Was ist das prägendste Ereignis / Erlebnis in eurem Leben?

13 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

guten morgen liebe gugumanten,

das prägendste erlebnis meines lebens war ohne jede frage der tag, als ich meinem pflegevater zum ersten mal begegne. ich zitiere hier mal aus meiner autobiographie:

am abend kam dann nochmal die frau jakovic vom jugendamt zusammen mit einem anderen mann in das übergangsheim. die heimmutter empfing sie in der küche und rief mich dazu. der fremde mann ging in die hocke, sodass er kleiner zu sein schien als ich. er hatte ein angenehmes, freundliches gesicht und ich wusste sofort, – noch bevor er auch nur ein wort gesagt hatte – dass das ein netter mann sein musste. er sah mich also an, was mir allein schon gänsehaut bereitete, und stellte sich vor mit den worten: „hallo. ich bin mark.“ seine stimme war so sanft und doch kraftvoll. wie gesagt ich hatte gänsehaut und war fasziniert von einem so starken und doch freundlichen mann. so etwas hatte ich noch nie zuvor gesehen. trotzdem hatte ich angst. ich kannte ihn nicht und wusste nicht, was er von mir wollte. ich versuchte auf den boden zu schauen, aber der küchenboden hier war nicht unbedingt dazu geeignet einem die stimmung zu verbessern. ein eintönig braun-beige melierter pvc-boden, der schon viele flecken hatte und auf dem sich zahlreiche brösel, einige cornflakes, ein abgefallener hemdknopf und jede menge sonstiger kehricht befanden.
mark saß immer noch in der hocke vor mir, sah mir direkt in meine augen und erwartete offenbar eine antwort von mir. „ich bin lissi“, sagte ich, da ich nicht wusste, was ich sonst hätte sagen sollen.
„ja, das weiß ich“, sagte mark. „aber eigentlich heißt du melissa, nicht wahr?“
ich nickte und zählte die cornflakes auf dem fußboden unter vanessas platz. sie hätte die küche eigentlich direkt nach dem frühstück fegen sollen, aber das hatte sie nicht gemacht. stattdessen hat sie ihren bruder geholt um mich zu nerven. und so war bis zum abend die küche immer noch nicht gekehrt worden. wäre vanessa klüger gewesen, hätte sie mich fragen können, ob ich die küche fegen würde, wenn sie schon meinetwegen im keller schlafen musste. ich hätte das bestimmt getan. denn einen schmutzigen fußboden fand ich furchtbar und schon bei meiner mami hab ich oft den küchenboden gefegt.
„magst du lieber wenn man dich melissa nennt, oder lissi?“ fragte mark mich nun.
was bitte war das denn für eine frage? ich antwortete: „mich haben eigentlich alle immer nur lissi genannt“, was auch stimmte. auf die idee, dass jemand mich melissa nennen könnte, wäre ich nie gekommen.
„gut, dann werde auch ich dich so nennen, ja?“
ich antwortete nicht, sondern entdeckte einen weiteren knopf, der aber wohl nicht von einem hemd stammte, sondern eher von ... – verdammt! dieser knopf gehörte zu meinem t-shirt, das ich gerade anhatte. ich trug ein pinkfarbenes t-shirt mit einem lilo-und-stitch-aufdruck und am abschluss der kurzen ärmelchen waren jeweils drei kleine hellblaue lilo-und-stitch-knöpfe, von denen einer jetzt auf dem küchenboden in der nähe des kühlschranks lag. vanessa (möglicherweise auch ihr bruder) musste mir diesen knopf runtergerissen haben. diese mistkröte!
„ich habe gehört, dir gefällt es hier nicht so gut“, sagte mark nun zu mir.
na das kannst du dir aber denken, wenn die mir meinen knopf von meinem shirt runterreißt... das sagte ich natürlich nicht. stattdessen blickte ich immer noch den knopf an und nickte nur leicht.
„möchtest du an einen ort mitkommen, wo es keine anderen kinder gibt und wo du es ruhiger hast als hier?“
endlich mal eine interessante frage. „ich möchte zu tante anne!“, sagte ich.
da schaltete sich frau jakovic ein und erklärte: „du kannst im moment nicht zu deiner tante. sie ist sehr krank und liegt im krankenhaus!“
mark machte daraufhin den vorschlag: „wie wäre es, wenn wir zuerst deine tante im krankenhaus besuchen und du dann mit zu uns kommst, wo es keine kinder gibt und du ein eigenes zimmer ganz für dich allein hast?“ an frau jakovic gewandt fragte er: „meinen sie das wäre möglich?“
frau jakovic meinte dass das kein problem sein sollte und so wurde das beschlossen.
ich packte also meine wenigen habseeligkeiten und vergaß dabei auch nicht auf den knopf vor dem kühlschrank und dann fuhren wir ins krankenhaus.

diese begegnung werde ich nie vergessen und auch nicht die jahre, die darauf folgten und in denen ich das leben von einer seite kennen und schätzen lernte, die mir sonst für immer verschlossen geblieben wäre. mein pflegevater (in meiner autobiographie "mark" genannt) war der wohl außergewöhnlichste mensch, der mir je begegnet ist. ich mag mir gar nicht ausmalen, wie mein leben verlaufen wäre, wenn er und seine frau mich damals nicht als pflegekind bei sich aufgenommen hätten. fest steht: seit jener oben beschriebenen begegnung hat sich mein leben drastisch zum positiven hin verändert. "marks" tod hat mir dann zwar auch nochmal sehr zu schaffen gemacht und ich hab jahre gebraucht um mich davon zu erholen, aber das was er mir in der zwischenzeit über das leben beigebracht hat, habe ich nie vergessen und es hat mich widerstandsfähig werden lassen und mir eine stabilität im leben gegeben, die ich sonst bestimmt niemals hätte erlangen können.

und nun bin ich mal gespannt, was die anderen gugumanten hier so geantwortet haben.

liebe grüße aus californien,

lissi

DieChemikerin 
Fragesteller
 20.02.2024, 19:04

Danke für das Erzählen deiner tollen Geschichte. War echt schön zu lesen!

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Maeuschen11  21.02.2024, 20:10

Du könntest ein Buch schreiben mit dieser Geschichte :)

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Guten Morgen zusammen. Nun ja, ich suche mir mal den negativen Punkt aus.

Es gab da mal einen Vorfall in meinem Leben, der hat mich echt etwas mitgenommen. Ich komme aus dem Sauerland und vielleicht kennen manche ja diesen Fall:

https://www.wp.de/staedte/kreis-olpe/vermisster-16-jaehriger-aus-wenden-im-kreis-olpe-tot-aufgefunden-id215695685.html

Ich wohne etwas weiter weg, jedoch gab es damals vor dieser Tat ein Zeltlager. Da nahm auch der Täter dran Teil. Nachdem ich den Prozess und alles andere verfolgt hatte, drangen immer mehr Details auch zu uns hindurch (auf dem Land redet man viel und sowas ist dann immer ein Lauffeuer). Irgendwann kamen dann Gerüchte und aus denen kamen Beweise.

Es stellte sich dann wirklich heraus, dass die Person aus dem Zeltlager der Täter war. Das hat mich so schockiert, denn ICH war ja damals mit ihm in diesem Ferienlager. Ich habe auch mit dem geredet, mit ihm in Gruppen gearbeitet und saß auf der Rückfahrt sogar eine Reihe hinter ihm. Das war so unglaublich !

Und wenn man dann etwas später solch eine Meldung sieht - Heftig

L.g. Jan

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ich weiß fast alles über GF, gerne teile ich mein Wissen 🤓
DieChemikerin 
Fragesteller
 19.02.2024, 18:13
Guten Morgen zusammen

Jan, gegen 18:00 :D

Krasses Erlebnis, danke fürs Teilen!

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Einen wunderschönen guten Morgen DieChemikerin, auch an alle anderen in der Runde hier und vielen Dank für diese Frage.

Ich glaube, wenn man auf die 70 zugeht, kann man das nicht an einem Ereignis festmachen.

Ein Ereignis zog sich über einige Jahre hin. Das waren die Geburten unserer vier Enkelkinder, die heute, bis auf eins schon erwachsen sind.

Das nächste große Ereignis war, dass wir unseren Lebensmittelpunkt nach Dresden verlagert haben. Das war schon ein großer Schritt für uns, der unser Leben zu einem großen Teil veränderte.

Aber der allergrößte Einschnitt im Leben meiner Frau und mir, war mein Unfall 2022, bei dem ich mir einen Oberschenkelhals-Trümmerbruch zu sog. Das veränderte unser Leben grundsätzlich und nicht zum Besseren. Bis heute kann ich noch nicht richtig wieder gehen und brauche einen Gehstock.

So richtig gesund kann ich wohl nicht mehr werden, aber ich gebe mein Bestes, um es erträglicher und lebenswerter zu machen.

Ich wünsche allen noch einen schönen Wochenanfang und sende herzliche Grüße von Lazarius.

Birgitmarion  19.02.2024, 14:58

Mein Lieber, von Herzen wünsche ich Dir, dass es doch noch besser werden kann oder wird! GLG Birgitmarion

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Lazarius  19.02.2024, 15:42
@Birgitmarion

Liebe Freundin, das ist ganz lieb von dir. Wir werden sehen, was noch wird.

Vielen herzlichen Dank für die lieben Grüße und Wünsche. Dir wünsche ich auch noch einen schönen Tag und alles Gute, GLG, W.

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Birgitmarion  19.02.2024, 15:43
@Lazarius

Herzlichen Dank, mein Lieber!!!! Schönen restlichen Montag noch! GLG Birgitmarion

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Guten Morgen zusammen,

bei mir gab es da ebenfalls mehrere.

Zum einen, als meine Eltern plötzlich ein kleines Mädchen bei sich als Pflegekind aufgenommen haben, deren Mutter anderthalb Jahre vorher gestorben war und die in der Zwischenzeit bei Onkel und Tante gelebt hat und dort regelmäßig sexuell missbraucht worden war. Ich habe zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr zuhause gelebt, sondern 500km entfernt studiert, aber so ungefähr alle 3 oder 4 Wochen war ich übers Wochenende zuhause. Am Anfang war das arme kleine Ding so verschüchtert, dass es einen gar nicht angesehen hat, aber es war schön zu beobachten, wie sie mit der Zeit immer mehr aufgeblüht ist und zu einer fröhlichen, aufgeweckten und auch sehr cleveren Jugendlichen geworden ist.

Später dann als zuerst mein Vater und dann nur etwas mehr als ein Jahr später auch noch meine Mutter gestorben ist. Kurz vor dem Tod meiner Mutter hatte ich außerdem meinen Job verloren und bin von meiner damaligen Freundin verlassen worden. Ich war am Boden zerstört und bin dann ins Ausland gezogen. Dort habe ich dann meine große Liebe kennengelernt und bin so glücklich geworden, wie ich mir das niemals hätte vorstellen können.

Aber dann ist meine große Liebe bei der Geburt unserer Tochter gestorben und ich stand plötzlich wieder alleine da, zudem mit einem kleinen hilflosen Baby, dabei fühlte ich mich selbst plötzlich völlig hilflos und voller Trauer. Doch ich merke bald, dass ich gar nicht so allein war. Das Mädchen, das meine Eltern dereinst als Pflegekind angenommen hatten, war für mich nun wie eine richtige Schwester - sie hat mich so toll unterstützt und war für mich da - das hätte ich nie erwartet.

Und schließlich, dass ich meine jetzige Frau kennen- und lieben gelernt habe und sie sich auch in mich verliebt hat. Vor knapp 4 Monaten haben wir geheiratet und ich bin nun der glücklichste Mann der Welt, glaube ich.

Mein Fazit aus alldem ist: Das Leben hat immer Höhen und Tiefen. Wenn du gerade an einem Tiefpunkt bist, dann denk daran, dass es auch wieder aufwärts gehen wird. All die Erfahrungen sind wichtig um dich zu veredeln und zu "schleifen" (so wie ein Diamant geschliffen werden muss und einiges an Material verlieren muss um schließlich in seiner vollen Pracht glänzen und strahlen zu können).

Lazarius  19.02.2024, 11:46

Auch das ist eine sehr traurige Antwort, lieber ps1980. Ich kenne deine traurigen Erfahrungen, die du machen musstest. Um so mehr freue ich mich, dass das Leben für dich doch auch noch eine gute Seite bereit hatte. Und dein Fazit erachte ich als sehr wichtige Lebenserkenntnis.

Ich wünsche euch alles Gute und alles Glück der Welt. GLG, Lazarius.

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Birgitmarion  19.02.2024, 14:55

Das freut mich für Dich, dass sich Dein Schicksal zum Guten gewendet hat! Das hast Du auch verdient!!! GLG Birgitmarion

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WildLissi96  20.02.2024, 18:59

lieber ps, deine antwort macht mich gleich aus mehreren gründen glücklich. ich bin jedenfalls wirklich froh, dass es dir jetzt so gut geht und du so glücklich bist. hdgal

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Schönen Nachmittag, DieChemikerin, und allen anderen Lieben hier und heute!

Das erste, was mich als Erwachsene prägte, war die Ehe mit meinem ersten Mann. Er hatte in sehr wichtigen Dingen nur seine Meinung gelten lassen, und es war noch mehr, was nicht unbedingt hier nochmal erörtert werden muss.

Das zweite Prägende war der Tod meines zweiten Mannes. Darüber schrieb ich hier auch schon hin und wieder.

Es war dessen Krebserkrankung, und er ließ mich darüber im Unklaren, dass seine Krankheit bereits so weit vorangeschritten war, dass er nicht mehr lange leben durfte. Ausgerechnet er war mein Traumpartner, und wir ergänzten uns sehr gut! Als dann auch mir klar war, dass er kurz vorm Sterben stand, brach eine Welt für mich zusammen.

Das Meistern all der nach seinem Tod folgenden Aufgaben für mich zeigte mir, dass ich sehr stark geworden war!

https://www.youtube.com/watch?v=o-Xvgv92GBc

A Teenager In Love / Martin Wilde

Ich wünsche allen noch einen angenehmen Montag!

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Lexa1  19.02.2024, 15:27

Also, wenn ich so lese, was einige, du eingeschlossen, so durchmachen mussten, dann war ich ja mit meinem Herzinfarkt noch relativ "gut" bedient. Mir geht es ja, dank guter ärztlicher Hilfe, wieder ganz zufriedenstellend. Fast ohne Einschränkungen. Allen eine angenehme Woche.

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Birgitmarion  19.02.2024, 15:31
@Lexa1

Gesundheitlich habe auch ich so einiges hinter mir! Unnötige OP´s, die ich noch nie hier erwähnt habe. Aber ein Herzinfarkt ist doch was Furchtbares!!!!

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WildLissi96  20.02.2024, 18:55

cooler song, da bekomm ich direkt gute laune (wobei ich die eh schon hatte... aber jetzt ist sie noch besser). danke - auch für deine interessante antwort.

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