständliche Beispiele und einen guten Aufhänger. Angenommen, du müsstest einen Vortrag über Schlangen halten, könntest du wirklich erst einmal jedes Vorurteil nennen, das es so gibt. Und dann könntest du - sofern abgesprochen mit deinem Lehrer - auf dem Tisch des Lehrers einen Transportkäfig mit einer (von einem Freund entliehenen) Schlange enthüllen. [Das geht allerdings nicht im Winter und nicht, wenn es kalt ist!] Dann kuckst du in die Runde und stellst die rhetorische Frage: „Stimmt das denn wirklich oder sind das einfach nur haltlose Vorurteile?“
- Beziehe deine Familie ein: Nerve deinen Vater (oh ja!) mit dem Vortrag, trage ihn deiner Mutter, deiner Schwester vor ... was auch immer. Hey, endlich hast du mal eine richtig gute Erklärung dafür, warum du nerven MUSST!
- Mache dir keine Gedanken um Synonyme. Das kannst du in der Endphase tun. Wichtig sind eine unmissverständliche Formulierung des Inhalts und ein logischer Aufbau. Es bringt nichts, von Auto, KFZ, Kraftfahrzeug, Personenkraftwagen, mobilem Untersatz für die individuelle Fortbewegung, motorgetriebenem Vehikel mit Selbst- oder Fremdzündungsmotor, Fahrzeug mit Diesel-, Otto- oder Wankelaggregat zu reden,wenn du nichts anderes als ein ganz normales Auto meinst, also einen PKW. Es lohnt nicht, viele (vermeintliche) Synonyme zu benutzen, die letztendlich aber bewirken (können), dass der Inhalt weniger verständlich ist.
- Have fun. Interessiere dich für das Thema, auch wenn es dir anfangs lasch vorkommt, und baue (wenn möglich) auch ein, zwei überraschende Detailinfomationen ein.
Fuchtele nicht mit den Händen rum und unterstehe dich, zu merkeln (Frau Merkels typische Handhaltung). Versuche, mit einer natürlichen Gestik den Inhalt zu unterstreichen. Wenn du zu nervös wirst und selbst merkst, dass du rumfuchtelst, halte inne - und nimm' dich vielleicht sogar selbst auf die Schippe („Ui, irgendwie habe ich jetzt gerade gefühlte fünf Hände. Moment mal ...“ Und dann sammelst du dich und machst weiter) . Das schafft eine Atmosphäre der Souveränität - und der Menschlichkeit.
Also ich kann dir da gleich zu Beginn die Bücher von Joa Navarro empfehlen, damit kannst du schonmal Punkten.
Weiter würde ich dir empfehlen Bücher zu lesen, aus Fachbereichen die dich interessieren, da kommen genug Wörter vor die du vermutlich noch nicht kennst, das wird deinen Wortschatz durchaus erweitertn.
Deutlicher sprechen ist gar nicht so schwer, üben, vor dem Spiegel oder... du polierst dein Selbstbewusstsein weiter auf, versuch einfach mal jedem der dir entegegen kommt so lange in die Augen zu sehen bis die Person an dir vorbei gegangen ist. Das hilft.
Hey Daniel,
du kannst z.B. laut lesen, dann prägt man sich die Wörter und Sätze besser ein,.
du kannst dich mit einem Buch oder Manuskript vor dem Spiegel überprüfen, wie deine Gestik und deine Haltung aussieht,
du kannst dich selber mit einem Tonband aufnehmen, um an der Betonung deiner Sätze zu arbeiten.
Vielleicht bringen dir ja auch (gebrauchte) Bücher über Gestik, Körperhaltung, Körpersprache und wie man das alles gut präsentieren kann zusätzlich etwas. Könnte man auch in einer Leihbücherei holen.
Auf jeden Fall ist das toll, dass du dir darüber Gedanken machst. Mach weiter so, das wird schon.
Das sollten sich einmal unsere Politiker vornehmen, von denen können die wenigstens weder richtig reden, noch haben sie die richtig Haltung und Gestik wenn sie in der Öffentlichkeit auftreten.
den Wortschatz kann man erweitern, indem man viele Bücher ließt.
deutlich sprechen und die richtige Tonlage finden ist reine Übungssache.
Meine Sprache hat sich wesentlich verbessert, seit ich viel lese. Als Jugendlicher hatte ich dafür kein Interesse, aber heute lese ich täglich. Es handelt sich zwar meist um Belletristik, ist aber kein Schund von den Bestsellerlisten. Dadurch hat sich mein Wortschatz erweitert, ohne dass ich es bewusst angestrebt hätte.
An meiner Aussprache muss ich leider immer wieder arbeiten. Ich komme aus einem dialektreichen Umfeld. Die alten Gewohnheiten abzulegen, ist ein täglicher Kampf.
Gibt es da eine bestimmte Büchergenre, die man bevorzugen sollte?