Die einzige Behinderung ist dein Mindset?

11 Antworten

Generell kommt es auf die Einstellung an. Insofern ist das "Versuchen - Hinfallen - Aufstehen und Krone richten - weiter versuchen" oder auch schlichtweg eine "Weiterbildung" eine Basis für diese Aussage.

Natürlich gibt es auch Einschränkungen, sei es biologisch/medizinischer Art oder aus psychischen Gründen.

Letztendlich soll m.E. dieser "Glaube" motivieren, sich nicht mit dem - unbefriedigenden - Status Quo abzugeben sondern etwas zu tun, also aktiv zu werden/sein.


SerenSaethu  21.06.2024, 15:25

Das ist sehr gut = "Letztendlich soll m.E. dieser "Glaube" motivieren, sich nicht mit dem - unbefriedigenden - Status Quo abzugeben sondern etwas zu tun, also aktiv zu werden/sein."

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Behinderungen sind durchaus real, aber viele Menschen mit Behinderungen sind nicht der Meinung, dass sie behindert sind, sondern behindert werden. Und das ist ein Unterschied. Zum Beispiel hat eine Person, die einen Rollstuhl nutzt, keine Probleme im Alltag – bis sie zu einer Treppe kommt und keine Rampe oder Fahrstuhl verfügbar sind. Für die Person stellt die Treppe eine Behinderung dar. Das Problem ist nicht, dass die Person nicht laufen kann, sondern dass bei der Architektur des Gebäudes Rollstuhlnutzer nicht berücksichtigt wurden. Ähnlich ist es mit gehörlosen Menschen. Eine Durchsage im Zug oder am Bahnhof, die nicht außerdem auf den Bildschirmen angezeigt wird, kann ein Problem sein.

Ich bin autistisch, und Autismus kann eine Behinderung darstellen. Das Problem für uns ist, dass Autismus mit Stigma verbunden ist, und in vielen Bereichen darauf keine Rücksicht genommen wird. Autistische Menschen haben es schwer, einen Beruf zu finden, der zu ihren Bedürfnissen passt. Und im Bewerbungsprozess fallen sie oft durch, weil dabei großer Wert auf "social skills" gelegt wird, auch wenn sie fachlich sehr qualifiziert sind.

Also ja, Mindsets spielen bei Behinderungen eine große Rolle. Wir können uns zum Beispiel entscheiden, barrierearme Architektur und Strukturen zu fordern, statt die Schuld bei behinderten Menschen zu suchen. In einer Welt ohne Barrieren würde es keine behinderten Menschen geben.


oklein  21.06.2024, 16:19

Auch von mir: ein guter Beitrag.

Allerdings muss ich Dir bei den baulichen Themen (ist mein Fachgebiet) widersprechen. Wir haben gerade im Bereich der Gehbehinderten enorme Vorgaben im Baurecht, die auch einzuhalten sind, sei es Bordsteinabsenkungen an Querungen, Bordsteinerhöhungen für den Einstieg in die Straßenbahn, Rampen mit max. 6% Neigung mit Zwischenaufenthalten zum Ausruhen, usw. Manches kann aber tatsächlich nicht umgesetzt werden, da es die Topografie oder schlichtweg der Grundstücksplatz nicht hergeben. Wenn man in ein Mehrfamilienhaus mit 3-4 Etagen das EG behindertengerecht gestaltet / zugänglich macht, dann sind die oberen Etagen nicht mehr praktikabel genauso herzustellen. Ein notwendiger Aufzug würde die Bau- und Betriebskosten so erhöhen, dass sich die Mieten keiner mehr leisten kann. Gleiches gilt für Rampen bei Hanglagen, bei denen die 6% schlichtweg geometrisch nicht gehen.

Für die Wohnungen sind die Vorschriften so weitreichend, dass selbst die Breite von Fluren für Rollstuhlfahrer PLUS Begleitperson auszulegen sind.

Schwierig wird es auch z.B. bei Bahnhöfen an den Gleisen. Ein Unter- oder Überführung ist in der Planung zwar immer vorzusehen, aber der Aufzug geht "halt nur" bei vorhandenem Strom.

Zu den Berufen muss konstatiert werden, dass sich manche Berufe für Menschen mit Einschränkungen auch nicht eignen (z.B. Maurer, Betonbauer) - ich finde das aber nicht schlimm. Wichtig ist in der Planung z.B. bei Büros, dass sowohl Türen als auch Arbeitsplätze entsprechend ausgestaltet werden. Das ist aber nach meiner Erfahrung der Fall, da sich die Auftrag-/Arbeitgeber sehr wohl auf Mitarbeiter mit Behinderungen einstellen.

Ich meine aber, dass in jedem Fall das "Mindset" der betroffenen Person immer relevanter ist. Auch bei einem Vorstellungsgespräch braucht es natürlich das entsprechende Selbstbewusstsein, um eine "Einschränkung" als letztendlich nebensächlich darzustellen.

Zur Einschätzung meiner Erfahrung: mein Vater ist einseitig oberschenkelamputiert im Rollstuhl und hat dennoch in seinem Ingenieurbüro gearbeitet. Lediglich die Sanitäreinheiten haben wir umgestalten müssen und ein paar kleine Türschwellen wurden angepasst.

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VeryBestAnswers  21.06.2024, 16:33
@oklein
Wir haben gerade im Bereich der Gehbehinderten enorme Vorgaben im Baurecht

Das ist auch gut so, ich will das gar nicht kleinreden. Wenn Rollstuhlfahrer*innen auf Barrieren stoßen, wahrscheinlich vor allem bei älteren Gebäuden. Und natürlich wenn ein Fahrstuhl vorhanden ist, aber nicht funktioniert.

Zu den Berufen muss konstatiert werden, dass sich manche Berufe für Menschen mit Einschränkungen auch nicht eignen

Da gebe ich dir Recht, nicht jeder Mensch kann jeden Beruf ausüben. Das gilt aber nicht nur für behinderte Menschen. Ich kann zum Beispiel kein Basketballer werden, weil ich zu klein bin. Auch für ein Model, einen Polizist oder für schwere körperliche Arbeit habe ich nicht die körperlichen Voraussetzungen. Ich bin Software-Entwickler, auch das kann nicht jeder. Alle Menschen haben Einschränkungen, manche mehr, manche weniger.

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VeryBestAnswers  21.06.2024, 16:37
@VeryBestAnswers

Es gibt aber Dinge, die jeder Mensch können sollte: Zum Beispiel einen Bus oder Zug nutzen, einen Stimmzettel ausfüllen, etc.

Und es ist gut, dass Behinderungen da inzwischen öfters mitgedacht werden.

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oklein  21.06.2024, 17:25
@VeryBestAnswers

Beim Software-Entwickler wollte ich zuerst widersprechen, denn "if-then-else" macht jeder jeden Tag mehrfach 😉🤣 - aber genau das meinte ich in meinem kurzen Beitrag mit dem 2. Absatz.

Die individuellen Möglichkeiten richten sich natürlich vom eigenen Vermögen oder auch Talent, aber es kann auch nicht nur Nobel-Preis-Träger geben.

Ich verstehe die Frage aber dennoch so, dass die erste zu überwindende Hürde in der Entwicklung die ist, die sich manche Menschen selbst setzen. Um bei Deinem Bsp. zu bleiben: auch mit Rollstuhl kann man Basketball spielen und als Kleinwüchsiger ist man z.B. beim Schach besser 😊

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VeryBestAnswers  21.06.2024, 18:04
@oklein

Ich denke, dass sich unsere Vorstellungen nicht groß unterscheiden. Ich bin ein gutes Beispiel dafür, dass wir unser Schicksal selbst in der Hand haben: Ich war vor ein paar Jahren schwer depressiv, habe mein Studium in den Sand gesetzt und fühlte mich wie ein totaler Versager. Aber ich habe die Depression mithilfe von Psychotherapie überwunden, ich habe eine Ausbildung gemacht und bin jetzt sehr zufrieden mit meinem Leben. Aber ich habe unterwegs auch Menschen kennengelernt, denen es schlechter geht als mir, und die ihre Probleme nicht so leicht in den Griff bekommen. Und daran sind sie nicht allein selbst schuld.

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oklein  21.06.2024, 18:44
@VeryBestAnswers

Sehr gutes Beispiel: Anstelle Studium nun Ausbildung und Zufriedenheit. Dass Du dafür externe Beratung brauchtest, ist ja nur einer von mehreren Wegen zur Weiterentwicklung.

Meine Frau hatte vorletztes Jahr für 12 Monate einen heftigen Burnout - psychologisch aus dem Beruf bedingt - also schlechtes Management der Vorgesetzten und ständig wechselnde Mitarbeiter. Es war kaum zu glauben, da sie ein echte Powerfrau ist. Aber auch das ist vorbei (mit Psychologe und Reha).

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SerenSaethu  21.06.2024, 15:27

.... das ist wirklich eine "very best answer" = TOP!

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Tja, gute Frage, woher das kommt! Vermutlich daher, dass es halt doch eine relevant große Anzahl an Menschen gibt, die nicht so gut damit klarkommen, ihr eigenes Leben wirklich in die Hand zu nehmen, ihren Weg zu suchen und zu finden und dabei eigene Entscheidungen zu treffen und mit den Konsequenzen dieser Entscheidungen umzugehen. Stattdessen suchen sie sie nach Menschen, die ihnen sagen, was sie tun sollen.

Das führt dazu, dass andere Menschen da wiederum eine Möglichkeit sehen, damit Geld zu verdienen. Wichtig dabei: man muss den Menschen ein Heilsversprechen machen, was aber nicht so einfach erreicht werden kann, dass sie das selbst hinbekommen. Unerreichbar darf es auch nicht wirken, aber es muss schon schwierig genug sein, damit sie sich immer wieder an ihren "Guru" wenden und sich Hilfe von ihm erkaufen.

Und da ist so ein Gelaber von "Mindset" natürlich ein ziemlich geeigneter Ansatz! Auf jeden Fall besser als "Finde heraus, worin du gut bist, was du kannst und was du wirklich willst! Und es ist absolut okay, nicht alles zu können.". Denn damit würden die Menschen viel zu schnell einen Weg finden, mit dem sie nachhaltig zufrieden werden könnten ;).

Ich habe einen Gendefekt und aufgrund dessen krank und behindert. Ich kann mich in die Ecke setzen und heulen oder das Beste daraus machen und mein Leben trotzdem genießen.

Alles schaffen was man will kann ich nicht, weil mein Körper mir da einfach Grenzen setzt.

Mit besserem mindset lebt es sich einfach besser

So ganz falsch ist das ganze nicht!

Auf die Einstellung kommt es meist an!

Wer innerlich resigniert hat und nicht einmal den Versuch wagt, wird nicht besonders weit kommen.

Klar gibt es Dinge die man selbst nicht beeinflussen kann, allerdings sollte man die Dinge die man selbst in irgendeiner Weise beeinflussen kann voll auskosten.

Manchmal baut man sich die Barrikaden selbst, man muss manchmal nur aus sich selbst rauskommen und versuchen diese zu überwinden. Nur so kann man sich entwickeln und innerlich wachsen.

Manchmal mit Erfolg, manchmal klappts nicht, so ist das Leben. Aber am Ende des Tages kann man sagen, das man es zumindest versucht hat, allein das ist schon viel wert!


NichtGronkh99 
Beitragsersteller
 16.06.2024, 19:18

Ja ich hsb resigniert

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