Wie hätte sich Eurer Meinung nach das Christentum entwickelt, wenn es nicht zuerst zur dominanten und dann zur Staatsreligion geworden wäre?

6 Antworten

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Eine sehr gute Frage, mit der es ratsam ist, sich gleich zu Beginn des Glaubens zu beschäftigen. Dabei sollte der Zugang nicht aus Bauchgefühl oder emotionalen Gründen erfolgen, sondern auf einer historisch fundierten Grundlage basieren. Die Begründung für diesen Ansatz ist entscheidend. Wer Wert auf Authentizität und Originalität im Glauben legt, sollte sich bewusst sein, dass naives, blindes Vertrauen, wie es damals von den "einfachen" Gläubigen erwartet wurde, oft nicht hinterfragt wurde.

Religionshistorisch betrachtet, und insbesondere im Bereich der historisch kontrafaktischen Analyse, gilt es als gesichert, dass sich das frühe Christentum als "authentischer" entwickelte. Die frühkatholische Kirche, in der ehemalige Priester und Anhänger des Baal-Kults schrittweise zur Macht gelangten, verdrängte rasch die messianische Urgemeinde, im Rahmen der monastischen Reform deren Lehren noch stark an den Originallehren Jesu orientiert waren. Ein historisches Beispiel sind die Marcioniten, deren Lehren näher an den Lehren Jesu liegen als das, was später von der katholischen Kirche als Glaubensdogma vereinnahmt wurde.

Natürlich kann man über die Begriffe "Verfälschung" oder "Anpassung" streiten. Letztlich ist dies jedoch irrelevant, da historisch festgestellt werden kann, dass die Marcioniten damals den weitverbreitetsten Glauben verkörperten und die frühkatholische Kirche diese Konkurrenz als feindlich diskreditierte, um ihre eigene Lehre durchzusetzen. Leider mit Erfolg!

Im Detail wäre der Glaube ohne den Einfluss der katholischen Kirche lebendiger und dynamischer gewesen; die Glaubensinhalte wären vielfältiger, da es keinen neutestamentlichen Kanon gegeben hätte, was Jesus selbst nicht wollte. Wahrscheinlich stünden uns heute wesentlich mehr Schriften zur Verfügung, sowohl aus der jüdischen Mystik als auch aus der Gnosis. Zudem wäre der Glaube heute spiritueller ausgeprägt. An dieser Stelle könnte man auch die traurige Bilanz ziehen: Etwa 50 Millionen unschuldige Menschen könnten noch leben, da sie im Verlauf der Geschichte nicht brutal abgeschlachtet und ermordet worden wären. Zusammenfassend könnte man sagen, dass vieles besser gewesen wäre – sicherlich kleiner, aber authentischer und näher an der Wahrheit als heute.

Die Hoffnung und das Erfreuliche aber, dass immer mehr Gläubige aufwachen und ihren Glauben kritisch hinterfragen und sich aus dem Bann der abgeänderten Lehre befreien und versuchen bestmöglich zum authentischen Glauben interreligiös zurückzufinden.

 

 

 

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Praktizierend im christlich spirituellen Glauben

Es hätte sich biblisch entwickelt und nicht nach verschiedenen Denominationen.

Das Evangelium, die Gute Nachricht wäre im Zentrum gestanden und der Gott der Liebe wäre durch die Religionen nicht lächerlich gemacht worden.

Satan hätte keine Chance gehabt, viele Nationen so zu verführen und so viel Leid über die Menschen zu bringen.

Jesus Christus würde schon lange in den Herzen der Menschen regieren.


Bodesurry  23.10.2024, 16:56
Das Evangelium, die Gute Nachricht wäre im Zentrum gestanden und der Gott der Liebe wäre durch die Religionen nicht lächerlich gemacht worden.

....und Du kennst natürlich alle christlichen Kirchgemeinden um das beurteilen zu können. Ich kenne ein paar evangelische, katholische und freikirchliche Gemeinden. Da gibt es solche, die deiner Meinung nicht in Ansätzen entsprechen.

"Meine" Kirchgemeinde, evangelisch-reformiert, tut so viel nach dem Evangelium, dass ich nicht wüsste, was man noch mehr machen könnte.

HansChristian77  23.10.2024, 23:51
@Bodesurry
"Meine" Kirchgemeinde, evangelisch-reformiert, tut so viel nach dem Evangelium, dass ich nicht wüsste, was man noch mehr machen könnte.

Schön, dass es solche Gemeinden gibt.

Mk 16,15 Dann sagte er zu ihnen: Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung! 16 Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden. 17 Und durch die, die zum Glauben gekommen sind, werden folgende Zeichen geschehen: In meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; sie werden in neuen Sprachen reden; 18 wenn sie Schlangen anfassen oder tödliches Gift trinken, wird es ihnen nicht schaden; und die Kranken, denen sie die Hände auflegen, werden gesund werden.

Neugeistler  23.10.2024, 14:56

Das verdient ein Hilfreich und ein Daumen hoch, sehr schön geschrieben. Danke!

Zur Staatsreligion wurde es nie.

Ein Fürst bringt seine Untertanen um, sobald diese religiös etwas anderes machen, als er selbst oder der Vatikan es sagt.

Quiz:

A - der Fürst handelt nach dem Neuen Testament und ist Christ und damit wäre es eine Staatsreligion

B - der Fürst handelt gegen andere Christen unterdrückerisch und ist damit ein Feind des christlichen Glauben, schon allein, weil Er ja nicht mal Gott fragt, ob der Untertane etwas falsch gemacht hat und zig andere Grundsätze über Bord wirft


CorgiMcweasel 
Beitragsersteller
 23.10.2024, 13:49

doch, unter Kaiser Theodosius I. wurde das Christentum zur Staatsreligion

Dominant wurde es erst nachdem es zur Staatsreligion im römischen Reich wurde. Bevor es zur römischen Staatsreligion bestand es nur aus verfolgten Splittergruppen, also verschiedenen christlichen Gemeinden, die insgeheim ihre Versammlungen hatten, weil deren Aufdeckung wegen des Verdachts des Aufruhrs zu einem ähnlichen Ende für die Mitglieder der Gemeinden geführt hätte, wie es bei Jesus war, nämlich einer Hinrichtung am Kreuz.

Davon abgesehen hätte sich das Christentum, wenn es denn das römische Reich überlebt hätte vermutlich zumindest eher nach der Lehre Jesu gerichtet und damit nach den theologischen Standpunkten des Arius, statt denen von Athanasius. Vielleicht wäre dann auch eher akzeptiert worden, wie sich Paulus selbst gegenüber Jesus einstufte, statt die Lehre von Paulus über die von Jesus zu stellen.

Es wäre längst vergessen und verschwunden. Als jüdische Sekte hätte es die Zeit bestimmt nicht überstanden.


Euphoreon1980  23.10.2024, 12:11

Das sehe ich ähnlich. Innerhalb des Judentums, ggf. auch Islams, hätte Jesus Christus mit Sicherheit eine Art "Prophetenstatus" behalten. Das Christentum hatte als monotheistische Religion mit Moralkodex den Vorteil, dass man dadurch Verhaltensdruck und Kontrolle über die Menschen bis tief in den persönlichen Alltag ausüben konnte.

Deshalb eignete sich der Islam ja auch so gut zur militärischen Ausbreitung und sofortigen Errichtung einer Staatsstruktur in den eroberten Gebieten. Naja, heute tut er das ja auch noch...