Interessante Frage. Wer sind wir denn eigentlich?
Ich bin mal am Bettchen meiner kleinen Tochter gesessen und hab ihr beim Schlafen zugeschaut. Für mich war es wie ein Wunder. Noch vor einem Jahr gab es sie nicht, und jetzt ist sie einfach da. Gut, jeder weiß ja technisch gesehen, wie Kinder entstehen. Aber trotzdem, es erklärt nicht, wieso dieses Neue, das da entstanden ist, mich anschaut und anlächelt, wieso es seine Ärmchen nach mir ausstreckt. Die wissenschaftliche Beschreibung erfasst es nicht. Es ist Bewusstsein, es ist Leben.
Ich beschreib jetzt mal meinen Gedankengang, den ich damals hatte:
"Gut, wir haben ihr einen Namen gegeben, Vornamen und Familienname, sie ist registriert bei der Krankenkasse, auf der Gemeinde, sie hat eine Adresse, eine Staatsangehörigkeit - aber das ist alles von außen her drangehängt worden. Aber wer ist sie selbst???"
Und da merkte ich, dass ich genau so wenig weiß, wer ich im Grunde genommen bin.
Ich lief die Treppe hinunter zum großen Spiegel, der im Hausgang hing, ging nahe dran und schaute mir in die Augen. Da war es wieder. Name, Steuernummer, Schulbildung, Postadresse usw., alles wurde draufgepappt, aber wer oder was ist das, das mich da aus dem Spiegel anschaut? Da fing ich an mich zu gruseln.
Ich checkte plötzlich, aus dem Spiegel, aus meinen Augen, da schaut mich das Leben selbst an. Das ist namenlos. Und bewusst.
Mir ging es weiterhin sogar mit der Katze so. Wenn ich auf dem Sofa lag, dann machte sie es sich gern auf meinen Beinen bequem. Saß da und schaute mich an. Sowas können nur Katzen, einem ganz lange in die Augen schauen ohne zu blinzeln oder wegzusehen. Es war dasselbe Leben. Es schaut aus allen Augen raus. Es ist dasselbe Leben, fühlte ich.
Everything in the universe is genetically cousin to everything else.
There is literally one family, one bonding, in the universe,
because everything is descended from the same source.
Thomas Berry
Vielleicht kommt dieses Zitat von Thomas Berry dem ein wenig nahe?
Um auf die Frage einzugehen: Anscheinend ist das Leben ein ganzes und man kann es nicht in einzelne Stückchen aufteilen. Das sieht nur scheinbar so aus.
Wenn ich also nicht von meiner Mutter geboren worden wäre, sondern von einer anderen, wäre ich immer noch ich, hätte nur ein anderes Aussehen.
Das Leben schaut aus allen Augen raus, und mit jeder Stimme ruft es "Ich".