Warum sprechen hauptsächlich ältere Menschen Dialekt?

3 Antworten

Bei uns wird z.B schon seit vielen Jahrzehnten kaum noch Platt gesprochen. Die Generation meiner Eltern (so rund um die 50er geboren) bekam in der Schule Prügel wenn sie nicht Hochdeutsch sprachen, Platt zu sprechen galt als dumm und primitiv, kein gebildeter Mensch würde reden wie ein Bauer. Das ging schon in den 1920ern los udn selbst wir in den 80er / 90er Jahren bekamen noch einen Abriss, wenn wir mal ein paar Worte Platt in der Schule sprachen.
Kurzzeitig gabs mal eine Platt AG aber die wurde nach nur einem Halbjahr eingestellt obwohl sie sehr gut besucht war weil sie als unnötig und sogar schädlich eingestuft wurde :(

Inzwischen ist kaum noch eine Person übrig, die wirklich Platt sprechen kann. Ich verstehe es größtenteils und kenne auch ein paar Worte aber nicht mehr als ich z.B. im Urlaub an Niederländisch aufgeschnappt hab (was sehr viel mit Platt gemein hat). Da es keinen gibt, der es unterrichten kann gibts auch keine jungen Leute mehr, die es lernen können.

Das ist fast überall so. Auch in Schweden sind die Dialekte auf dem Rückzug, was natürlich bedauerlich ist. Dennoch gibt es an verschiedenen Stellen Versuche, Dialekte zu erhalten und sie den Kindern auch zu vermitteln. An einer Schule wird noch Älvdalisch unterrichtet (eine Sprache, die dem Norwegischen und Schwedischen ähnelt, aber dennoch deutlich anders ist).

Bei uns hört man Schwäbisch fast nur noch in ländlichen Gegenden (südlich von Stuttgart), in der Stadt Stuttgart selbst wird nur noch eine Art "Schwäbisch light" gesprochen. Auch hört man das "beste" Schwäbisch bei älteren Menschen.

Dialekte sind auch deshalb rückläufig, weil die Menschen sehr mobil sind und oft umziehen. Viele wohnen gar nicht mehr dort, wo sie geboren sind. Und daher ist es auch praktischer, einfach Hochdeutsch zu sprechen, wenn man den ursprünglichen Heimatdialekt am neuen Wohnort gar nicht verstehen würde.

Ich bin nicht in Schwaben geboren, wohne aber dort. Aber es macht keinen Sinn, meinen (nordsaarländischen) Dialekt hier anzuwenden, da dies hier niemand spricht/versteht. Folglich spreche ich nun auch eher Hochdeutsch oder eben "Schwäbisch light".

Früher sind die Menschen oft noch dort geblieben, wo sie geboren wurden und sind nicht weit weg gezogen. Und bei meinen alten Schulkollegen im Saarland hört man den Dialekt noch sehr gut. Und meine Oma sprach noch ein sehr ausgeprägtes Moselfränkisch (z.B. mit dem Wort "sier", was luxemburgisch "séier" entspricht). Die allermeisten Leute in Deutschland können aber mit sier (= schnell) nichts anfangen.

Dabei sind Dialekte nicht nur sympathisch, sondern auch sehr spannend, da sie viel über die Geschichte der Region aussagen. Saarländische Dialekte haben nicht nur Wörter, die dem Französischen ähneln, sondern auch gemeinsame Wortstämme mit englischen Wörtern ("to look" und "knife" finden sich wieder in Wörtern wie luu! (schau!) oder Kneipschi (kleines Messer)).

Jüngere Menschen reden zwar viel von Diversität, wollen sie aber im Alltagsleben offenbar nicht so sehr.

Besonders in Deutschland sind viele sogar stolz darauf, keinen Dialekt zu verstehen und reden sich ein, "nur akzentfreies, reines Hochdeutsch" zu sprechen. Der seltsame Fall, dass man darauf stolz ist, etwas nicht zu können. Ein bisschen sind sie aber auch nicht selber schuld: im deutschen Kinderfernsehen etwa müssen alle stets den nordwestdeutschen Einheitsdialekt sprechen, der in Deutschland als Hochdeutsch gilt. Selbst in Kinderfilmen, die z.B. in Tirol spielen, reden alle Schauspieler, als würden sie in Kassel oder Bremen wohnen. Da ist dann Dialekt natürlich etwas, was als fremd oder falsch empfunden wird.

Andererseits: viele Dinge ändert sich hin und her. Was heute "out" ist, kann morgen schon wieder "in" sein.


OlliBjoern  28.09.2024, 15:36

Das stimmt.

Wenn der Tatort aus Saarbrücken im Fernsehen kommt, wundere ich mich immer darüber, dass dann Hochdeutsch gesprochen wird. Allerdings spricht man dort Dialekt (ich habe recht lange dort in der Nähe gewohnt).

Wahrscheinlich will man einfach, dass es alle verstehen, was gesagt wird.

jo135  28.09.2024, 15:49
@OlliBjoern
Wahrscheinlich will man einfach, dass es alle verstehen, was gesagt wird.

Ja, aber damit hält man die Zuseher für Idioten. Zum einen muss man ja nicht gleich den allertiefsten Dialekt im Fernsehen bringen - es gibt immer Abstufungen. Zum anderen waren Menschen im deutschen Sprachraum jahrhundertelang fähig, sich untereinander zu verständigen. Eben wenn man gewohnt ist, verschiedene Varianten der Sprache zu hören, versteht man diese auch ohne große Mühe. Reine Übungssache.

Im englischen Sprachraum laufen weltweit höchst populäre Serien und Filme mit sehr starken regionalen Akzenten oder Dialekten (z.B. Peaky Blinders, um ein relativ junges Beispiel zu nennen). Die US-Südstaatler reden in Filmen mit dickem "drawl", die Schotten sprechen auch kein Queen's English (auch "Trainspotting" war ein Welthit). Überhaupt kein Problem, für schwierige Passagen gibt's halt Untertitel.

Nur im deutschen Schrebergarten-Kulturbetrieb müssen alle gleichgeschaltet auf "Medien-Nordwestdeutsch" sein, sonst versteht niemand was...grotesk.