Unsicherheiten bei der Übersetzung (Zeiten und Ablativus absolutus)?
Hat jemand Lust, meine Übersetzung zu überprüfen? Ich komme mit den Zeiten nicht so recht klar. In der wörtlichen Rede soll doch der Perfekt als Perfekt übersetzt werden und nicht im Präteritum. Irgendwie klingt das aber komisch. Und dann kommt plötzlich der Präsens daher. Der Präsens dient zur Steigerung der dargestellten Ereignisse, glaube ich gehört zu haben. Aber wie bringe ich das ins Deutsche? Oder ist das im Deutschen egal? Und dann tappe ich mit dem Ablativus absolutus noch im Halbdusteren.
„Consilium cepi vere vel aestate Italiam petere Romamque liberare.
Ich fasste den Beschluss, im Frühling oder Sommer Italien aufzusuchen und Rom zu befreien.
Itaque milites conscripsi, vere ineunte Alpes transii, multa oppida Italiae cepi.
Deshalb rekrutierte ich Soldaten, überquerte zu Frühlingsanfang die Alpen und eroberte viele Städte Italiens.
Aestate exeunte iam ante moenia Romae castra collocavi.
Zu Ende des Sommers schon schlug ich vor den Mauern Roms die Lager auf.
Statim pericula novi: Urbs bene tecta erat.
Sofort gab es neue Gefahren: Die Stadt war gut geschützt/verteidigt.
Multis militibus urbem defendentibus Maxentius pugnam non metuebat.
Weil viele Soldaten die Stadt verteidigten, fürchtete Maxentius den Kampf nicht.
Magna fiducia sui proelium iniit.
Mit großem Selbstvertrauen ging er in die Schlacht.
Sed subito fortuna belli omnino conversa est:
Aber plötzlich wurde das Kriegsglück gänzlich verändert.
Quodam die e tabernaculo exeo. Et ecce:
An einem gewissen Tag ging ich aus dem Zelt. Und siehe:
Conspicio in caelo et signum crucis et haec verba: Hoc signo vinces.
Ich erblickte am Himmel ein Kreuzzeichen und hörte diese Worte: In diesem Zeichen wirst du siegen.
Statim copias convocari iussi. Sofort befahl ich, die Truppen zusammenzurufen.
Copiis convocatis militibus imperavi, ut scuta signo crucis ornarent.
Ich befahl den versammelten Soldaten, dass sie ihre Schilder mit einem Kreuzzeichen schmücken sollen.
Omnes paruerunt. Scutis ornatis proelium iniimus.
Alle gehorchten. Wir gingen mit den geschmückten Schildern in die Schlacht.
Proelio inito hostes procedunt summaque vi pugnant.
Als die Schlacht begann, rückten die Feinde vor und kämpften mit höchster Kraft.
Sed nostri eis viam claudunt pontemque Milvium delent.
Aber die Unsrigen verschlossen deren Straße und zerstörten die Milvische Brücke.
Ponte autem delero hostes fugere non iam possunt.
Wenn ich aber die Brücke zerstört haben werde, können die Feinde nicht mehr fliehen.
Multi in Tiberim ruunt, inter eos etiam iste Maxentius.
Viele stürzten in den Tiber, unter ihnen auch dieser Maxentius.
Bello tandem confecto Romam intravi. Als der Krieg beendet war, betrat ich Rom.
Noch ne Frage: Kann ich eigentlich so lange Texte hier reinstellen oder soll man nur einzelne Sätze, die nicht klar sind, bringen?
Danke im voraus
lumbricus
3 Antworten
castra ist nur ein Lager. Man nennt so etwas plurale tantum.
Statim pericula novi: kommt von noscere = erkennen; ich habe erkannt
Magna fiducia sui proelium iniit; wenn du sui mit übersetzen willst, musst du eine Ausweichkonstruktion benutzen, z.B. seinerseits
Conspicio in caelo - ist eigentlich Präsens (erzählendes Präsens)
Statim copias convocari iussi. - eigentlich AcI Passiv, wird aber vielleicht auch so anerkannt, formell: ich habe befohlen, dass die Truppen zusammengerufen wurden
Scutis ornatis proelium iniimus. - nachdem die Schilde geschmückt worden waren, ...
Ponte autem delero -eher deleto, - nachdem die Brücke zerstört worden war, ...
tandem - hier: endlich
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Ich hoffe, ich habe alle erwischt.
Du kannst auch längere Texte einstellen, vor allem wenn du eine Übersetzung mitlieferst. Das machst du vorbildlich.
Falls es jemand zuviel wird, übersetzt er eben nur einen Teil;
und wenn wir meinen würden, du übertreibst ein bisschen, dann sagen wir das schon. Keine Bange.
sui bei fiducia ist ein Genitivus objectivus, aber reflexiv,
bezieht sich also zurück auf das Subjekt. Das bekommst du im Deutschen nicht wörtlich hin, daher mein Vorschlag.
Wenn der Text einen anderen Kasus zeigt (suo, suum, ...), muss man die Übersetzung anpassen.
Ja, danke. Wenn also z.B. fiducia sua steht, bedeutet übersetzt „ihr Vertrauen“ und nicht „Selbstvertrauen. Ich seh schon, ich muss mich mit den verschiedenen Kasus-Anwendungen anfreunden, füllen immerhin 32 Seiten meines Grammatikbuchs. :-(
Moin,
das ist doch im Großen und Ganzen eine sehr gelungene Übersetzung. Ein paar Kleinigkeiten:
1) Pericula novi = Ich habe Gefahren erkannt.
2) schmücken sollten (Gleichzeitigkeit des Konj. Imperfekt)
3) Als die Schlacht begonnen hatte, rückten die Feinde vor und kämpften mit höchster Kraft.
4) Aber die Unsrigen verschlossen diesen / zu ihrem Nachteil (Dat. incommodi) die Straße und zerstörten die Milvische Brücke.
5) Bei zerstörter Brücke können die Feinde nicht mehr fliehen. (Da ist ein Tippfehler im Lat. Text: Das muss "deleto" und nicht "delero" heißen. :) )
6) Tandem hast du vergessen.
7) "Hörte" steht da nicht. Et...et = Sowohl ... als auch. Aber das macht kaum einen Unterschied.
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Es gibt hier einige Tempuswechsel, da an einigen Stellen plötzlich (und "unsinnig") Präsens steht: Das ist das sogenannte "Historische Präsens".
Das gibt es im Deutschen auch. Und zwar immer dann, wenn es dramatisch wird:
"Ich fuhr gestern auf der Ladstraße, als plötzlich ein Reh vor mein Auto springt!"
Im Deutschen wie im Lateinischen benutzt man das historische Präsens, wenn die Ereignisse besonders dramatisch werden. Im Deutschen ist es allerdings sehr selten, im Lateinischen dagegen recht häufig.
Wie übersetzt man das historische Präsens?
5%) Wenn es dir die Stelle so dramatisch scheint, dass du auch im Deutschen ein historisches Präsens verwenden würdest, darfst du auch im Deutschen mit Präsens übersetzen.
95%) Ich möchte aber meinen, dass in 95% der Fälle das "Deutsche Ohr" soviel Dramatik nicht gewohnt ist. D.h., wenn du ganz normal mit Vergangenheit übersetzt, ist das besser. Das hast du schon an - ich glaube allen - Stellen des Textes sehr gut gemacht. Wenn du möchtest, kannst du immer durch den Einbau von "plötzlich" oder "unerwartet" ein bisschen Dramatik in deiner Übersetzung andeuten.
Beim AblAbs (wie proelio inito) im hist. Präsens musst du dann aber trotzdem an das Zeitverhältnis denken: Wenn du im Deutschen Vergangenheit wählst, musst du für den vorzeitigen AblAbs im Deutschen auch Plusquamperfekt nehmen.
Ich hoffe, ich konnte dir helfen. Wenn noch Fragen offen sind, melde dich gerne!
LG
MCX
PS: In einigen Fällen hast du dich um den AblAbs gedrückt. <copiis convocatis> <scutis ornnatis> Kann man machen.
Danke. Bin ganz begeistert von Erklärungen, die im Kopf einen Klick nach dem andern auslösen. :-) :-) :-)
Wegen des Präsens hab ich vorhin gegoogelt und fand diesen Artikel aus der ZEIT:
https://www.zeit.de/2009/19/Glosse-Literatur Da wird ein Absatz aus dem Schloß-Roman von Kafka im Präsens dargestellt. Klingt furchtbar, irritiert einfach. Danke für den Tipp, dass man auch "plötzlich" oder "unerwartet" einbauen könnte.
PS: ficudia sui = mit Selbstvertrauen
... ist völlig richtig. Sui ist ein Genitivus Objektivus: Auf wen richtet sich sein Vertrauen? => Auf sich selbst.
Den Ablativ "magna fiducia" hast du schon richtig erklärt.
Eine Frage noch zu dem Satz " Sed nostri eis viam claudunt pontemque Milvium delent.":
Aber die Unsrigen verschlossen ihnen die Straße ....
Ja doch, ich hab's kapiert.
"copiis convocatis" könnte man übersetzen mit "Darauf befahl ich den versammelten Soldaten, dass sie die Schilde mit einem Kreuzzeichen schmücken (sollen)." Wäre "sollen" ok?
"scutis ornatis" Nachdem wir die Schilde geschmückt hatten, zogen wir in die Schlacht.
Puh, war Schwerarbeit heute, aber ich glaube, es hat sich gelohnt.
Einen Gruß vom lumbricus
Moin,
ja, mit "sollen" ist nicht nur ok, sondern sogar sehr schön!
Ich habe gerade gemerkt, dass in diesem Satz auch noch "militibus" steht. Das hatte ich irgendwie übersehen. Dann muss(!) es doch als AblAbs übersetzt werden, denn sonst hast du "copiis" nicht mit drin:
Nachdem die Truppen zusammengerufen worden waren, befahl ich den Soldaten, dass...
Vielleicht interessiert die geschätzten Lateinnachhilfelehrer diese kleine Geschichte:
Die Familie meines Vaters stammt aus einer Gegend im heutigen Tschechien. Dort gab es ein kleines Dorf, das hieß in den Nachbarorten nur "das lateinische Dorf". Das kam so: Die wohlhabenderen Bauern schickten ihren jeweils erstgeborenen Sohn ins Gymnasium. Nicht weil diese Jungen etwas Besseres werden sollten als Bauern; denn die Erstgeborenen waren ja die Hoferben. Und so gab es dann Bauern, die, wenn sie einander auf dem Pferdefuhrwerk begegneten, sich mit "Salve!" grüßten. Und was sie einander sonst noch mitteilten, war auch lateinisch. Sie hatten auch im Wirtshaus ihren Stammtisch, an dem sie sich jede Woche trafen und sich dabei ausschließlich lateinisch unterhielten.
Wenn man sich das bildlich vorstellt - ob die Pferde wohl auch Latein abgekriegt haben? Ich finds einfach toll. :-)
@Volens und Miraculix
Dass man eine Antwort als die hilfreichste kennzeichnen soll, find ich ätzend; denn manchmal waren zwei oder drei Antworten gleichermaßen hilfreich. Und damit bin ich in einem Konflikt, weil ich froh bin um diese Antworten. Außerdem find ich es komisch, dass so ein Anfänger wie ich die Könner bewerten soll. Wenn schon bewerten, dann würde ich lieber jene Antworten bewerten, die mir nichts oder nur wenig brachten.
Ich grübel seit gestern darüber nach, was ich tun möchte/sollte/müsste/könnte. Eine Münze werfen hilft auch nichts, weil das blöde Gefühl, durch die Bewertung unfair zu sein, trotzdem bleibt.
Also, was meint Ihr? Kann ich die Bewertung in solchen Fällen einfach weglassen oder soll ich trotzdem bewerten? In letzterem Fall wünschte ich mir, dass derjenige, an den ich nicht den Hilfreichsten-Punkt vergeben habe, mir trotzdem geneigt bliebe und mir seine weitere Unterstützung zukommen lassen möge. :-)
Eine schöne Woche wünscht
lumbricus
"Magna fiducia sui proelium iniit; wenn du sui mit übersetzen willst, musst du eine Ausweichkonstruktion benutzen, z.B. seinerseits"
Vielen Dank für deine Erklärung. Hab schon gemerkt, dass ich die Endungen genauer anschauen muss.
fiducia sui = Selbstvertrauen. sui gehört einfach zu fiducia und wird nie dekliniert, heißt immer sui?
Ich hab jetzt endlich ein Grammatikbuch und da fand ich jede Menge Ablative. Muss man die eigentlich alle im Kopf haben? Jedenfalls würde hier der Ablativ der Art und Weise passen. Wie ging er in die Schlacht? Voll großem Selbstvertrauen.
Fragen haben und Hilfe kriegen können macht richtig Spaß. :-) Da kommt man nicht mehr ins Schwimmen und motiviert sehr.