Nach welcher Reihenfolge werden die Orbitale aufgefüllt?

6 Antworten

Von Experte indiachinacook bestätigt

Moin,

hach ja, das Befüllen von Orbitalen bei Atomen im Grundzustand... Immer wieder ein Quell der Freude.

Ohne allzu tief in die Quantenmechanik vordringen zu wollen, solltest du dich beim Befüllen der Orbitale eher prinzipiell an folgende Regeln halten:

Regel 1 (Energieregel):
Orbitale werden bei Energieunterschieden so mit Elektronen befüllt, dass die energieärmeren Orbitale vor den energetisch höher liegenden befüllt werden.

Regel 2 (Pauli-Verbot):
In einer Atomhülle gibt es keine zwei Elektronen, die in allen vier Quantenzahlen übereinstimmen. Befinden sich zwei Elektronen im selben Orbital, müssen sie sich durch ihren Spin unterscheiden.

Regel 3 (Hundsche Regel):
Energiegleiche (entartete) Orbitale sind mit Elektronen zunächst einfach zu besetzen und zwar so, dass sie alle den gleichen Spin haben.

Regel 4 (Regel der halbbesetzten Orbitale):
Bei energieähnlichen Orbitalen kann es energetisch günstiger sein, die Orbitale halb zu besetzen als ein Orbital voll und das andere „irgendwie”.

Und genau diese vierte Regel kann man bei Atomen bestimmter Elemente erkennen.

Bei Chrom wäre die Besetzung gemäß der Energieregel zum Beispiel

[Ar] 4s^2, 3d^4

Aber dann wäre das 4s-Orbital voll besetzt, während die fünf 3d-Orbitale mit nur vier Elektronen „irgendwie” besetzt wären. Aber bei

[Ar] 4s^1, 3d^5

sind beide Orbitale jeweils halb besetzt. Das ist energetisch offenbar günstiger, denn so ist die Besetzung bei diesem Element.

Oder nimm als weiteres Beispiel Kupfer. Gemäß der Energieregel müsste die Besetzung so aussehen:

[Ar] 4s^2, 3d^9

Doch die tatsächliche Besetzung

[Ar] 4s^1, 3d^10

führt dazu, dass ein Orbital voll besetzt ist (3d), während das andere (energetisch eigentlich etwas günstigere 4s-Orbital) nur halb besetzt wird. Aber ein halb- und ein voll besetztes Orbital ist günstiger als ein voll besetztes und ein „irgendwie” besetztes.

Analoges gilt dann auch für Silber (dein Beispiel). Bei

[Kr] 5s^1, 4d^10

hast du ein voll- und ein halbbesetztes Orbital, was energetisch günstiger ist, als ein voll besetztes und ein „irgendwie” besetztes (wie es bei [Kr] 5s^2, 4d^9 der Fall wäre).

Aber ich will dir nicht verschweigen, dass es trotzdem noch ganz „verrückte” Abweichungen bei der Besetzung von Orbitalen gibt, die ich dir mit den oben genannten Regeln nicht erklären kann.

So lässt sich für Niob ([Kr] 5s^1, 4d^4) vielleicht noch argumentieren, dass 4d^4 beinahe halbbesetzt ist und insofern möglicherweise stabiler als 5s^2, 4d^3 (obwohl in beiden Fällen die 4d-Orbitale „irgendwie” besetzt sind und somit eigentlich die Energieregel greifen sollte).
Aber die Besetzungen bei Ruthenium oder Rhodium „spinnen” völlig, weil 4d^7 bzw. 4d^8 weder nahe an halbbesetzten noch an vollbesetzten Orbitalen liegen. Das ist umso verrückter, weil es beim Osmium bzw. beim Iridium wieder so befüllt ist, wie wir das erwarten...

Augen zu und durch...

LG von der Waterkant

Ausnahmen bestätigen die Regel:https://de.wikipedia.org/wiki/Aufbauprinzip#Ausnahme

Energetisch liegt das alles sehr dicht beisammen, so dass die grobe Regel zwar sehr häufig stimmt, aber nicht genau genug ist, um alle Fälle abzudecken.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Abschluss als Diplom-Physiker

Die Vorstellung, daß man fixe Energieniveaux hat, in die man Elektronen einfüllt, ist nur eine Näherung. In Wahrheit hängen die Orbitalenergien moderat von der Besetzung ab, und da in Deinem Beispiel 4s und 3d recht ähnliche Energien haben, kann es für ein­zelne Elemente wie Chrom ([Ar]3d⁵4s¹ statt erwartet [Ar]3d⁴4s²) oder Molybdän oder bei den Münzmetallen wie Silber ([Kr]4d¹⁰5s¹) passieren, daß das Besetzungsschema sich umkehrt. Das tritt meist auf, wenn der d-Unterschale genau ein Elektron auf Halb- oder Vollbesetzung fehlt, aber nicht in allen diesen Fällen: Wolfram hat [Xe]4f¹⁴5d⁴6s².

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Chemiestudium mit Diss über Quanten­chemie und Thermodynamik

Zu vielen Regeln gibt es Ausnahmen.

Das 5s2 Elektron wird ausnahmsweise zum 4d10, weil dadurch die 4d Schale abgeschlossen ist, was energetisch günstiger als ein abgeschlossenes 5s Orbital ist.

Man sollte sich vielleicht Chrom und Kupfer als Ausnahmen merken und dass die Anomalien bei den schwereren Elementen häufiger werden. Wenn die Metalle als Ionen oder sonstwie in Verbindungen vorkommen, gelten sowieso andere Regeln. Da werden ohnehin meist oder fast immer die s-Elektronen abgegeben.