Kommt "man" von "Mann"?
Wer heute perfekt gendern will, sagt zum Beispiel nicht mehr "Man sollte das nicht tun" sondern "Mensch sollte das nicht tun".
Kommt historisch die Schreibweise "man" eigentlich von "Mann" ?
7 Antworten
Ich habe statt dessen manchmal auch "frau" gesagt, wenn es ausschließlich um Frauen oder ein Frauenthema ging. Da inzwischen auch das Wort "Menschin" erfunden wurde, ist auch "mensch" nicht korrekt gegendert. Durch diesen ganzen Genderunsinn verwende ich inzwischen doch lieber wieder "man".
Ja, das Indefinitpronomen man ist einfach nur eine unbetonte Form von Mann. Aber das Wort Mann steckt auch in vielen anderen deutschen Wörtern drin, insbesondere in Mensch (←männisch). Das Ersetzen von man durch frau oder mensch ist folglich eine halbe Sache.
Über die sprachlichen Zusammenhänge habe ich schon ein paar Male hier geschrieben. Ich kopiere hier zur weiteren Nachlese einfach zwei alte Antworten von mir rein:
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Es ist richtig, daß das Indefinitpronomen man und das Substantiv Mann denselben Ursprung haben — das Pronomen ist vom Substantiv abgeleitet (als unbetonte Variante), und zwar zu einem Zeitpunkt, als Mann noch allgemein ‘Mensch’ bedeuten konnte. Heute hat sich die alte, weitere Bedeutung von Mann weitgehend verflüchtigt, man sieht sie nur noch an ein paar Relikten, z.B. Mannschaft oder Formulierungen wie „Das Schiff ist mit Mann und Maus untergegangen“ (=mit allen Leuten an Bord).
Also ja, die Sprache zeigt, daß Männer als die dominierende Hälfte der Menschheit gesehen wurden. Deutsch hatte die längste Zeit nicht einmal eine generelle Bezeichnung für „erwachsene weibliche Person“.
- Frau bedeutete im Mittelalter „Ehepartnerin eines hochstellten Mannes“, später allgemein „verheiratete weibliche Person“
- Weib war im Mittelalter jede verheiratete Frau und behielt diese Bedeutung bis ins 19. Jahrhundert; heute wird es überwiegend abwertend gebraucht.
- Dame ist ein französisches Fremdwort (letztlich von lat. domina ‘Herrin’) und stand die längste Zeit nur für adelige Frauen (abgesehen von ironischem Gebrauch).
- Unverheiratete Frauen hießen bis in 19. Jahrhundert „Mädchen“, und zwar unabhängig vom Alter.
- Erste seit der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts ist es üblich, erwachsene weibliche Personen unabhängig von Alter und Ehestand als Frau zu bezeichnen.
Aber das Indefinitpronomen ist nicht die einzige Erinnerung an die häßliche Vergangenheit. Denn der patriarchalische Mann steckt nicht nur in Mann, sondern auch in Zusammensetzungen wie jemand und niemand, und natürlich auch in Mensch (←männisch ‘von der Art eines Mannes’). Mit diesem schwierigen Erbe müssen wir wohl leben, oder kann sich irgendjefrau einen Ersatz dazu ausdenken, um der Personenheit eine Sprache zu schenken, in der nieperson diskriminiert wird?
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Das Substantiv Mann und das Indefinitpronomen man sind etymologisch verwandt. In dieselbe Gruppe gehört auch Mensch (←männisch), weil das germanische mann alle Menschen, und nicht nur die männlichen Geschlechts, bezeichnete. Heute ist das nur noch in Sonderfällen möglich, so kann z.B. auch ein Schiff voller Frauen mit Mann und Maus untergehen, man sagt also nicht mit Frau und Frettchen.
Man findet das Wort auch in anderen indogermanischen Sprachen, z.B. Saṁskr̥t मनुष्य manuṣya ‘Mann’, ‘Mensch’, als Adjektiv auch ‘menschlich’. Im Slavischen kann das Wort nur für einen Mann stehen, z.B. bulgarisch мъж măž ‘Mann, Ehemann’.
Dem Wort scheint also von altersher zwischen beiden Bedeutungen ‘Mensch’ und ‘Mann’ zu pendeln. In diesem Sinn ist es ein fossiler Beleg dafür, daß Männer einmal als die Default-Menschen angesehen wurde, also als das Normale, wie ein Mensch eben ist. Sehr frauenfreundlich ist das nicht.
Andererseits ist es selten erfolgversprechend, an einem komplizierten System wie der Sprache herumzudoktern (Orthographiereform, ich blicke auf Dich!). Dasselbe böse sexistische Mann steckt auch in jemand, und gibt es irgendjefraud, die sich dafür ein Ersatzwort ausdenken kann?
Aus meiner Sicht hast Du das ganz richtig erkannt. Aber wenn Du versuchst, mit der belegten Etymologie zu punkten, dann würden Dir Genderfanatiker (die durchaus nicht immer Frauen sind) vermutlich ungefähr so antworten:
„Das mag stimmen, ist aber irrelevant, weil abgesehen von ein paar Nerds nieperson die Sprachgeschichte kennt. Es zählt nur, was die Leute wirklich denken, wenn sie Sprache benutzen. Die Ähnlichkeit zwischen man und Mann springt ins Auge, ist also unterbewußt wirksam und schließt Frauen daher wirklich aus. Dagegen denkt niemand und niefrau an Mann, wenn das Wort Mensch fällt. Folglich ist Mensch unproblematisch.“
Diese „Argumentation“ setzt voraus, was sie beweisen will, nämlich das Sprecher beim einen Wort eine Assoziation zu Mann herstellen und beim anderen nicht. Sie bietet keinen Beweis, daß das für alle oder zumindest die meisten Sprecher so ist, weil ein solcher Beweis grundsätzlich nicht erbracht werden kann. Insbesondere kann man die Leute nicht direkt danach fragen, denn nach Jahrzehnten der Diskussion über „gendergerechte“ Sprache kennt fast jeder den Disput, und die Antworten erfolgen daher entlang ideologischer Linien.
Menschen verfallen einer Ideologie nicht aufgrund irgendwelcher Argumente, sondern aufgrund von Persönlichkeitsmerkmalen oder gesellschaftlichen Einflüssen oder persönlichen (anekdotischen) Erfahrungen. Daher kriegt man Leute gewöhnlich auch nicht mit Argumenten aus einer ideologischen Sackgasse heraus.
Du kennst dich sehr gut aus, erstaunlich ! Bist du in der linken Szene oder bei Grünen oder Klimaschützern unterwegs oder hast du ein Kind, dass so denkt ?
Ich lese viel, und ich kenne die Argumentationsmuster aus vielen Gesprächen — ich betrachte mich selbst als links aber nicht blöd oder verbohrt oder moralinsauer, und es kommt schon mal vor, daß ich eine Stunde mit einem Holocaust-Leugner am Tisch sitze und diskutiere (ja, manche davon haben durchaus gute Manieren, und das reicht mir als Voraussetzung für ein Gespräch). Letztlich bin ich neugierig und will ja raus aus meiner Echoblase.
Ich bin aktiver Linker und genauso, wie du geschrieben hast "nieperson, irrelevant etc." kenne ich die Sorache von jungen Mädels bei uns ... erstaunlich ... !
Lol. Statt man zu sagen machen viele saus Spaß. Frau. Frau sollte das nicht tun. Hahaha
Danke! Sehr aufschlussreich!
Streng genommen ist die verwendung des Begriffs "Frau" dann ja auch nicht wirklich im Sinne des Feminismus, oder? Schließlich bezeichnet er ja historisch lediglich "die weibliche Person an der Seite des Mannes" ... ^^
Die Wurzel von Frau ist dieselbe wie in Frondienst und Fronleichnam, hat also etwas mit Herrscher zu tun — sie ist die Person an der Seite des frô, also des Chefs (in der Praxis eines Feudalherren). Nach Ende des Mittelalters fiel die männliche Form außer Gebrauch, und die weibliche wurde auf jede Frau an der Seite eines Mannes verallgemeinert.
Wer heute perfekt gendern will, sagt zum Beispiel nicht mehr "Man sollte das nicht tun" sondern "Mensch sollte das nicht tun".
Das ist eine sehr radikale Position und mir ist bisher noch niemand begegnet, dier das ernsthaft fordert.
Ich selbst formuliere auch eher inklusiv, wozu auch "Gendern" in verschiedenen Formen gehört, und verwende gerne mal das Wörtchen "man", um kein Geschlecht zuweisen zu müssen. Wobei Aussagen mit "man" mit Vorsicht zu verwenden sind, weil sie eher als allgemeingültig daherkommen. Das ist in diesem Fall der wichtigere Aspekt und das würde man/frau/mensch durch ein anderes Wort auch nicht ändern - eher im Gegenteil, solange "mensch" (oder "frau") als Pronomen herausstechen und im Wortsinn verstanden werden würde.
Als zusätzliche Option kann "mensch" gerne in der Werkzeugkiste sein.
Mir ist auch kein Nachweis dafür bekannt, dass das Wort "man" das Bild im Kopf verzerrt, und genau dieses Bild im Kopf (der sog. male bias) ist für mich eines von zwei Hauptargumenten für das "Gendern". Wenn ich schreibe, möchte ich, dass die Leserschaft mein Bild sieht und das zeigt nicht nur Männer.
Aber das war ja gar nicht die Frage. 😅
In der linken Szene ist es Standard "Mensch" statt "Man" zu schreiben.
Kommt historisch die Schreibweise "man" eigentlich von "Mann" ?
Wie man es nimmt: seinen Ursprung hat das Wort "man" im Lateinischen "homo". "Homo" in der Grundbedeutung heißt "Mensch", im Plural "Menschen, Leute", es kann in selteneren Fällen auch "der Mann" bedeuten und hat dann zumeist noch ein maskulines Hinweiswort bei sich, z. B. homo adulescens (ein junger, unerfahrener junger Mann), homo senex (ein lebenserfahrener Greis), homo Romanus (ein Mann aus Rom).
Im Wörterbuch der deutschen Sprache von Grimm wird ausgeführt:
"man, seit der mhd. zeit im gebrauche nur auf den nominativ eingeschränkt, sagt ohne bezug auf ein bestimmtes subject im allgemeinen aus, was zugleich von mehreren gelten kann (gramm. 4, 220); bei dieser allgemeinheit ist eine mehrheit verstanden, man menschen, leute" ( https://woerterbuchnetz.de/?sigle=DWB#4 ).
Insofern ist "man" im gewöhnlichen Sprachgebrauch schon seit sehr langer Zeit nicht auf ein bestimmtes Geschlecht beschränkt, sondern geschlechtsneutral. Nur aus dem Zusammenhang ergibt sich, ob "man" Männer, Frauen oder eine gemischte Gruppe von Menschen bezeichnet. Insofern erübrigt sich das Gendern!
MfG
Arnold
Ja, "man" und "Mann" sind etymologisch verwandt. Das bedeutet aber nicht, dass jede Person, die gendert, "man" durch etwas anderes ersetzt, bzw. das "perfektes Gendern" ohne "man" auskommen muss.
Ich kenne viele Leute, die gut gendern wollen. Alle schreiben "Mensch" statt "Man". - Das geht soweit, dass ein junges Mädchen, als sie wissen wollte ob auch andere bei einer Demo sind, geschrieben hat : "Ist jemensch da".
Da frage ich mich ob aus sprachwissenschaftlicher Sicht ein Wort wie "jemensch" als klar falsch angesehen wird.
Sprachwissenschaftler:innen sagen nicht, wie man etwas richtig macht. Sie beschreiben und analysieren, wie Sprache benutzt wird.
Gerne!
Sprache verändert sich ja auch ständig, und man kann ja nicht etwas als richtig oder falsch ansehen, weil es vor hunderten oder tausenden von Jahren so genutzt wurde.
Allerdings wird das, was von Sprachwissenschaftler:innen beschrieben wird (man sagt auch:deskriptiv, also beschreibend), dann oft von anderen als Vorschrift oder Regel ausgelegt (hier spricht man von präskriptiv, vorschreibend).
Der Duden zum Beispiel nimmt ja regelmäßig neue Wörter auf, eben weil sie benutzt werden. Aber dann wird es plötzlich als (nur so) richtig wahrgenommen. Ein (ganz) anderes Beispiel, weil es nicht sprachwissenschaftlich ist, ist der Knigge 😬 Der wollte eigentlich auch keine Vorschriften machen 🤷🏻♀️
Ich dachte immer, ich wäre sprachlich absolut Top. Bis ich deine Beiträge gelesen habe. - Ein Bekannter hat mal den Satz gesagt : "Auf einen Guten kommt ein Besserer" ;-)
Danke für die kompetente und sehr umfangreiche Antwort. - Aber dann nütz es Frauenrechtlerinnen gar nichts, wenn "man" durch "Mensch" ersetzt wird ...