Ist die Ableitung von da/dt gleich d^2a/dt^2?

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Nein ist sie nicht. Der Operator d/dt beschreibt die erste Ableitung der Operator d^2/dt^2 beschreibt die 2. Ableitung

Nehmen wir als Beispiel die gleichförmig beschleunigte Bewegung (d.h. A ist konstant). Dafür gilt die Formel

s = 1/2  a  t^2

Dann ist die Geschwindigkeit 

v = ds/dt = d/dt  ( 1/2 a t^2) = 1/2 a d/dt (t^2) = 1/2 a 2t = a t

Und die Beschleunigung

a = d^2 s/dt^2 = dv/dt = d/dt (a t) = a d/dt (t) = a 1 = a

Ja. Du kannst Dir das klar machen, indem Du

(1.1) (d/dt)

als Operator betrachtest, der alles, was rechts von ihm steht, nach t differenziert, also

(1.2) da/dt = (d/dt)·a = ȧ.

Somit ist

(2) d²a/dt² = (d²/dt²)·a = (d/dt)·(d/dt)·a = (d/dt)(da/dt) = dȧ/dt= ä.

Das »d« ist in diesem Zusammenhang ebenfalls ein Operator und darf auf keinen Fall wie eine ganz gewöhnliche Zahl behandelt werden.

Das »d« allein gehört insbesondere nicht in einen Nenner oder unter eine Wurzel, weil das keinen Sinn ergibt.

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Dies war eine der großen Schwierigkeiten bei der Suche nach einer Lorentz-invarianten »Wellen«-Gleichung 1. Ordnung auf der Suche nach der Formulierung einer Quantentheorie, die mit der Speziellen Relativitätstheorie kompatibel ist. Das Problem wurde 1928 von Paul Dirac gelöst, indem er das »Operator unter Wurzel«- Problem geschickt umging.


einfachsoe  10.08.2016, 18:13

Zu deinem Absatz: Kennst du gute Quellen um sich da einzulesen? Dieses Problem sagt mir als Physikstudent nichts, was mir etwas peinlich ist 😅

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SlowPhil  10.08.2016, 20:11
@einfachsoe

Das Stichwort heißt »Dirac-Gleichung«. Für' s Erste kann man die deutschsprachige oder auch die englischsprachige Wikipedia zu diesem Thema lesen.

Ich kann es aber auch einfach erst einmal etwas dazu sagen:

  1. Die Newton'sche Energie-Impuls-Beziehung [hier mit Ruheenergie, was nicht üblich ist] lautet für einen kraftfreien Körper der Masse m

    E = [mc² +] p²/2m.

  2. Auf dieser Grundlage formulierte Erwin Schrödinger 1926 eine Wellengleichung für die Wellenfunktion ψ(|x›,t) eines freien, spinlosen Teilchens der Masse m:

    (iħ∂/∂t) ψ(|x›,t) = (–ħ²∇²/2m) ψ(|x›,t)

    Dabei ist ∂…/∂t die partielle Ableitung nach t und ∇ der Nabla-Operator, der ein skalares Feld in jede der drei Hauptrichtungen differenziert und so den Gradienten herauskitzelt, einen Vektor, der in die Richtung des stärksten Anstiegs des Feldes zeigt und diesen als Betrag hat.

    Allgemein werden in der Quantentheorie physikalische Größen durch Operatoren dargestellt, die Zahlen sein können, aber eben wie hier auch Differentialoperatoren. 
  3. Die Relativistische Energie-Impuls-Beziehung (aus der die Newton'sche als Näherung hervorgeht) lautet in ausquadrierter Form

    E² = m²c⁴ + c²p²       ⇔    m²c² = E²/c² – p²

    wobei Letzteres die Betragsgleichung für den Viererimpuls eines Körpers ist. In Wurzelform ist das

    E = √{m²c⁴ + c²p²}    ⇔    mc² = √{E² – c²p²}

  4. Auf dieser Grundlage formulierten Oskar Klein und Walter Gordon 1926 die Gleichung


    m²c²ψ(x^µ) = ħ²(–∂²/∂t² + ∇²)ψ(x^µ),


    die zweiter Ordnung ist und Lösungen zu negativen Frequenzen hat.
    Die wurden als negative Energien interpretiert und für unphysikalisch gehalten, bis sich herausstellte, dass die Energie trotzdem positiv ist und die Teilchen mit den negativen Frequenzen als Antiteilchen interpretiert werden können.
  5. Für eine Gleichung 1. Ordnung konnte man natürlich nicht einfach

    m·c·ψ(x^µ) = √{ħ²(–∂²/∂t² + ∇²)}ψ(x^µ)

    schreiben. Operatoren unter Wurzeln ergeben keinen Sinn.
    Dies war das Problem, das dann 1928 Dirac löste.
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einfachsoe  10.08.2016, 22:59

Wow, danke. Lese mir auf jeden Fall noch was dazu in Wikipedia durch

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Eher nicht. 

In dem Zusammenhang sieht a wie eine Konstante aus.
Es gilt d(at)/dt = a
Bei da/dt ist ein Zusammenhang von a und t nicht erkennbar, daher
da/dt = 1
wenn es weiter keine Informationen gibt.

Die Differentialschreibweise einer zweiten Ableitung wäre auch anders, z.B. bei x²:

dx²/dx  = 2x         1. Ableitung      d(ax²)/dx   = 2ax
d²x/dx² = 2           2. Ableitung     d²(ax²)/dx² = 2a

Auch hier wäre a eine Konstante.
Wenn man Ableitungen in einer Zeile schreiben möchte, muss man sich an einige Konventionen halten.
Und auch hier:
lieber ein Paar Klammern mehr als zu wenig.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Unterricht - ohne Schulbetrieb

SlowPhil  10.08.2016, 14:35

Natürlich könnte a eine Konstante sein, da BatmanZer nicht ausdrücklich a(t) geschrieben hat, und nur dann gälte

d(a·t)/dt = a·dt/dt = a.

Bei da/dt ist ein Zusammenhang von a und t nicht erkennbar, daher

da/dt = 1

Da liegst Du wirklich falsch. Wenn a wirklich konstant wäre, dann wäre

da/dt = 0.

Und dies gilt auch nicht, wenn es keine weiteren Informationen gibt - dann muss man da/dt stehen lassen, weil man ja nicht weiß, ob da doch noch etwas von 0 verschiedenes steht  - sondern wenn es die Information gibt, dass a definitiv konstant ist.

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Volens  10.08.2016, 14:41
@SlowPhil

Richtig. Da habe ich mich vertippt, wie sich aus dem weiteren Kontext ableiten lässt.

da/dx = 0          egal ob x, t oder Otto

Danke!

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Genau:

da/dt = 1. Ableitung von a(t) nach t

d^2 a / d t^2 = d (da/dt) / dt = 2. Ableitung von a(t) nach t

Das ^2 nach dem d unter dem Bruchstrich lässt man weg...


SlowPhil  10.08.2016, 14:39

da/dt=1

gilt nur dann, wenn a(t) = t + const. ist, also eine lineare Funktion mit der Steigung 1.

Außerdem ist mit »dt²« im Nenner auch nicht »d t²« in Sinne von »d·t²« gemeint, sondern (dt)², was nicht (!) zu d²t² aufzulösen ist, denn d ist keine Zahl, sondern bedeutet eine kleine (idealisierterweise infinitesimale) Differenz.

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Australia23  10.08.2016, 15:08
@SlowPhil

da/dt=1

Das sollte heissen: da/dt = die erste (1.) Ableitung von a(t) nach t

Außerdem ist mit »dt²« im Nenner (...) 

Das ist mir durchaus bekannt. Ich ging hier (vielleicht fälschlicherweise) davon aus, dass es dem Fragesteller auch bekannt ist, daher machte ich keine näheren Angaben dazu.

Zudem rechnete ich hier gar nicht mit den "Brüchen" sondern versuchte bloss zu erklären, woher die Notation "d^2 a / d t^2" kommt.

Und "d^2 a / d t^2" steht ja für "d (da/dt) / dt" -> a(t) zwei mal nach t abgeleitet.

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Australia23  10.08.2016, 15:33
@SlowPhil

Zudem, sehe ich gerade, hast du doch genau dasselbe nur etwas ausführlicher erklärt:

(2) d²a/dt² = (d²/dt²)·a = (d/dt)·(d/dt)·a = (d/dt)(da/dt) = dȧ/dt= ä.

"(d/dt)(da/dt)" kann man doch genau so gut als "d (da/dt) / dt" schreiben.

"d (da/dt) / dt" finde ich persönlich sogar anschaulicher, da man hier "da/dt" nach t ableitet, genau wie man in "df/dt" die Funktion f(t) nach t ableitet...

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