Kannten im Mittelalter viele Menschen ihren Geburtstag nicht?

10 Antworten

Stimmt so nicht wirklich. Es gab lediglich andere Prioritäten, wie z.B. den Namenstag, aber auch der hängt im Zusammenhang mit dem Geburtstag.

Ja, das stimmt.

In Gesellschaften, in denen nicht jede Geburt schriftlich festgehalten und in irgendein Register eingetragen wird, und die Leute überdies nicht das Datum jeden Tages genau mitverfolgen, da ist es ganz normal, dass man den Geburtstag nicht exakt kennt.

In vielen alten Kulturen orientierten sich die Menschen an den wichtigen Feiertagen. Eine Mutter wusste bestimmt noch, dass sie das Kind "kurz nach Pessach" oder "in der Woche vor der Sonnwendfeier" bekommen hat, aber nicht, welches exakte Datum das war. Selbst in offiziellen Briefen und Chroniken im Mittelalter findest du gewöhnlich so Angaben wie "am Dienstag nach St. Nikolaus".

Bei Kindern und Jugendlichen wussten normalerweise zumindest ihr Alter in Jahren... Aber wenn jemand mal erwachsen und in einer stabilen Lebenssituation war... was machte es schon, ob die jetzt 42 oder 44 Jahre alt war... kann schon sein, dass so manche da durcheinander gerieten.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Grundstudium Ägyptologie und Geschichtswissenschaft

DickerOrk  13.08.2024, 17:03

Also ich stimme dir ja in vielen Punkten zu, aber wenn wir vom europäischen Mittelalter reden stimmt es nicht ganz. Die Leute hatten durchaus Verständnis für langwierigere Zeitrechnungen. Kirchenbücher, Festtage, Fastenzeiten und selbst Gesetzestexte hatten damit zu tun. Auch die Namenstage waren vom eigentlichen Geburtstag abhängig. Man muss dabei bedenken, dass das Mittelalter eine 1000 Jahre anhaltene Epoche ist, in der Bildungsstand, Wohlstand usw. deutlichen Schwankungen unterlag.

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Schemset  13.08.2024, 18:43
@DickerOrk

Ja, natürlich gab es eine Zeitrechnung und natürlich hatten die Leute in Handel und Verwaltung eine klare Vorstellung vom aktuellen Datum... aber es geht ja hier um die Bevölkerungsmehrheit, das bedeutet im Wesentlichen: Bauern

Und das mit den Namenstagen - würde das wirklich so weit verbreitet gefeiert? Gibt es da Quellen zu? Wüsste ich jetzt nicht, aber Mediävistik ist ja auch nicht mein Fachgebiet.

Ebenso die Kirchenbücher... ich dachte eigentlich, das sei eher so ein Ding der frühen Neuzeit? Ab wann gibt es denn Tarifregister, weißt du da etwas genaueres?

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In der Antike wurde der Geburtstag zumindest in den Hochkulturen sehr wichtig genommen und gefeiert. Es gibt, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, noch ein Original erhaltenes Schriftstück aus der Provinz Britannien, wo zum Geburtstag eingeladen wurde. Dieser Brief wurde an Familienangehörige in der Nähe von Rom geschickt.

Im Mittelalter war der Namenstag als religiöser Feiertag wichtiger. Erst ab den 15. Jahrhundert bekam die Bedeutung des Geburtstages immer mehr Gewicht. Ab spätestens dem 17. Jahrhundert war den Menschen im deutschsprachigen Raum ihr Geburtstag bekann, denn dieser wurde im Kirchenbuch, neben dem Taufdatum mit eingetragen.

Es gibt doch auch heute noch welche, die ihren genauen Geburtstag nicht kennen.

Wenn dann jemand die Geburt eines Kindes irgendwann eintragen lässt, wird sehr oft einfach der 1. Januar des betreffenden Jahres eingetragen, außer jemand kann genau sagen, dass das Kind zum Beispiel an dem Tag zur Welt kam, als das schlimme Unwetter war.

Bei Waris Dirie wird die Mutter wahrscheinlich zwar gewusst haben, dass ihr Kind im Herbst geboren wurde, aber das wirkliche Geburtsjahr ist unbekannt.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Waris_Dirie

Bei der einfachen Bevölkerung war das damals weitgehend so. Die Geburt eines Kindes aus dem einfachen Volk (das waren etwa 80% der Bevölkerung des Mittelalters) wurde nicht erfasst oder registriert. Zwar gab es durchaus auch Taufregister der Kirche, das war aber nur dem Nachwuchs von wohlhabenden, adligen oder geistlichen Persönlichkeiten vorbehalten. Daher kannten viele Menschen im Mittelalter ihr genaues Geburtsdatum nicht.