Sind Lehrer bei Interpretationen zu steif?
Klar, in Mathe heißt die einzig richtige Antwort auf 5+3 = 8. Aber mir kommt es so vor, als würden oft auch Deutschlehrer (oder andere Lehrer, bei denen man etwas interpretieren muss) eine "einzig richtige" Antwort sehen, was ich nicht gut finde.
Zum Beispiel wenn in einer Kurzgeschichte steht: "Sie sah ihn erwartungsvoll an. Er schwieg". Man selbst interpretiert, dass er ihr einfach nichts zu sagen hat, weil er nichts von ihr will, aber der Lehrer streicht das als Falsch an, weil er selbst der Meinung ist, der Mann aus der Geschichte sei einfach schüchtern. Gilt nur die Meinung vom Lehrer? Muss man dem Lehrer ähneln, um gut zu sein?
Das ärgert mich, obwohl Waldorf nicht mein Vorbild ist.
5 Antworten
Es war immer so und es wird immer so bleiben: Selbst wenn du deine eigene Analyse / Intention etc.. noch so schlüssig begründest: Letztendlich zählt die allein selig machende Weisheit des Lehrers. BASTA !! Ich kenne nur sehr wenige Deutschlehrer (wie mich), die die Ansicht des / der Schreibenden gelten lassen, selbst wenn sie konträr von der des Unterrichtenden abweicht.
Man mag mir widersprechen. Nur dies: Meine Erfahrung basiert auf vier Jahrzehnten Unterricht am Gymnasium.
Bis zum Alter von 69 (!) Jahren führte ich 42 Jahre lang ganze Schüler-Generationen zum Deutsch-(und Sport)-Abi
Leider sind es gerade die jüngeren Lehrer, die stur ihre Meinung durchsetzen wollen (außer wenn es um das Benehmen der Schüler geht...Da lassen sie alles durchgehen). Positive Ausnahmen habe ich bisher nur einmal erlebt, das ist aber in Chemie, also einer Naturwissenschaft
Ich habe zwölf Jahre lang Referendare ausgebildet und bin / war erschüttert, wie scharf diese unerfahrenen, jungen Spunde sind... : - (((
Menschlichkeit, Freundlichkeit ?! Fehlanzeige - natürlich mit diversen Ausnahmen !!!
Unser Deutschlehrer ist genauso. In einem Gedicht ging es einmal um Paläste, verlassene Gärten und Mamorstatuen. Fast alle haben sich auf den Orient bezogen und unser Deutschlehrer meinte, dass es auf jeden Fall um Italien geht, weil da so viel Mamor abgebaut werde.
Deswegen empfehle ich Naturwissenschaften als LKs. Die Benotung ist viel objektiver.
Leider ist es zum Beispiel in Gesellschaftskunde genau das gleiche; man hat eher das Gefühl, man soll die Gedanken der Lehrer lesen als selber wirklich nachzudenken.
Naturwissenschaften sind immer gut
Ich weiß nicht, ob man das verallgemeinern kann, Gina.
Eine kluge Lehrkraft würde da vielleicht nicht "falsch" schreiben, sondern zum Beispiel:
- "Ja, aber vgl. die Zeilen X bis Y, in denen Karlchen vor Schüchternheit errötet und den Mund nicht aufkriegt."
Eine kluge Lehrkraft sollte eine textlich gut begründete Interpretation akzeptieren, auch wenn sie nicht mit der eigenen übereinstimmt. Denn, wie du richtig argumentierst: Deutsch ist nicht Mathe.
Gruß, earnest
Eine gute Lehrkraft akzeptiert sogar gut geschriebene Satire, wenn sie formal stimmig ist und nicht völlig am Thema vorbei geht. Auch wenn es für eine 1 mesietens doch nicht reicht.
Hat ein Klassenkamarad von mir im gk Litaratur mit einem Buch gemacht, dass ihm überhaupt nicht gefallen hat. Lediglich bei dem Satz der in etwa lautete : " Bei einer Zweitauflage sollte der Verleger dem Buch einen Hammer beifügen, damit sich der leser schon vor dem lesen den kopf zerbrechen kan." hat der Lehre etwas mehr rote Tinte für Anmerkungen verwendet.
Ja, damit könnte ich mich abfinden. Aber meistens ist es so (obwohl ich mich jetzt nicht für besser als den Lehrer halten will), dass man selbst auf den Schluss kommt, weil man die Stelle noch einmal im Kontext gelesen hat, aber der Lehrer sagt "nein, beziehe dich bitte nur auf diese eine Zeile"
Das ist/war wohl immer schon ein großer Streitpunkt zwischen den Betroffenen.
Eine Interpretation (lateinisch interpretatio „Auslegung, Übersetzung, Erklärung“) bedeutet im allgemeinen Sinne das Verstehen oder die subjektiv als plausibel angesehene Deutung von etwas Gegebenem oder wenigstens von etwas Vorhandenem. (Google)
Wenn eine Interpretation natürlich völlig am Kontex der Geschichte vorbeigeht, muss das als "Falsch" bezeichnet werden. Aber nur dann. Sonst muss man den Freiraum haben, seine eigene Wahrnehmung/Auslegung zu schreiben.
Das ist meine ganz persönliche Meinung.
Oftmals liegt es an der mangelhaften Begründung der Thesen, nicht an den Thesen selbst.
(Zumindest bei mündlichen Befragungen) begründet bei uns niemand etwas, nichtmal der Lehrer
In schriftlichen Interpretationen tue ich das. In mündlichen ist nicht danach gefragt.
Ich habe in meiner Schulzeit (10 Jahre) bisher nur eine einzige Lehrerin gehabt, die so bewertet hat. Sehr schade, dass Sie (wenn ich das richtig lese) jetzt in Rente sind, solche Lehrer können Schüler nämlich wirklich für ihr Fach begeistern