Meinung des Tages: 75 Jahre Grundgesetz - wie bewertet Ihr unsere Verfassung?
75 Jahre Grundgesetz
Heute vor 75 Jahren trat am 23. Mai 1949 das Grundgesetz der ebenfalls am selben Tag gegründeten Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Die BRD bildete sich nur wenige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs aus den drei westlichen Besatzungszonen der Westalliierten. Im Osten befand sich die Sowjetische Besatzungszone, aus der am 7. Oktober 1949 die von der SED regierte diktatorische Deutsche Demokratische Republik entstand.
Um Westdeutschland nach der 12-jährigen NS-Diktatur sukzessive wieder in das politisch-wirtschaftliche Geflecht der internationalen Bühne einzubinden, entschieden sich die Westalliierten dazu, in ihren Zonen eine einheitliche und demokratische Grundordnung zu etablieren. Hierzu wurde ein aus 65 Vertretern der westdeutschen Länder bestehender Parlamentarischer Rat gegründet, der unter dem Vorsitz von Konrad Adenauer binnen weniger Monate das Grundgesetz erarbeitete.
Seit jeher fungiert das Grundgesetz als zentrales Dokument der deutschen Verfassungsordnung, in welchem grundlegende Werte, Rechte und Strukturen festgelegt sowie unsere demokratische und rechtsstaatliche Ausrichtung gesichert wird.
Artikel 1 als zentrales Element
Das deutsche Grundgesetz beginnt mit Artikel 1, der folgendes besagt: "Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt". Dieser gewichtige und zentrale Satz der Verfassung entstand unter dem Eindruck der beispiellosen Schuld sowie der menschenverachtenenden Verbrechen, die das nationalsozialistische Regime auf sich geladen hatte.
In den darauffolgenden Artikeln 2 bis 19 werden uns einzelne Grundrechte aus unterschiedlichsten Lebensbereichen gewährt, so z.B. das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Recht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit oder das heute oftmals zitierte Recht auf freie Meinungsäußerung.
Der Gesetzestext durchlief im Laufe der Zeit zahlreiche Anpassungen. Änderungen jedoch sind nur mit einer 2/3-Mehrheit der Abgeordneten des Bundestags und der Länderkammer möglich. Hierdurch soll vor allem das demokratische Grundgerüst vor potentiellen Feinden geschützt werden.
International genießt das deutsche Grundgesetz einen sehr guten Ruf und dient insbesondere Ländern mit Diktatur-Vergangenheit immer noch als Vorbild.
Ein beständiges Provisorium
Interessanterweise war das 1949 in Kraft getretene Grundgesetz angesichts der deutschen Teilung lediglich als Provisorium bis zur - damals noch fernen - Wiedervereinigung des Landes gedacht.
Der historisch ideale Moment für eine neue Verfassung wäre für viele Menschen die deutsche Wiedervereinigung 1990 gewesen. Die Politikwissenschaftlerin Astrid Lorenz bemerkt, dass es zum damaligen Zeitpunkt einige Debatten über eine neue Verfassung gab, diese jedoch aus rein pragmatischen Gründen nicht in die Tat umgesetzt worden ist.
Der neu gegründete gesamtdeutsche Staat sollte möglichst rasch handlungsfähig und stabil sein. Darüber hinaus hatte sich das bisherige Grundgesetz in der Praxis Westdeutschlands inzwischen durchaus etabliert.
Per Volksabstimmung zur Verfassung?
Für den Ministerpräsident Thüringens, Bodo Ramelow, würde sich zum 75.-jährigen Bestehen des Grundgesetzes die ideale Möglichkeit bieten, das Regelwerk via Volksabstimmung zur deutschen Verfassung zu machen. Ramelow denkt, dass dieser Schritt insbesondere im Osten der Republik dabei helfen könnte, die unter vielen Menschen vorhandene "emotionale Fremdheit" gegenüber dem Grundgesetz zu überwinden.
Weiterhin denkt er, dass man Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern damit zudem den Wind aus den Segeln nehmen könnte. Reichsbürger erkennen das Grundgesetz als rechtsstaatliches Fundament der BRD nicht an und vertreten die Meinung, dass das Deutsche Reich in den Grenzen des Kaiserreichs oder in denen von 1937 fortbestehen würde.
Die grundsätzliche Möglichkeit hierzu würde durchaus bestehen, da Art. 146 eine solche neue Verfassungsgebung mit dem Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung sichert.
Unsere Fragen an Euch:
- Wie zufrieden seid Ihr mit unserem Grundgesetz? Was ist positiv? Was negativ?
- Welche im GG verankerten Grundrechte sind Eurer Meinung nach besonders wichtig und warum?
- Wie gut fühlt Ihr Euch über eure Rechte und Pflichten gemäß GG informiert? Wie kann man den Menschen das GG (wieder) näher bringen?
- Wie bewertet Ihr das GG im internationalen Vergleich?
- War es sinnvoll, das GG ohne starke ostdeutsche Beteiligung damals zur gesamtdeutschen Verfassung zu machen?
- Wäre eine Volksabstimmung zum Grundgesetz heute noch sinnvoll?
Wir freuen uns auf Eure Antworten und feiern 75 Jahre deutsches Grundgesetz 🎉🤗
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Quellen:
https://www.dw.com/de/75-jahre-grundgesetz-die-verfassung-im-wandel-der-zeit/a-69103000
217 Stimmen
44 Antworten
Ich sage es ganz offen:
es gibt in der Tat Dinge an unserem Grundgesetz die zu bemängeln sind, weil ich unser Grundgesetz für unvollständig halte und viele Dinge im Grundgesetz fehlen die eigentlich ins Grundgesetz reingehören. Was zum Beispiel ins Grundgesetz reingehört:
-> Kinderrechte
-> Frauenrechte
-> die erneuerbaren Energien (dazu müsste im Grundgesetz im Artikel 73 der Punkt 14 geändert werden für die erneuerbaren Energien:
https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_73.html
(1) Der Bund hat die ausschließliche Gesetzgebung über:
...
14 die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken, die Errichtung und den Betrieb von Anlagen, die diesen Zwecken dienen, den Schutz gegen Gefahren, die bei Freiwerden von Kernenergie oder durch ionisierende Strahlen entstehen, und die Beseitigung radioaktiver Stoffe.
Durch den Rückbau der AKWs ist das nicht mehr aktuell und muss für die erneuerbaren Energien geändert werden.
Außerdem existiert dazu noch die UN-Kinderrechtskonvention als weitere Quelle:
Auch aus dieser Quelle können die Kinderrechte ins Grundgesetz übernommen werden. Deswegen: warum sperrt sich die Union so dagegen, die Kinderrechte und die Frauenrechte und anderes ins Grundgesetz zu schreiben?? Ich verstehe es ehrlich gestanden nicht.
Siehe weiter in der EU-Grundrechte-Charta im Artikel 24
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:12016P/TXT
Artikel 24 Rechte des Kindes
(1) Kinder haben Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge, die für ihr Wohlergehen notwendig sind. Sie können ihre Meinung frei äußern. Ihre Meinung wird in den Angelegenheiten, die sie betreffen, in einer ihrem Alter und ihrem Reifegrad entsprechenden Weise berücksichtigt.
(2) Bei allen Kinder betreffenden Maßnahmen öffentlicher Stellen oder privater Einrichtungen muss das Wohl des Kindes eine vorrangige Erwägung sein.
(3) Jedes Kind hat Anspruch auf regelmäßige persönliche Beziehungen und direkte Kontakte zu beiden Elternteilen, es sei denn, dies steht seinem Wohl entgegen.
____________________________________________________________________________
Daher frage ich mal: wo ist das Problem, diese Punkte aus diesen Quellen zu übernehmen und ins Grundgesetz rüber zu schreiben in einen gesonderten Artikel für Kinderrechte??
Außerdem zum Punkt Kinderrechte:
diese sind bereits im ZIvilpakt und auch in der EU-Grundrechte-Charta und in der UN-Menschenrechts-Charta verankert und sollten aus diesen Quellen übernommen werden.
Siehe im Zivilpakt:
https://www.zivilpakt.de/kinder-3389/
Artikel 24
(1) Jedes Kind hat ohne Diskriminierung hinsichtlich der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Sprache, der Religion, der nationalen oder sozialen Herkunft, des Vermögens oder der Geburt das Recht auf diejenigen Schutzmaßnahmen durch seine Familie, die Gesellschaft und den Staat, die seine Rechtsstellung als Minderjähriger erfordert.
(2) Jedes Kind muss unverzüglich nach seiner Geburt in ein Register eingetragen werden und einen Namen erhalten.
(3) Jedes Kind hat das Recht, eine Staatsangehörigkeit zu erwerben.
Siehe in der UN-Menschenrechts-Charta in den Artikeln 25 Absatz 2 und Artikel 26
https://www.un.org/depts/german/menschenrechte/aemr.pdf
Artikel 25
1. Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen, sowie das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität oder Verwitwung, im Alter sowie bei anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.
2. Mütter und Kinder haben Anspruch auf besondere Fürsorge und Unterstützung. Alle Kinder, eheliche wie außereheliche, genießen den gleichen sozialen Schutz.
Artikel 26
1. Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muß allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen.
2. Die Bildung muß auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muß zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.
3. Die Eltern haben ein vorrangiges Recht, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden soll
Weiterhin könnte man das Grundgesetz auch mit der Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen wie in
a) Irland
b) Frankreich
c) Kanada
und anderen Ländern ergänzen. Schwwangerschaftsabbruch sollte genauso ein Grundrecht werden (sexuelle Selbstbestimmung der Frau auch über ihren eigenen Körper). Da sind andere Länder schon weiter als wir in Deutschland. Siehe hier
Frankfurter Rundschau: Abtreibung: Die Weltkarte der ungleichen SelbstbestimmungStand: 06.08.2023, 18:47 Uhr Von: Tatjana Coerschulte
https://www.fr.de/politik/abtreibung-liberaler-als-gedacht-92444897.html
Auch da ist in Deutschland Reformbedarf, auch im Grundgesetz.
Dann zu den weiteren Fragen von hier
Unsere Fragen an Euch:
Wie zufrieden seid Ihr mit unserem Grundgesetz? Was ist positiv? Was negativ?
Es gibt viele positive Dinge im Grundgesetz. Darunter auch viel Gestaltungsmöglichkeit und die klare Aufgabenteilung (Grundgesetz Artikel 73 und Artikel 74)
Welche im GG verankerten Grundrechte sind Eurer Meinung nach besonders wichtig und warum?
Man kann die Grundrechte nicht gegeneinander abwägen weil alle Grundrechte gleichermaßen wichtig sind und auch in der EU-Grundrechte-Charta, in der Europäischen Menschenrechtskonvention und in der UN-Menschenrechts-Charta und im Zivilpakt verankert sind.
Wie gut fühlt Ihr Euch über eure Rechte und Pflichten gemäß GG informiert? Wie kann man den Menschen das GG (wieder) näher bringen?
Sowas sollte altersgerecht erfolgen. Mit zunehmendem Alter - ich würde mal ab Realschule anfangen - sollten die Grundrechte und Pflichten zunehmend vermittelt werden. Auch im Gymnasium und in den Berufsschulen, vom Arbeitgeber und auch von den Eltern und der Familie. Außerdem sollten sich alle ab 14 Jahren mal das Grundgesetz im Internet und die EU-Grundrechte-Charta und die anderen Sachen durchlesen.
Wie bewertet Ihr das GG im internationalen Vergleich?
Im internationalen Vergleich finde ich persönlich das Grundgesetz am Besten, auch wenn es ergänzungsbedürftig und reformbedürftig (Artikel 73 Nummer 14) ist.
War es sinnvoll, das GG ohne starke ostdeutsche Beteiligung damals zur gesamtdeutschen Verfassung zu machen?
Ja das war auf jeden Fall sinnvoll.
Wäre eine Volksabstimmung zum Grundgesetz heute noch sinnvoll?
Ja das würde ich auf jeden Fall nachholen. Außerdem könnte man das Grundgesetz auch noch mit bundesweiten Volksabstimmungen wie in
a) der Schweiz
b) Spanien
c) England
d) Irland
ergänzen. Auch das wäre ein - wie ich finde - sehr sinnvoller Demokratie-Bestandteil.
Diese Leerstelle kann so nicht belassen werden. Da muss nochmal nachgearbeitet werden. Erst dann kann das ins Grundgesetz aufgenommen werden.
Hier noch der Rest aus der Tagesschau
Mit etwas Getöse über Ampel-Abgeordnete, die zu vertraulichen Gesprächen unfähig seien, stellte die Union infrage, dass eine Grundgesetzänderung überhaupt notwendig sei. Und wieso gerade jetzt. Von der Parteispitze kam die Ansage, die Gespräche nicht fortzuführen.
Eine überstürzte Absage? Jedenfalls ließ sich die Union relativ schnell doch wieder auf Gespräche und schließlich Verhandlungen mit der Ampel ein - auf Einladung des Bundesjustizministers. Zustimmung fanden am Ende dennoch nur "punktuelle" Ergänzungen.
_________________________________________________________________________
Genau diese Leerstelle in diesem Änderungsentwurf ist schlecht und sollte schon mehr ausformuliert werden. Auch diese Richterwahl und wie die funktioniert, gehört dazu ins Grundgesetz. Das ist für mich eigentlich zwingender Bestandteil von dieser Änderung. Denn jeder Bürger/jede Bürgerin sollte wissen, wie diese "Ersatzwahl" dann funktioniert. Sowas sollte kein Staatsgeheimnis sein sondern ordentlich ausgearbeitet sein.
Daher würde ich hier noch mal eine Nacharbeitung vorschlagen. Da müssen die Details noch ausgearbeitet werden.
Dann sage ich mal zu dem hier aus der Tagesschau
Tagesschau: Bundesverfassungsgericht Minimal besser geschützt
Stand: 23.07.2024 12:00 Uhr
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bundesverfassungsgericht-schutz-extremismus-102.html
Wie kann man das Bundesverfassungsgericht davor schützen, von Extremisten ausgehöhlt zu werden? Ampelkoalition und Union haben sich auf Maßnahmen geeinigt - allerdings nur auf "punktuelle" Ergänzungen.
Es geht um den Schutz des Bundesverfassungsgerichts vor dem Zugriff autoritärer Kräfte. Vor Kräften, die kein Interesse an einer starken Kontrollinstanz haben. Vor Kräften wie jenen, die in Polen und Ungarn an der Verfassungsgerichtsbarkeit sägten, bis dort wenig von ihr übrig blieb.
Für diesen Schutz haben sich Ampel und Union nun zusammengerauft und auf eine Grundgesetzänderung geeinigt. Sie wollen damit das Gericht tagespolitischer Auseinandersetzung dauerhaft entziehen und Bestrebungen vorbeugen, seine Unabhängigkeit in Frage zu stellen.
Inhaltlich ist dabei ein Minimalkonsens herausgekommen - mehr war derzeit nicht drin.
Struktur und BesetzungDemnach soll die Zahl der Senate (zwei) sowie die der Richter (je acht), ihre Amtszeit (zwölf Jahre) und die Altersgrenze (68 Jahre) ins Grundgesetz aufgenommen werden. Ebenso soll dort eine Wiederwahl ausgeschlossen werden.
Der Gedanke dahinter ist, eine einseitige politische Einflussnahme auf das Gericht zu verhindern, etwa durch die Wahl zusätzlicher, linientreuer Richter oder ein Herabsetzen von Amtszeit oder Altersgrenze, um unliebsame Richter loszuwerden.
Außerdem soll die Bindungswirkung der Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ins Grundgesetz geschrieben werden.
All das entspricht den bisherigen Regelungen. Die stehen allerdings nur in einem einfachen Gesetz - dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz. Durch eine Regelung im Grundgesetz bräuchte es für eine Änderung eine Zweidrittelmehrheit - es wäre also nicht mehr so einfach möglich.
GeschäftsordnungsautonomieDie Vorschläge entsprechen außerdem im Wesentlichen einem ersten Entwurf. Den hatte das Bundesjustizministerium im April als Gesprächsgrundlage vorgelegt - insbesondere auf Wunsch der Unionsfraktion.
Ein sogenannter "Arbeitsentwurf", also kein Regierungsentwurf, wie alle Beteiligten immer wieder betonten. Denn das Vorhaben soll aus den Fraktionen kommen - nicht von der Bundesregierung.
Neu hinzugekommen ist der Vorschlag, auch die Geschäftsordnungsautonomie des Bundesverfassungsgerichts ins Grundgesetz zu heben. Das Gericht soll seine Arbeitsweise also selbst festlegen können.
In Polen wurde das Verfassungsgericht etwa dazu verpflichtet, Fälle chronologisch nach Eingang statt nach Wichtigkeit abzuarbeiten. Mit solchen Regelungen lässt sich ein Gericht recht einfach als wirksame Kontrollinstanz ausschalten.
Große Leerstelle
Der Entwurf hat eine große Leerstelle: die Wahl der Richter mit Zweidrittel-Mehrheit. Das ist derzeit ebenfalls nur in einem einfachen Gesetz festgelegt und soll sicherstellen, dass hinter der Wahl eine breite gesellschaftliche Mehrheit steht. Die Zweidrittel-Mehrheit für die Richterwahl ins Grundgesetz zu schreiben, sieht die Einigung der Regierungsparteien und Union nicht vor.
Es wird also vorerst bei der Regelung im Bundesverfassungsgerichtsgesetz bleiben - was bedeutet, dass sie mit einfacher Mehrheit abgeschafft werden kann. Ein Risiko, falls sich die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag ändern. Wegen dieses Risikos begann vor Jahren - zunächst unter Juristen - die Debatte überhaupt erst, ob das Bundesverfassungsgericht besser abgesichert werden muss.
Richterwahl blockierbar?
Denn die Sache hat einen Haken. Hat etwa im Bundestag eine Fraktion mehr als ein Drittel der Stimmen, könnte sie die Wahl einer Richterin oder eines Richters blockieren. Doch für solche Szenarien gibt es Lösungsvorschläge - zum Beispiel: Wird eine Richterwahl im Bundestag blockiert, könnte der Bundesrat als Wahlorgan einspringen und umgekehrt.
Einen solchen "Ersatzwahlmechanismus" greift der Gesetzentwurf auf - allerdings soll es dem einfachen Gesetzgeber überlassen bleiben, ob er von dieser Möglichkeit Gebrauch macht und wie er das Modell ausgestaltet.
Befürchtung vor Überfrachtung
Warum bei der Einigung nicht mehr möglich war, lässt sich allenfalls zwischen den Zeilen herauslesen. Ausdrücklich begründet wird die Leerstelle nicht. Durch die Vorschläge würde sich "die Regelungsdichte im Grundgesetz" im Rahmen dessen halten, "was der Stellung des Gerichts angemessen" sei. Die Verfassung werde nicht mit "Detailregelungen" überfachtet und die "nötige Flexibilität" für erforderliche und sinnvolle Anpassungen bleibe erhalten.
In diesen Sätzen der Gesetzesbegründung scheint die anfängliche Zurückhaltung und Skepsis der Union weiter durch. Anfang des Jahres waren die Gespräche fast am Unwillen der Union gescheitert.
An sich ist das Grundgesetz gut, jedoch bewies Corona, wie einfach man das ein oder andere Gesetz aushebeln kann.
@ whitebuddafly
Ja, ganz besonders wenn die Union - wie Söder bei den Luftreinhaltegesetzen - die Justiz missachtet und der Justiz auf der Nase und auf den Tischen herumtanzt. Der EUGH hatte ja schon die Beugehaft und bestimmten Regeln erlaubt.
Das größte Versäumnis nach der Wiedervereinigung war der Verzicht auf eine Neue gesamtdeutsche Verfassung! Die Krücke über den Beitritt war nicht im Sinne der Väter der GG. Viele Ostdeutsche fühlen sich daher durchaus betrogen!
Eine Neue Verfassung hätte schließlich nicht bedeutet, daß bewährtes nicht hätte bleiben dürfen, ein paar aus der ostdeutschen Geschichte stammende und daraus lernende Rechte wären gut gewesen für die gemeinsame Identität!
Das GG ist die beste deutsche Verfassung, die es je gab. Niemand ist vollkommen, aber diese Verfassung hat sich bewährt und sorgt dafür, dass wir noch immer eine demokratische und offene Gesellschaft sind. Es sollte klar sein, dass es nicht zum Nulltarif zu haben ist. Man muss alles tun, dass es auch weiterhin Grundlage ist für alle Menschen in diesem Land bleibt. Momentan gibt es viele Kräfte, die das ändern wollen. Die Geschichte lehrt uns aber eindringlich, dass es keine Alternative für Deutschland gibt.
Der Grundgedanke ist super aber das was darüber entschieden wird ist grenzwertig. Es kann nicht sein das eine Frau einen Posten bekommt aber ein Mann dafür besser bausgebildet ist. Das der Mann mit seinem Geschlechtsteil keine Vorsorge bekommt. Alles im Namen des Grundgesetzes
Es gibt nur das Grundgesetz, aber keine Verfassung. Die Überschrift und der Inhalt stimmen also nicht. Deutschland hat keine Verfassung, sondern bloß ein/das Grundgesetz. Jedes Land hat eine eigene Verfassung, nur dieses Land hier nicht, sondern eben ein Grundgesetz und auch keinen Friedensvertrag mit den Alliierten (USA und so weiter). Sagt mal, wisst ihr das eigentlich nicht?
Jedes Land hat eine eigene Verfassung, nur dieses Land hier nicht
Elf Staaten haben Verfassungen, die sich Grundgesetze nennen. Das Grundgesetz könnte auch Konrads Kochbuch heissen, es wäre trotzdem eine Verfassung.
Begriffsstutige könnten auch die Präambel lesen:
Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.