Sperrimen ja oder nein?

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Wo genau der Sperriemen herkommt, weiß man nicht so ganz genau. Die verbreitetste Annahme ist, dass er seinen Ursprung im 1. Weltkrieg hatte und man auf diese Weise Unterkieferbrüche bei Pferden verhindern wollte, die entstehen können wenn sie mit offenen Mäulern stürzen.

Da Menschen aber immer schon Tiere geknechtet haben und sich alles mögliche einfallen ließen um Kontrolle zu erreichen oder zu erhöhen, kann ich persönlich mir auch gut eine andere Entstehungsgeschichte vorstellen bzw. ist das ja an sich auch egal. Denn Fakt ist, dass man heute sehr genau weiß, wie sehr ein Sperriemen Pferde drangsalieren kann, wenn das Pferd damit zB dem Druck des Gebisses auf die empfindlichen Gaumenrezeptoren nicht umgehen kann, in dem es leicht das Maul öffnet. In der Folge kann es nicht (genug) Speichel abschlucken, was wiederrum dazu führt, dass dieser als Puffer für die Magenschleimheit fehlt. Leider gilt es auch heute noch in vielen Kreisen als "richtiges" Reiten, wenn das Pferd Schaumbildung am Maul zeigt - um nur mal einen Punkt herauszupicken und genauer auszuführen, was gegen das Reiten mit Sperriemen spricht.

Der Sperriemen ist eines der Instrumente in der Reiterei, der reiterliche Fehler und auch fiese Tricks mit der Hand dem Pferd ggü so gut kaschiert wie kaum ein Ausrüstungsgegenstand sonst. Kein Wunder, dass es dafür also immer noch so viele Befürworter gibt und auch auf Turnieren die Teile immer noch Standard sind.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Pferdewirtschaftsmeisterin

pony  13.06.2024, 14:51

ich finde, auf turnieren oberhalb WBO sollten sie nicht mehr erlaubt sein. in den klassen A und L beim springen sollte das ebenfalls der fall sein, was dann aber auch die verwendung des martingals verbieten würde.

wäre ein schritt in die richtung, das anfänger und schlechte reiter einfach schon in den WBOs ausgesiebt werden müssten.

verwendung von ausbindezügeln müssten auch in der WBO dringend verboten werden.

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Von Experte Urlewas bestätigt
 Ich persönlich reite ohne weil ich es angenehmer fürs Pferd finde.

das entspricht nicht unbedingt der wirklichkeit. allenfalls bei fortgerschrittenen reitern ist das so.

der sperrriemen dient zu unterschiedlichen zwecken. es gibt trensen, die nicht mit sperrriemen verwendet werden können. da nimmt man in keinem fall einen - das sind alle ergonomischen gebisse (z.b. hippus gelenktrense)

die meisten trensengebisse kann man mit sperrriemen verwenden.

selten muss ein sperrriemen aus anatomischen gründen des pferdes benutzt werden - aber da fände sich mit grosser sicherheit auch eine andere zäumungsmöglichkeit.

sperrriemen sollten bei den meisten anfängern auf dem pferd verwendet werden, da sie bei der noch ungeübten hand die wirkung der zügelhilfe dämpfen und verteilen. dazu muss der sperrriemen aber völlig korrekt verschnallt sein, so dass er das pferd nicht unnötig stört, aber trotzdem die erwünschte wirkung erzielt.

der sperrriemen verringert die einwirkung des zügels auf die lade und verschiebt einen teil der zügeleinwirkung auf den nasenrücken. auch die einwirkung aufs genick des pferdes wird damit etwas geringer. ausserdem liegt bei der anfangs noch ungeübten und ungleichmässig einwirkenden hand das gebiss ruhiger im maul des pferdes. das gebiss wird nicht bei einseitiger wirkung durchgezogen und es stellt sich bei unbeabsichtigt stärkerer einwirkung auch nicht so sehr im maul auf, hebelt also weniger.

werden hilfszügel wie ein martingal verwendet, benötigt man zwingend einen sperrriemen. bei allen dingen, die den direkten zügel unterbrechen - beim martingal hängt das gewicht des martingals am zügel - muss die zusätzliche einwirkung abgedämpft werden, die durch das gewicht der zusatzausrüstung entsteht.

ein etwas unerzogenes pferd lässt sich bei verwendung eines sperrriemens auch besser vom boden aus führen, da die gefahr des abziehens des zaumes geringer ist.

bei geübtem, feinem reiter und gut ausgebildetem pferd gibt es also meines erachtens keine argumente, die die verwendung eines sperrriemens rechtfertigen würden.

auf das abkauen als solches hat der sperrriemen meines erachtens keinen einfluss. das pferd kaut dabei ja nicht, als wenn es fressen würde.

die feinporige weissliche schaumlinie ist ein resultat von gutem reiten - ein pferd kann auch ohne mundstück abkauen und sogar ohne zaum. bei sehr guten zirzensikern kauen pferde sogar in der freiheitsarbeit ab. es kaut mit sperrriemen genauso gut ab wie ohne - richtig reiten reicht dafür.

irgendwie muss der anfänger ja die zügelführung irgendwann lernen - lenken lernt der anfänger durch eindrehen, bevor er zügel in die hand bekommt. aber irgendwann wird halt eben auch MIT zügeln geritten. und ganz besonders am anfang müsste das pferd ohne sperrriemen ziemlich leiden, weil unkoordinierte bewegungen ohne dämpfung direkt im maul landen und schaden anrichten.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Sachgerechter Umgang ist aktiver Tierschutz!

Urlewas  15.06.2024, 10:07

Mal ne Ausführliche Erklärung; super!

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Wenn das Pferd damit nicht zufrieden abkauen kann, ist er zu eng geschnallt. Der eigentliche Sinn ist, das Reithalfter bei seiner Funktion zu unterstützen, das Pferdmaul zu schonen, indem (insbesondere bei Handfehlern des Reiters, wie sie bei Anfängern oder beim Springen leicht vorkommen können), der Druck auf den Kopf des Pferdes „verteilt“ wird.

Das Maul zuzuschnüren um Kontrolle zu erreichen, ist Mißbrauch dieses Gegenstandes.

Es wird mit Sperrriemen geritten, weil 1. das Gebiss ruhiger liegt, 2. das Pferd sein Maul nicht aufreißt/das Maul nicht aufsperrt, 3. das Pferd nicht stark kauen soll.
Wer nach diesen Punkten den Sperrriemen eng verschnallt, hat ja mal gar keine Ahnung!
Früher war das Kauen ein Qualitätsmerkmal (ventrale Muskelkette wird benutzt), heute ist es wohl ein Zeichen von Schmerz/Stress.. bla bla bla.. Ein Pferd kann nicht mit geschlossen Lippen kauen - Sie haben gezackte Backenzähne, d.h., wenn sie mit engem Nasen- und Sperrriemen ,,kauen'', dann sind es nur leichte Mahlbewegungen und kein echtes Kauen, das Maul muss sich dafür öffnen können. Auch muss schlucken können, das Pferd hat schließlich ein Gebiss im Maul.

Man kann richtiges Kauen von Stress und Schmerz unterscheiden.


pony  15.06.2024, 14:21
Sie haben gezackte Backenzähne,

na hoffentlich nicht. sonst muss doktor bosch das mit der schleifscheibe und viel getöse am wehrlos sedierten ross planschleifen.

oder vielleicht doch ein manueller pferdedentist mit unterschiedlichen raspeln und feilen und einer sensiblen hand, die die instrumente führt - und ohne sedierung. und ja - das geht.

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kerbecs74  15.06.2024, 18:23
@pony

''gezackte'' Backenzähne , besser? 😁 Deswegen öffnet sich ja das Maul 😊

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Kommt darauf an.

Es gibt immer Situationen, wo es in der Arbeit fürs Pferd besser ist oder eben für den Reiter.

Es ist immer eine Abwägung zwischen Tierwohl und Wohl der Reiter/ der Umwelt.

Gehört er zur Ausrüstung, wird er genutzt, hier kann man jedoch im Rahmen der Einstellung viel fürs oder gegens Pferd machen.

Im allgemeinen Reitbetrieb, sollte gerade auf der Wettbewerbsebene, egal ob WBO/LPO der/die Richter öfters den Missbrauch konsequent bestrafen, das auch auf dem Abreiteplatz.