Warum sind die kontinental-Keltischen Sprachen fast zu 100% verschwunden?
Angeblich waren Iberien und ein grosser Teil West- und Mitteleuropas einst von Kelten bevölkert. Allerdings sind weder in den Vulgär-Lateinischen Sprachen, noch in den germanischen Sprachen grössere Einflüsse der keltischen Sprache festzustellen. Bis auf ein paar Ortsnamen, sehr seltene Wortstämme aus dem keltischen und der Bretonischen Sprache ist alles verschwunden... Bei der Suebischen-Allemanischen Landnahme dominierte die germanische Sprache absolut, die Franken passten sich zwar der Sprache in ihrem Machtbereich an, allerdings war da schon vom keltischen kaum noch etwas übrig und auch im heutigen Spanien und Portugal haben sich die Lateinischen Sprachen durchgesetzt. Die Bevölkerung an sich blieb ja keltisch geprägt, einfach unter der Römischen Herrschaft. Warum haben sie dann ihre Sprache aufgegeben?
Vielen Dank für eure Antworten!
5 Antworten
Aus meinem Romanistik-Studium habe ich noch etwas mehr europäische Sprachen keltischen Ursprungs in Erinnerung, so z.B. außer dem Bretonischen das Walisische (Wales) und das Cornish (Cornwall); beim Schottischen bin ich mir nicht ganz sicher.
Außerdem hatten sich keltische Stämme bis in die Türkei ausgebreitet und sollen dort für den sehr häufig vorkommenden 'ü'-Laut verantwortlich sein.
Sprachliche Relikte des Alemannischen sind meines Wissens auch Ortsnamen auf -ingen und davon abgeleitet Familiennamen auf -ner = inger, also jemand, der aus einem Ort auf -ingen stammt (z.B. Mössner aus Mössingen).
Zu den Gründen, weshalb eine Sprache nicht mehr praktiziert wird und untergeht, könnte die Theorie hinter der Superstratwirkung beitragen.
Zitat: "Der Begriff – 1932 von Walther von Wartburg entwickelt – bezeichnet eine Sprache oder Varietät, die sich anfänglich (noch) aus machtpolitischen Gründen über eine „eroberte“ Sprache legt, später jedoch von den Eroberern fallen gelassen respektive aufgegeben wird. Diese (Eroberer) gehen ethnisch und sprachlich in den Einheimischen auf, wobei sie alte Sprachgewohnheiten beibehalten. Spuren der Sprache der Eroberer bleiben deshalb auch nach deren Sprachwechsel erhalten und werden mit der Zeit auch von den Eroberten übernommen." (Zitat Ende) aus de.wikipedia.org/wiki/Superstrat_(Linguistik).
Bei meiner seinerzeitigen Beschäftigung mit diesem Thema am Beispiel des Fränkischen in der Gallo-Romania kam zum Vorschein, dass das Fränkische als solches zwar nicht mehr existiert, es aber in strukturellen grammatikalischen Relikten im Französischen und Spanischen noch erhalten ist und sich nachweisen lässt (z.B. im Verschwinden der Dreistufigkeit der Demonstrativa vom Vulgärlatein zum Französischen, wo man annimmt, dass die Zweistufigkeit dem Einfluss des Fränkischen geschuldet ist - im Spanischen ist die Dreistufigkeit erhalten. (Um genauer zu werden, müsste ich meine Proseminar-Arbeit von 1987 raussuchen ;).
Gründe können die zahlenmäßige Dominanz der Vulgärlatein-Sprecher oder auch einfach nur stärkere politische und kulturelle Impulse, Zuwanderung etc. sein, die über Generationen die mündliche Überlieferung 'schwächeln' ließ.
Und dann darf man pragmatische Gründe nicht unterschätzen: ohne Schriftsprache ist es einfach unheimlich schwer, eine ausschließlich mündlich tradierte Kultur über lange Zeit aufrechtzuerhalten (da hätte man eine Frühform der Brüder Grimm gebraucht- apropos: es gibt doch keltische Märchen - damit sind - wenn schon nicht die Sprache - dann aber wenigstens ein paar Inhalte überliefert).
Möglicherweise wird es im Deutschen irgendwann ebenso gehen, wenn Anglizismen weiter so dermaßen ungebremst und raumgreifend verwendet werden. Wobei dann die Frage offen ist, welche das Superstrat bilden würde (kleiner linguistischer Scherz - ich will jetzt nicht politisch werden ;)).
Vielleicht konnte ich dich etwas trösten: so ganz ist das Keltische nicht verschwunden: bei jedem ü-Laut aus türkischsprachigem Mund darfst du dich freuen!
Naja, alles eine Frage des Zeitrahmens ;)
Hier ist von einem keltischen Wort die Rede: "Damit ist die alemannische Kultur aus der Verschmelzung von nordischen und südländischen Einflüssen entstanden. So spielt der Wein, ein kulturelles Erbe der mediterranen Welt, im der alemannischen Brauchtum eine grosse Rolle. Manche Traditionen, wie der Kuhreihen und der Alpsegen, magische Gesänge zum Schutz des Viehs, die erst in der Neuzeit ein christliches Gewand erhielten, verraten ihren Ursprung durch das keltische Wort Loba (Kuh)." (aus www.asatru.ch/geschichte)
Die Frage könnte eher lauten, warum die keltische Sprache ausgerechnet in Teilen Irlands und Schottlands überlebt hat. Es muss heute davon ausgegangen werden, dass die Kelten der britischen Inseln keine ethnischen Kelten waren, also nur die Sprache von den Festlandskelten übernommen haben. Es zeigt sich wohl eine genetische Verbindung zwischen den Inselkelten und der Region um Galizien. Aber die wirklichen, ethnischen Kelten sind Mitteleuropäer.
Das Sterben und Überleben von Sprachen ist ein ständiger Prozess.
Heute nehmen wir in Deutschland zur Kenntnis, dass immer mehr lokale Mundarten und Dialekte aussterben. Einfach, weil die Mehrheit der Bevölkerung Hochdeutsch spricht. Das Fernsehen Hochdeutsch spricht. Die Zeitungen auf Hochdeutsch berichten. Die Masse ihrer Sprecher erhöht also klar die Wahrscheinlichkeit, dass eine Sprache nicht ausstirbt.
Es geht aber nicht nur um die reine Masse, sondern auch um kulturelle Überlegenheit. So wird in Rumänien heute ein Ableger des Lateinischen gesprochen, obwohl die Römer nur grob 30 Jahre im Land gewesen sind, als Minderheit, aber mit starker kultureller Überlegenheit.
Die frühen Kelten hatten wohl selbst einen hohen kulturellen und wirtschaftlichen Wert, da sich ihre Sprache quasi auf einen Raum von Anatolien bis hin zu den britischen Inseln ausdehnte.
Mit dem römischen Reich erhielt aber überall das Lateinische Einzug; in Ostrom das Griechische. Das waren die Amts- und Handelssprachen. Und weil überall viele verschiedene Volksgruppen unterwegs waren (etwa eingewanderte oder eingelassene Germanenstämme, römische Soldaten aus den unterschiedlichsten Provinzen oder eben die ungezählten schon vorher vorhandenen Völker) war es logisch, dass diese bunten Bevölkerungen miteinander auf Lateinisch oder Griechisch kommunizieren mussten. Denn die hatten alle unterschiedliche Muttersprachen, aber als gemeinsamen Nenner eben die Zweitsprache Latein oder Griechisch.
Im nichtrömischen mitteleuropäischen Raum wurden die Sprecher keltischer Sprachen wohl einfach von der Masse der einwandernden Germanen "erdrückt". Vielleicht auch einfach erschlagen, man weiß ja nie.^^
Daher haben keltische Sprachreste nur in recht unzugänglichen Regionen überlebt. Vorerst...
Aber das keltische wurde ja gebraucht. Was ich nicht verstehe ist, wie eine ganze Ethnie einfach ihre Sprache verlieren kann...
Wie erwähnt: Der keltische Sprachraum dürfte größer gewesen sein als der Raum der "keltischen Ethnie". Wahrscheinlich war die keltische Sprache damals auch schon sehr unterschiedlich, weil sie sich ja mit den vorgefundenen Sprachen verbunden hat. So wie heute etwa Chinesen mit Italienern auf Englisch sprechen. Wobei sich das eine englisch etwas italienisch, das andere etwas chinesisch anhört. Und der Engländer vom Zuhören wahrscheinlich Gänsehaut bekommt.
Selbst wenn die alle ein einziges, reines Keltisch gesprochen hätten: Räumlich voneinander getrennte Sprachen entwickeln sich auseinander. So wie sich das Latein nachher in Sprachen von Portugiesisch über Französisch bin Rumänisch entwickelt hat.
Erst eroberten die Römer Kontinenataleuropa, und dann überrannten die Germanen alles nocheinmal. Die Römer begnügten sich zwar die Keltische Oberschicht (insbes. die Druiden) zu beseitigen, wodurch sich bis ins 2. Jahrundert eine keltoromanische Mischbevölkerung etablierte, in der sich wahrscheinlich auch noch die keltischen Sprachen zumindest in Teilen erhalten konnten (heutige Fluss und Ortsnamen sin ein Hinweis hierauf). Doch dies dürfte sich mit den Germaneneinfällen und spätestens mit der erneuten Eroberungszügen durch die Franken erledigt haben.
Erleichtert wurde das Verschwinden wohl auch dadurch, dass die Kelten so gut wie keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben. Es gibt zwar einige Funde, wie eine Tonscherbe in Manching in der das Wort "BOIOS" eingeritzt wurde, welches auf eine immer noch vorhandene Restbevölkerung der keltischen Bojern (neben Vindeliker und Rätern) im heutigen Bayern während der Römerzeit deutet, aber recht viel mehr schriftliches Spracherbe gibt es nicht. Ob bei den Bajuwaren (welche wohl aus der Vermischung von eingewanderten Markomannen mit der Keltoromanischen Restbevölkerung entstanden) bei ihrer Stammesbildung im 5. Jahrhundert noch aus dem keltischen stammende Begriffe (ausser geographischen) kannten, weiss kein Mensch.
Erst eroberten die Römer Kontinenataleuropa
Nicht ganz. Im Norden der heutigen Bretagne leistete ein kleines Dorf Widerstand.
Vielleicht lag es daran, dass die keltischen Sprachen lange Zeit nicht in schriftlicher Form existierten,
dass LATEIN sich als "lingua franca" durchsetzte,
und dass die Kelten sich nach und nach mit der germanischen Mehrheit in Mitteleuropa vermischten.
Danke für deine Antwort.
Die Existenz und Nutzung einer Sprache ist aber unabhängig von der Schriftsprache.
Der älteste Deutsche Text stammt auch erst aus dem achten Jhr. n. Chr.
Hmm, warum? Die grosse Masse der europäischen Schriften aus der Zeit der Völkerwanderung bzw. Frühmittelalter wurden auf lateinisch verfasst. Trotzdem ist Lateinisch heute eine tote Sprache.
Die Schrift hat zu ihrem Erhalt beigetragen, nicht aber zu ihrer Verbreitung.
Während die Germanischen Sprachen zu dieser Zeit fast nie zum Schreiben genutzt wurden, dominierten sie doch weite Teile Europas.
ok, aber mit dem heutigen Deutsch hat diese alte dt. Sprache auch nicht mehr viel zu tun. Gib mir so einen Text zu lesen und ich würde mir vermutlich den Kopf kratzen. Und wenn ich einer so anreden würde, würde ich vermutlich "Hä? sagen und denken: dessen Holländisch klingt aber komisch."
Lateinisch eine tote Sprache? Dass ich nicht lache!
Sie hat kulturell große Bedeutung: Als Lingua Franca, wenn es darum geht, Fakten auf einen (abstrakten) Nenner zu bringen, und unter ausreichend 'Gebildeten', um sich auf ihrer Ebene mit einem gewissen Spaßfaktor zu verständigen - und es gibt sogar Stadtführungen komplett auf Lateinisch; http://tuebingen-info.de/gruppen/themenfuehrungen/eine-schwaebische-verbindung-jakobsweg-lateinisch.html.
So kann diese Sprache auch international eingesetzt werden (habe ich schon erlebt) wenn andere Sprachkenntnisse nicht vorhanden sind und das Gegenüber Latein kann.
Für die Lateinführung in Tübingen wird als Fremdsprachenzuschlag 10,- € berechnet! (also dafür täte ichs nicht!)
Die Gesetze der Evolution gelten auch für Sprachen. Was nicht gebraucht wird, stirbt aus.
Danke für deine Antwort!
Aber das keltische wurde ja gebraucht. Was ich nicht verstehe ist, wie eine ganze Ethnie einfach ihre Sprache verlieren kann...
Ähnliches ist in der Geschichte immer wieder mal vorgekommen:
- Das Sumerische ist tot.
- In Ägypten sprechen nur noch die Kopten einen Dialekt des Ägyptischen.
- Durch Verbot verloren die afroamerikanischen Sklaven ihre heimischen Sprachen.
Danke für deine ausführliche Antwort!
Aber bei einigen Punkten kann ich dir nicht zustimmen:
Walisisch/Cornisch/Schottisch Gälisch sind Inselkeltische Sprachen. Meine Frage zielt auf die Festlandkeltischen ab.
Das Allemanisch ist mitnichten keltischen Ursprungs und auch nicht verschwunden - so wird das heutige Schweizerdeutsch in Nieder-/ Hoch-/ und Höchstallemanisch eingeteilt.