Moin,
das ganze Problem hat damit zu tun, dass wir für Bezeichnungen nur begrenzt viele Alphabete benutzen, aber damit verschiedenste Benennungen abdecken.
So kommt es, dass ein Buchstabe (zum Beispiel das kleine alpha aus dem griechischen Alphabet) in mehreren Situationen verwendet wird.
Es kann damit der Drehwinkel einer optisch aktiven Substanz gemeint sein. Oder die axiale Stellung einer Hydroxygruppe (–OH) in einem ringförmigen Zucker. Oder ein bestimmtes C-Atom in einer Kohlenstoffkette. Oder der Winkel in einem Dreieck, der der Seite a gegenüber liegt (um mal ein nicht-chemisches Thema ins Spiel zu bringen). Oder, oder, oder...
Verschiedene Situationen, aber immer der gleiche Buchstabe.
JenerDerBleibt schrieb schon, dass du darüber hinaus auch noch ein paar Dinge verwechselst.
Nicht das C-Atom im ringförmigen Zucker wird als alpha-C-Atom bezeichnet, sondern die axiale Stellung der Hydroxygruppe. Daher ist auch nicht die Hydroxygruppe selbst eine Voraussetzung dafür, dass ein C-Atom ein alpha-C-Atom sein kann. Das hat nichts mit der Verwendung des Buchstabens zu tun. Es geht in diesem Fall nicht um das C-Atom oder die Hydroxygruppe, sondern allein um die axiale Stellung.
Beim alpha-C-Tom in Aminosäuren (oder beliebigen anderen entsprechenden Molekülen) ist das anders. Hier ist tatsächlich das C-Atom gemeint, das mit dem Buchstaben gekennzeichnet wird.
Das hat folgenden Grund:
Nehmen wir als Beispiel einmal die Aminosäure Alanin:
Wie du sehen kannst, besteht das Kohlenstoffgerüst aus drei C-Atomen. Ein C-Atom in der Carboxygruppe (–COOH), ein mittleres Chiralitätszentrum, an dem die Carboxygruppe, eine Aminogruppe, ein H-Atom und ein Methylrest gebunden sind, und ein C-Atom, das noch drei H-Atome gebunden hat (ein Methylrest).
Wenn du diese C-Kette nach den IUPAC-Regeln durchnummerieren würdest, wäre das C-Atom der Carboxygruppe das C1-Atom, das mittlere dementsprechend C2 und das C-Atom der Methylgruppe das C3-Atom.
Tja, aber nun ist das C1-Atom selbst Bestandteil einer funktionellen Gruppe (nämlich der Carboxygruppe). Diese Carboxygruppe ist an das Kohlenstoffatom C2 gebunden. Genau wie die andere funktionelle Gruppe in diesem Molekül, die Aminogruppe (–NH2). Und das möchte man manchmal zum Ausdruck bringen, nämlich dass von einem bestimmten C-Atom aus funktionelle Gruppen ausgehen.
Werfen wir zu diesem Zweck einen Blick auf eine andere Aminosäure von Bedeutung:
GABA ist die Abkürzung für gamma-Aminobuttersäure (gamma amino butter acid). Dies ist ebenfalls eine Aminosäure, weil in ein und demselben Molekül einmal eine Carboxygruppe, dann aber auch eine Aminogruppe vorliegt. Aber diesmal gehen beide funktionellen Gruppen nicht vom C2-Atom aus (dem alpha-C-Atom), sondern die Carboxygruppe hängt am alpha-C-Atom, während die Aminogruppe an C4-gebunden ist. Wenn aber die Carboxygruppe am alpha-C-Atom (C2) hängt, dann ist das C4-Atom das gamma-C-Tom (alpha, beta, gamma...), verstehst du?
Übrigens kommen von diesen Überlegungen heraus auch die Begriffe „omega-3-Fettsäure” oder „omega-6-Fettsäure” zustande. Fettsäuren sind mehr oder weniger lange Kohlenwasserstoffketten. Manche von ihnen sind gesättigt (zum Beispiel Pamitinsäure oder Stearinsäure), haben also nur C–C-Einfachbindungen vorzuweisen. Andere sind ungesättigt (zum Beispiel Ölsäure oder Linolsäure). Sie haben eine (oder mehr) C=C-Doppelbindungen in der Kette.
Für unser Thema interessant ist nun, dass in Fetten die Carboxygruppe der Fettsäure mit einem Glyceringrundkörper verestert ist. Die Carboxygruppe ist in der Fettsäure natürlich das C1-Atom. Das C-Atom am anderen Ende der Fettsäure wird nun - egal wie lang die Fettsäure ist - als omega-C-Tom bezeichnet, weil omega der letzte Buchstabe im griechischen Alphabet ist.
Und nun ist zum Beispiel eine omega-3-Fettsäure eine solche, die zwischen dem dritten und vierten C-Atom vom omega-Ende aus gezählt (!) eine Doppelbindung hat.
Du siehst, dass es manchmal das Bedürfnis gibt, auch C-Atome außerhalb der IUPAC-Nummerierung gesondert zu kennzeichnet.
Und so kommt es zur Bezeichnung „alpha-C-Atom” (C2), weil das das erste C-Atom der Kette ist (und damit den ersten Buchstaben des griechischen Alphabets erhält), an das zwei funktionelle Gruppen gebunden sind (wovon eine selbst ein C-Atom, das C1-Atom, enthält).
In den anderen Antworten ist auch schon auf den Unterschied zwischen Protein und Aminosäure eingegangen worden.
Das, was du gepostet hast, ist die allgemeine Form einer alpha-Aminosäure. An das C2-Atom (das alpha-C-Artom) sind immer eine Carboxygruppe, eine Aminogruppe, ein Wasserstoffatom und ein variabler Rest gebunden.
Die alpha-Aminosäuren können nun über die Carboxy- und die Aminogruppe mittels einer Kondensationsreaktion unter Abspaltung eines Moleküls Wasser miteinander verknüpft werden. Dann entsteht eine Aminosäurekette (Peptidkette), wobei eine Aminosäure an einem Ende ihre Aminogruppe behält (= N-Terminus), während die Aminosäure des anderen Endes noch über ihre Carboxygruppe verfügt (= C-Terminus).
Alle anderen Carboxy- und Aminogruppen sind nun in Amidbindungen (Peptidbindungen) aufgegangen.
Sind zwei Aminosäuren auf diese Weise miteinander verknüpft, spricht man auch von einem Dipeptid. Drei ergeben ein Tripeptid. Einige ein Oligopeptid, und viele ein Polypeptid. In der Regel werden dann die Polypeptide auch als Protein bezeichnet.
In der Chemie gibt es ungeheuer viele Aminosäuren. Auch in Organismen kommen einige davon vor. Um so erstaunlicher ist es, dass in den Proteinen von Lebewesen fast ausschließlich 20 alpha-L-Aminosäuren eingebaut werden. Es gibt zwar in gewissen Lebensformen bis zu 23 Aminosäuren, die in Proteinen vorkommen, aber der weitaus größte Teil umfasst nur 20. Diese werden daher auch als kanonische Aminosäuren bezeichnet (sie „singen im Kanon mit”). Die Exoten wie Selenocystein oder Pyrrolysin kommen nur in wenigen Proteinen von bestimmten Lebewesen vor. Alle Aminosäuren, die in Proteinen vorkommen, bezeichnet man als proteinogene Aminosäuren. Wenn ein Lebewesen Aminosäuren nicht selbst herstellen kann, diese aber fürs Überleben braucht, dann muss dieses Lebewesen solche Aminosäuren mit der Nahrung aufnehmen. Solche Aminosäuren sind dann für dieses Lebewesen essentiell. Nicht alle Lebewesen haben die gleichen essentiellen Aminosäuren. Beim Menschen sind es neun essentielle Aminosäuren: Leucin, Isoleucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan und Valin für Erwachsene, plus Histidin bei Säuglingen.
Wie auch immer, du musst zwischen Aminosäuren, kanonischen Aminosäuren, proteinogenen Aminosäuren und essentiellen Aminosäuren einerseits und Proteinen andererseits unterscheiden!
So! Das war ein weiterer kleiner Exkurs in die Benennungswelt der organischen Chemie. Ich hoffe, du konntest alles nachvollziehen...
LG von der Waterkant