Was machen Akademikereltern anders?

3 Antworten

Jetzt mal unabhängig von dem Bezug zu dir und deinem Bruder und eurem Migrationshintergrund, und ganz allgemein gesagt: Akademikereltern gehen halt an bestimmte Fragen ganz anders heran als Arbeitereltern. Wo es in einem Arbeiterhaushalt zum Beispiel heißt „Wenn du dir viel Mühe in der Schule gibst, kannst du später vielleicht studieren“, fangen Sätze in Akademikerhaushalten tendenziell eher an mit „Wenn du dann studieren wirst…“. Einen guten Schulabschluss zu machen, daraufhin zu studieren und hinterher einen gutbezahlten Beruf zu haben wird Akademikerkindern eher als Selbstverständlichkeit vermittelt, während Arbeiterkindern das als etwas Schwieriges, Krasses auffassen. Das hat einen psychologischen Einfluss, aus dem dann wiederum folgt, dass Akademikerkinder sich tendenziell mehr trauen (denn studieren an sich ist ja selbstverständlich), während Arbeiterkinder eher „auf Nummer sicher gehen“ mit der Wahl des Studienfachs oder der Hochschule zum Beispiel (denn es ist ja krass genug, dass sie überhaupt studieren). Davon, dass in Akademikerhaushalten tendenziell mehr Geld vorhanden ist, deren Kinder frühzeitig gezielte Förderung bekommen, sie nicht auf Bafög oder Stipendien angewiesen sind, was alles Nerven schont und einem mehr Möglichkeiten eröffnet, die eingesparte Energie woanders einzusetzen, fange ich gar nicht erst an. Ein Beispiel, das ich auch immer bringe, weil es mein Expertenthema hier ist: Schüleraustausch. Akademikereltern wissen meist, dass es das gibt, auch in mehr Länder als nur die USA, sie ermutigen ihre Kinder tendenziell stärker dazu (in einem Alter, wo den Kindern selbst vielleicht noch ein wenig der Mut dazu fehlt), die Finanzierung ist von Haus aus gesichert und niemand ist nervös. Kinder aus Arbeiterfamilien müssen ihren Eltern erstmal erklären, was Schüleraustausch ist, warum sich das lohnt, man muss mühevoll herausfinden, wie man das finanzieren kann, muss die Nerven aufwenden für die Beantragung von Hilfen und Stipendien, und wenn das Kind seinem Alter entsprechend ein wenig Unsicherheit zeigt heißt „Ja siehste, lass das mal sein, wir hatten das schließlich auch nicht und sind auch nicht gestorben“.

Ich fürchte nur, dass es für dich schwierig werden könnte, deinem Bruder das „Akademiker-Mindset“ in vollem Umfang zu vermitteln. Du kannst ihn noch so sehr zu irgendwas ermuntern; solange eure Eltern dahinter stehen und in ihrem Arbeiter-Migranten-Mindset sagen „Aaaaah, geh mal lieber doch den sicheren Weg…“, nützt es nichts. Und du solltest dich meiner Meinung nach auch nicht zu sehr für ihn verantwortlich fühlen, denn du als Geschwisterkind kannst und sollst ihm nicht die (Akademiker-) Eltern ersetzen. Kümmere dich mit Priorität um deine eigene Laufbahn, und wenn du dann später eigene Kinder hast, vermittele denen alles das, was du dir für dich und deinen Bruder gewünscht hättest.

Akademikereltern haben selbst die Wege in eine höhere Bildung durchlaufen - deshalb sind sie ja Akademiker. Sie wissen also aus eigener Erfahrung, wie all das funktioniert und können somit ihren Kindern sehr gezielt dabei helfen, auch diese Wege zu gehen. Das können Eltern, die selbst nicht den Weg zum Abitur und durchs Studium gegangen sind, nicht so gezielt mit "Insiderwissen".

Übrigens greift das Prinzip auch in die andere Richtung :). Ich als Akademikerkind habe letztendlich dann doch eine Ausbildung und eine nebenberufliche Weiterbildung zur Fachwirtin gemacht. Auf diesem Weg konnte meine Akademikermama mir keinerlei Hinweise und Tipps geben, wie ich das angehen kann und worauf ich zum Beispiel bei Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz achten sollte. Das sah bei denen, deren Eltern ebenfalls eine Berufsausbildung gemacht haben, schon deutlich anders aus :).

Als Arbeiterkind mit Migrationshintergrund stoße ich auf einer ländlichen Hochschule größtenteils fast nur auf Akademikerkinder.

Ich war Anfang der 2000er als Arbeiterkind ohne Migrationshintergrund als 2. in der Familie mit Abi (eine Cousine hat das 1 Jahr vor mir gemacht) auf einer ländlicheren Fachhochschule (vermute ist auch bei dir keine Uni, geht mir darum, das einige z. B. erst eine Ausbildung machen und dann mit der fachgeb. HS-Reife halt nur an einer FH studieren dürfen). Hatte dort sehr viele Kommilitonen, die offenbar nicht aus einem Akademiker-Haushalt kamen.

Vllt. hast du es nun quasi mit deren Kindern zutun ;-)

Ich bin nach der Realschule in die Oberstufe und habe ein recht gutes Abi gemacht. Mein Vater (Hauptschul-Abschluss) konnte mir nur bei den Sachen helfen, die was mit seinem Beruf zutun haben. Meine Mutter (Realschul-Abschluss) hat von vielem was ich in der Oberstufe gemacht habe, keine Ahnung. Sie hat es aber sogar geschafft Französisch-Vokabeln abzufragen obwohl sie das nie hatte. Und bei Texten wo sie vom Inhalt keine Ahnung hatte, hat sie auf sprachliche Dinge geachtet, was auch schon viel wert war.

Mein Fazit: Auch Eltern ohne Abi können ihre Kinder in der Oberstufe deutl. unterstützen. Bzw. es ist auch wichtig, dass die Kinder frühzeitig lernen, dass es wichtig ist, regelm. die Hausaufgaben zu machen, pünktlich zu sein, etc. Kinder wo die Eltern sich nicht mal darum kümmern, werden natürlich viel unwahrscheinlicher Akademiker.

notting

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung