Traumatisiertes Pferd?

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Wie bei traumatisierten Menschen auch - manches kann man helfen, bei anderen schlägt jede Therapie fehl. Kontraproduktiv sind auf jeden Fall dilettantische Versuche , und es ist immer schlecht, wenn unterschiedliche Leute an einem solchen Pferd herumpfuschen.

es kommt drauf an, wie schwer die Traumen sind. Auf jedenfall braucht es vermutlich extrem fachkundige Trainer.

Meine RL, LK2 Dressurreiterin, besitzt ein traumatisiertes Pferd. Es ist ein hochklassiger Wallach mit einer Traumdressurabstammung und hochveranlagt. Ein eigentlich sehr wertvolles Pferd, das sie sich niemals hätte leisten können. Leider wollte man ihn zu einem zweiten Totilas machen, und das ist gründlich schief gegangen. Er war unreitbar, als sie ihn kennenlernte. Sie konnte das Pferd praktisch zum Schlachtpreis kaufen, weil keiner mit dem Pferd mehr was anfangen konnte.

Sie hat ihn jetzt sechs oder sieben Jahre. Korrigiert? Jein... Sie hat ihn bis M ausgebildet, und er hat auch schon M Siege geschafft. ABER wenn sie mit ihm aufs Turnier fuhr, wusste sie niemals, ob sie auch starten konnte. Ein falsches Wort zu dem Pferd, und er machte über Wochen dicht, so dass er nicht mal eine E-Dressur geschafft hätte. Nicht selten fuhr sie gleich wieder mit ihm nach Hause.
Dann nach Jahren der guten Behandlung und Korrektur hatte sie ihn so weit, dass er recht zuverlässig war. Leider fuhr sie dann vier Wochen in urlaub und hat das Pferd zu ihrem eigenen Trainer gebracht mit der Maßgabe, dass er dort nur etwas ausgeritten werden sollte.

Immerhin war ihr eigener Trainer - sie hat sich von ihm getrennt - in internationaler Dressurreiter, kein Rollkurer! Als sie wiederkam, fand sie ein Wrack vor. Es stellte sich heraus, dass man eben doch nicht nur Tata geritten war, sondern versucht hatte, dieses eigentlich hochbegabte Pferd, weiter zu fördern. In seinem Fall: Galoppirouette mit ihm zu üben. Und das war gründlichst schief gegangen. Das Pferd war retraumatisiert.

Er steht jetzt zur Erholung seit zwei Jahren 24/7 auf der Weide. Auf Turnieren wird sie ihn nie wieder reiten können. Und um ihn als Tata-Pferd auszureiten, fehlt ihr die Zeit.

Traurig. Naja, als Nicht-mehr Reitpferd geht es ihm gut.

Ich würde nie wissentlich ein Traumatisiertes Pferd kaufen. Das ist verdammt gefährlich und du weißt niemals wann die Bombe hoch geht. Das Pferd kann total entspannt das Feld lang laufen im schritt - und plötzlich - steigt das Tier das es sich fest überschlägt und rennt Kopflos los. Ist möglich.

Würde wissentlich nur so ein Pferd kaufen, wenn ich es Beruflich machen würde.

Hatte an meiner Stute letztens eine Tierärztin/Osteopathin/Physiotherapeutin (und die hat noch einiges mehr gelernt) welche meinte, meine Stute hätte wahrscheinlich etwas Traumatisches erlebt. Inzwischen ist sie im Umgang ein total angenehmes Pferd - das erklärt aber unseren schweren Anfang voller beißen, steigen und treten. Hätte ich das vorm Kauf gewusst das es nicht nur schlechte Angewohnheiten sondern von einem leichten Trauma kommen, hätte ich sie nicht gekauft. Und alleine das, ein leichtes (!) Trauma war viel viel arbeit. Auch mit der besten unterstützung der Welt, ich würde niemals wissentlich ein Traumatisiertes Pferd kaufen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Oh weh, wenn immer möglich, sollte man solchen Pferden, echt aus dem Weg gehen.

Risiko vs. Nutzen sorgsam abwägen, der Supersportler, kontrolliert in Halle oder auf dem zuen Platz, unterm Berufsreiter, ist anders zu bewerten, wie das Freizeitpferd in Wald und Feld, unterm "einfachen" Freizeitreiter.

Nicht selten schlummern in solchen Pferden "Unarten" von nervig bis lebensgefährlich und das teilweise von Triggern ausgelöst die gänzlich unbekannt bleiben oder nicht beeinflusst werden können.

Auch wird das Risiko gern unterschätzt, das es nicht ohne weiteres möglich ist so ein Pferd zu nutzen:

  • diese Pferde dürfen, bei unkontrollierten Verhalten nie in den Straßenverkehr
  • Sind nur bedingt zu versichern, Haftpflichtversichungen , müssen im Vorfeld über die deutlich erhöhte Gefahrenlage informiert werden, können solche Pferde gänzlich von der Haftung ausschließen.
  • Das Ermöglichen von Umgang mit diesem Tier kann bereits eine Straftat sein, fahrlässige Körperverletzung oder gar Totschlag.
  • Turnierteilnahme, kann gänzlich untersagt werden.
  • Der Stalleigner muss schriftlich über die Möglichkeit der Gefährdung aller Beteiligten informiert werde , darf fristlos kündigen, die Aufnahme des Pferdes verweigern.
  • Tierärzte, Hufschmiede können deutlich erhöhte Gebühren für die Versorgung verlangen, diese gänzlich verweigern und müssen auch im Vorfeld über die mögliche Erhöhung der Gefährdung informiert werden.

Leider reden nicht wenige sich die Pferde schön.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ausbildung Pferdewirt, ganzheitlicher Pferdetherapeut

Jemand der sich wirklich auskennt und viel Erfahrung, Ruhe ect mitbringt, kann einiges mit sehr großem Zeitaufwand wieder in den Griff bekommen. Aber ein schwer traumatisiertes Pferd wird nie so sein wie ein nicht traumatisiertes Pferd und kann niemals in Hände gegeben werden die keine Erfahrung haben. Eine Kleinigkeit reicht oft aus um in brenzlige Situationen zu kommen. Gewisse Dinge werden immer bleiben.

Traumatisierte Pferde die irgendwo gerettet wurden, werden oft in Rente geschickt. Es wird vom Boden aus etwas gearbeitet das eine Pflege ermöglicht, TA Besuche, Schmied ect. etwas Bodenarbeit und ggf kleine Runden gegangen werden können. Es gibt aber leider auch extremfälle denen man nicht mehr helfen kann.

Die Realität ist nicht so wie man es in Filmen sieht.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Reite seid über 30 Jahren, bin selbst Pferdebesitzer