Entspricht die redunanztheorie der Warheit?

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Die Redundanztheorie der Wahrheit besteht in der Auffassung, die Prädizierung von „wahr“ und „falsch“ (Anwendung dieser Prädikate) sei logisch und semantisch überflüssig (lateinisch redundare = überströmen, im Überfluß vorhanden sein; redundantia = Überströmen, Überfülle; redundans = überströmend, überflüssig).

Frank Plumpton Ramsey und Alfred Jules Ayer sind Vertreter dieser Theorie gewesen, wobei es der Sache nach in gewissem Umfang schon Vorgänger gegeben hat wie Gottlob Frege (einige Bemerkungen in Über Sinn und Bedeutung). Die Redunanztheorie ist vor allem auf die Korrespondenztheorie der Wahrheit und ihre Abwandlung in der semantischen Wahrheitstheorie von Alfred Tarski bezogen, in einer Entgegensetzung. Sie gehört zu Theorien, die als deflationäre oder deflationistische Wahrheitstheorien bezeichnet werden, weil Wahrheit darin keine echte Entität ist.

Sätze wie „Es ist wahr, daß Schnee weiß ist“ oder „Es ist wahr, daß 5 eine Primzahl ist“ besagen im Grunde nicht mehr als „Schnee ist weiß“ bzw. „5 ist eine Primzahl“.

In Hinsicht auf die Bedeutung des Satzes ist das Prädikat „wahr“ im Grunde überflüssig. Wenn die Prädizierung von „wahr“ oder „falsch“ beseitigt wird, geht kein Bestandteil der Information verloren, weil der Satz in beiden Fällen als wahr oder falsch dargestellt wird.

Die Verwendung der Prädikate „wahr“ und falsch“ dient nach der Redundanztheorie nur stilistischen Gründen, der Nachdrücklichkeit/Bekräftigung/Bestätigung/Betonung einer Behauptung bzw. pragmatischen Zwecken in einer Kommunikationssituation. Wer ernsthaft Behauptungen aufstellt, meint auch, etwas sei so wie behauptet. Derartige Aussagen haben allgemein einen Geltungssanspruch.

Bei Sätzen der Art wie in den genannten Beispielen wird tatsächlich nur etwas ausdrücklich gemacht, was implizit in dem Satz schon steckt.

Bei anderen Klassen von Sätzen (indirekte Bezüge, Aussagen über die Richtigkeit/Wahrheit von etwas) ist eine Umformulierung bei Erhalt der Information zumindest deutlich schwieriger.

Beispiele:

„Alle Folgen einer wahren Aussage sind wahr.“

„Alles, was der Vortragende gesagt hat, ist wahr.“

Aus der hier gestellten Frage können auch Beispiele formuliert werden:

„Die Redundanzheorie ist wahr“.

„Die Redundanzheorie ist falsch“.

Ein Hinzufügen einer Prädizierung von „wahr“ oder „falsch“ („Es ist wahr/falsch, daß …“) brächte im Grunde keine neue Information. Das schon enthaltene „wahr“ bzw. falsch“ kann aber nicht so einfach eliminiert werden, weil es auf einer anderen Ebene liegt.

Die Redundanztheorie versucht diess zu bewältigen, indem sie sie erklärt, allgemein gelte die Äquivalenz: Es ist wahr, daß p äquivalent p Die Bedeutung von „wahr“ erkläre sich näher in dieser Äquivalenz („p ist wahr“ ↔ q).

Ein naheliegendes Verständnis ist:

Für alle Sätze p und q: wenn p, und wenn q aus p folgt, dann q

Zu einer wohlgeformten Grammatik einer natürlichen Sprache gehört allerdings das Hinzufügen eines Prädikats zumindest für das zuerst vorkommende p und das zuletzt vorkommende q. Das angemessenste Prädikat dafür ist „wahr“ oder eine Umschreibung (Paraphrase) von „wahr“.

Eine künstliche Sprache oder ein Ersatz für „wahr“ (was jedoch auf einen eher schlechten Streit um Worte hinausläuft) wären für die Redundanztheorie nötig.

Die Redundanztheorie deutet Wahrheit als nur formalen Begriff (Funktion, Zeichen für Zustimmung zu sein). „Wahr“ ist nach ihrer Auffassung keine Eigenschaft eines Satzes und keine Relation.

Ein Wirklichkeitsbezug von „wahr“ ist jedoch nicht gut abzuweisen. Wer sagt oder schreibt, etwas sei wahr, meint schon nach einem intuitiven Verständnis, sich auf die Wirklichkeit zu beziehen, und erhebt bei ernsthaften Behauptungen zumindest implizit in dieser Bezugsrichtung den Anspruch, sie seien wahr. Ich persönlich halte die Redundanztheorie für nicht überzeugend, weil sie viele Schwachstellen hat, Gegenbeispiele ihr Schwierigkeiten bereiten (für die Theorie ist es erforderlich, durchgängig aufrechtzuerhalten sein) und gwichtige Gegenargumente vorhanden sind.

Es gibt nicht nur eine moderne Wahrheitstheorie, sondern mehrere (Hauptansätze sind die Korrenspondenzteorie, die Kohärenztheorie, die pragmatische Wahrheitstheorie und die Konsensheorie). Sie gibt es zwar teilweise schon sehr lange, doch werden sie in modernen Ausarbeitungen weiterhin vertreten. Eine einheitliche Meinung aller Theorien zu dem Thema gibt es nicht.

Warum „Kreter“ als „Thema“ angeben sind, wird in der Fragebeschreibung nicht erläutert. Das Paradoxon des Epimenides, bei dem ein Kreter sagt, alle Kreter seien Lügner, ist eine semantische Antinomie (sich aus der Bedeutung der Wörter ergebende Unstimmigkeit eines logischen Widerstreits). Die Redundanztheorie hat ein anderes Thema und ist auch nicht nötig, um den scheinbaren Widerspruch aufzulösen. Dieser entsteht durch die Selbstbezüglichkeit (Selbstreferenzialität) und das Vorhandensein von zwei Ebenen.


Albrecht  13.08.2012, 05:33

Martin Binder, Zwischen Metaphysik und Relativismus : zu Hilary Putnams Wahrheitssuche im Kontext der klassischen Wahrheitstheorien. Münster : Lit-Verlag, 2004 (Pontes ; Band 26), S. 61- 64:
„Als Beispiele für Vertreter der deflationistischen Wahrheitstheorien sollen hier die Redundanztheorie von Ramsey (und Ayer) sowie die daraus erwachsene „Performative Theorie“ von Strawson kurz aufgezeigt werden und die mit ihnen verbundenen Schwierigkeiten hervorgehoben werden. Die Auswahl dieser Theorien ist dadurch motiviert, dass sie den Grundgedanken des Wahrheitsdeflationismus anschaulich erhellen, ohne dabei technisch so anspruchsvoll zu sein, dass sie in diesem kurzen Überblick nicht mehr darstellbar wären.

Für Ramsey […] handelt es sich bei der Verwendung der Wahrheitsprädikation in Propositionen um eine rein stilistische Angelegenheit (zum Beispiel um etwas mit Nachdruck zu sagen oder um eine Position klar zu machen). Das Wahrheitsproblem ist für ihn eine „Sprachverwirrung“, denn beispielsweise zu sagen „Es ist wahr, dass Caesar ermordet wurde“ bedeute nicht mehr als zu sagen, dass Caesar ermordet wurde. Der Zusatz „… ist wahr“ ist also überflüssig bzw. redundant. Dies lässt sich nach Ramsey mit unterschiedlicher Schwierigkeit für alle Arten von Propositionen zeigen […]. Auch für Ayer […] sind „wahr“ und „falsch“ logisch überflüssige Begriffe, die nur der Bejahung (oder Verneinung) einer Aussage dienen. Zu sagen „p ist wahr“ bedeute nichts anderes als p zu sagen, so dass sich hier die Redundanz des Wahrheitsprädikates ergibt. Diese Aquivalenz wird formal so ausgedrückt:

(2.9) „p ist wahr“ ↔ q

Obwohl diese Argumentation oberflächlich sehr einleuchtend ist, finden sich mehrere Argumente, die gegen sie sprechen (vgl. White 1970, S. 92ff. und Gloy 2004, S. 163 f.):

Zum Ersten begehen die Redundanztheorien generell den Fehler, dass sie logische und bedeutungsmäßige Äquivalenz gleichsetzen. Dies ist aber falsch, wie man anhand der logisch äquivalenten Sätze „Das Dreieck ABC ist gleichseitig“ und „Das Dreieck ABC ist gleichwinklig“ sehen kann. Die Sätze sind nämlich nicht bedeutungsäquivalent („synonym“, […]) Der zweite Einwand nach White ist der, dass die Aussage „p ist wahr“ gegenüber „p“ noch einen zusätzlichen Kommentar erhält (nämlich dass es sich tatsächlich so wie p verhält), der nicht reduzierbar ist. Dies lässt sich durch eine Warum-Frage erhellen, die sich im Unterschied von „Warum ist es wahr, dass p?“ und „Warum ist p?“ darstellt.

Das letzte Argument betrifft die erläuterte Äquivalenzbedingung (und wird von Gloy 2004 als das stärkste Gegenargument angeführt, S. 163 f.): Die logische Struktur der Äquivalenzformel ist eine beidseitige, d. h. A ↔ B muss man von links nach rechts und umgekehrt lesen können. Die Redundanztheorie hat aber eine einseitige Präferenz für die Lesart von links nach rechts wenn sie Fall von (2.9) unterstellt, der linke Teil beinhalte den rechten. Liest man diese Äquivalenz anders herum, so gerät man in arge Bedrängnis, denn dann aus p zu implizieren, dass „p ist wahr“, erscheint dubios: Die Wahrheit einer Proposition ist nicht durch die Proposition gegeben.

Für Strawson […] ist die Kritik an der Redundanztheorie berechtigt, jedoch wendet er sich ebenfalls dagegen, den über p hinausführenden Zusatz von „p ist wahr“ als Behauptung (bzw. als Eigenschaft von Zeichen) zu sehen, wie dies die semantische Theorie macht. Seine performative Theorie der Wahrheit ist ein Spezialfall der Redundanztheorie (vgl. Heckmann 1981, S. 69): Zu sagen „Es ist wahr, dass Caesar ermordet wurde“ ist mehr als eine reine Beschreibung, denn man drückt etwas Zusätzliches, Neues aus: Dieser sprachliche Vollzug (genannt „Sprechakt“ oder „Sprechhandlung“) ist mehr eine Beschreibung, nämlich ein Tun (eine sogenannte Performanz; daher der Name „performative Theorie der Wahrheit“). Etwas „wahr“ nennen ist ein Sprechakt der Affirmation (oder Bestätigung), der über die reine Feststellung einer indikativen Aussage (Deskription) hinausgeht (vgl. auch Prechtl 1999, S. 206f.).

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Albrecht  13.08.2012, 05:35

Jedoch lassen sich auch gegen diese Aufassung Einwände finden, nämlich derart, dass man Gegenbeispiele für eine Identität von Wahrheit und Zustimmung gibt (vgl. Gloy 2002, S. 166): Erstens gibt es sehr wohl den deskriptiven Gebrauch von „wahr“, zum Beispiel in: „p hat sich als nicht wahr herausgestellt“. Zweitens kann man Wünschen, Entscheidungen, Entschuldigungen etc. zustimmen, ohne damit zu sagen, dass sie wahr sind: Eine Entscheidung ist nicht wahr (egal ob man zustimmt oder nicht). Ein drittes Gegenbeispiel betrifft Sätze wie „Im Hof befindet sich ein bissiger Hund“, die Unterschiedliches besagen können. Einmal kann es sich um eine Wahrheitsbehauptung handeln, wenn ein Sachverhalt dargelegt werden soll. Man kann den Satz hingegen auch als Warnung interpretieren, so dass es sich um ein Tun handelt, nämlich den Hinweis auf einen Sachverhalt (es gibt also eine Differenz zwischen Sagen und Tun). Es gibt viertens auch Fälle, in denen man das Wort „wahr“ ohne Zustimmung verwendet, nämlich bei Sätzen wie „Eine Aussage ist entweder wahr oder falsch“ oder „Woher weiß er, dass das wahr ist?“. Auch diese Beispiele zeigen, das es unbegründet wäre, den Wahrheitsbegriff mit dem reinen Akt der Zustimmung gleichzsetzen (vg. zu diesen Gegenbeispielen auch Kirkham 2001, S. 308ff.), so dass die performative Theorie der Wahrheit wesentliche Aspekte des Wahrheitsbegriffes nicht erklärt (eine Reduktion des Wahrheitsbegriffes auf Zustimmung – oder Ablehnung im Falle von Falschheit -, wie es Strawson vorschwebte, funktioniert also nicht).

Aufgrund der vielen Gegenargumente hält Heckmann (1981), S. 75, die verschiedenen Spielarten von Redundanztheorien für gescheitert, jedoch ist gerade in der jünsgten Vergangenheit die Diskussion um weiter entwickelte Theorien aus diesem Bereich wieder in vollem Gange.“

erwähnte Veröffentlichungen:

Karen Gloy, Wahrheitstheorien : eine Einführung. Tübingen ; Basel : Francke, 2004 (UTB : Philosophie ; 2531). ISBN 3-7720-3010-6 (Francke) ; 3-8252-2531-3 (UTB)

Heinz-Dieter Heckmann, Was ist Wahrheit? : Eine systematisch-kritische Untersuchung philosophischer Wahrheitsmodelle. Heidelberg : Winter, 1981 (Beiträge zur Philosophie : N.F.). ISBN 3-533-03061-X

Richard L. Kirkham, Theories of truth : a critical introduction . Fifth printed. Cambridge, Massachusetts ; London : MIT press, 2001. ISBN 0-262-11167-5 ; 0-262-11167-5

Peter Prechtl, Sprachphilosophie : Lehrbuch Philosophie. Stuttgart ; Weimar : Metzler, 1999. ISBN §-476-01644-7

Alan R. White, Truth. Garden City, Ney York : Doubleday, 1970 (Problems in philosophy. A Doubleday Anchor original : Philosophy)

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beemaya 
Beitragsersteller
 13.08.2012, 09:44
@Albrecht

danke für deine ausführliche beschreibung

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In dieser Theorie geht es nicht um Wahrheit als solche sondern um Wahrheit von Sätzen. Es wird ausgesagt, dass der Satz "Es ist wahr, dass es draußen regnet." durch die Aussage "Es ist wahr" nicht wahr wird, sondern diese Aussage die Restaussage "Draußen regnet es." als Bekenntnis bestärkt oder bestätigt und damit lediglich eine persönliche Betonung ausdrückt, nicht aber die Tatsache bestätigt, dass es draußen regnet, das kann nur ein Blick aus dem Fenster. In einer Konversation von drei Personen, in der A sagt: "Draußen regnet es." und B fragt "Wirklich?" kann C sagen: "Es ist wahr, dass es draußen regnet." - Es würde aber reichen, wenn C sagte: "Draußen regnet es." Innerhalb der Sprachtheorie ist die Redundanztheorie sicher eine hilfreiche Klärung, aber in der Lebensrealität führen wir keine "Blinde Kommunikation" sondern unsere Sätze sind in lebendiger Kommunikation von allen Inputs unserer Sinne begleitet, sodass wir die Wahrheit von Sätzen häufig aktuell durch unsere Sinneseindrücke gegenkontrollieren.


phi243  11.08.2012, 23:20

Die Frage ist nur, ob die Unterscheidung zwischen wahr und falsch nicht erst durch den Satz, der die Frage danach stellt, zustande kommt.

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berkersheim  12.08.2012, 12:29
@phi243

Wahr und falsch sind auf unterschiedlichen Lebensgebieten und bei verschiedenen Ansprüchen sehr verschieden ausgelegt (z.B. in der Rechtsprechung oder in der Liebe). Wenn jemand fragt: Ist es wahr, dass Du mich liebst? steht da etwas ganz anderes auf dem Spiel als wenn der Richter fragt: Ist ihre Aussage zum Unfallhergang wahr oder hatten sie nur begrenzte Sicht? Ein Satz mit WAHR und FALSCH kann nie das ganze Umfeld einfangen. Es ist ein Verweis auf eine Entscheidung innerhalb eines Lebensumfeldes.

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beemaya 
Beitragsersteller
 15.08.2012, 09:39
@berkersheim

für wahr! recht haste

allerdings ist auch die frage inwiefern wahrheit u lüge ansich "existiert" aber das führt zu weit..

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