Determinismus?
Hallo,
warum sagt man das unser Rechtssystem nicht auf dem Determinismus basiert sondern auf den freien Willen. Ich sehe das überhaupt nicht so, es wird doch immer darauf geachtet, ob der Mensch psychisch instabil ist und deshalb diese Tat vollzogen hat oder wir haben ja auch das Jugendstrafrecht /Strafmündigkeit etc… Ich setzte mich damit auseinander wegen einer bevorstehenden Ethik Klausur, könntet ihr mir auch eure Positionierung zu dem Thema nennen, bin neugierig
5 Antworten
Weil das deutsche Strafrecht auf dem Schuldprinzip basiert. In einem Determinismus gibt es keine Schuld, keine Vorwerfbarkeit.
es wird doch immer darauf geachtet, ob der Mensch psychisch instabil ist und deshalb diese Tat vollzogen hat oder wir haben ja auch das Jugendstrafrecht /Strafmündigkeit
Ja, dann fehlt die Schuld, die einen freien Willen voraussetzt. Der Vorwurf, dass eine Person auch hätte anders handeln können.
Robert Sapolsky, Neurobiologe spricht sich für einen Determinismus aus. Auch im Justizsystem. Das heißt eben nicht, dass es keine Maßnahmen oder Strafen in der Hinsicht es nicht geben soll, sondern dass das einzelne Individuum dafür wenig kann.
Eine Analogie ist spannend hier um das auf das knappeste zu reduzieren:
Man stelle sich ein Kind vor, welches weil es krank wurde, nicht in die KiTa muss und plötzlich zu Hause nicht mehr spielen dürfe. Man bestraft es fürs Kranksein. Obwohl es nichts dafür kann. Und trotzdem kann man es zum Schutz der Gesellschaft kurz mal rausnehmen.
Du hast recht, es wird teilweise auf die Umstände geschaut, aber eben nur bei psychisch Kranken, dabei ist die Unterscheidung reinste Willkür.
Psychischen Instabilität ist theoretisch heilbar. Es ist also kein allgmeingültiges Gesetz wie es der Determinismus beschreibt.
Und die Tat die er verbrochen hat ist keine zwangsläufige Folge der Krankheit, sondern eine mögliche Folge.
Das Strafrecht muss durch das wachsende Wissen der Psychologie (entstanden erst ab etwa 1900) u.a.m. ebenso immer mehr auf die mögliche Schuld- bzw. Reue- und Lernunfähigkeit des Straftäters eingehen. Auch zur Forschung darüber haben wir UNI-Lehrstühle für Strafrecht, wobei mit Psychologen, Neurologen u.ä.m. mitwirken.
D.h. unser Strafrecht ist längst die Folge der Mischung der Vorstellungen vom Determinismus der Persönlichkeit (vgl. auch Konrad Lorenz´ berühmte Idee vom Verbrecher-Gen) und vom freien Willen, ein philosophisch überholter Begriff, zumindest zur Entscheidung zur Straftat. Deshalb kann sich das Gericht verschiedene Gutachter vor der Urteilssprechung holen: Sozialarbeiter, Psychologen - und Zeugen für deren Meinungen über den Angeklagten.
Ein modernes Beispiel der Problematik ist die erkannte Alexithymie. Kann man einen straffälligen Alexithymiker überhaupt bestrafen, zum Beispiel einen sadistischen/drogensüchtigen Massenmörder aus Mordlust? Klar, er wurde zum Psychopathen auch sozialisiert. Mörder-Gen? Denn was fühlt (und denkt) er, um durch die Bestrafung lernen, sich bewusst zu verändern zu können. Sperrt man ihn also nur aus der Öffentlichkeit möglichst langfristig weg, damit er keinen Schaden mehr anrichten kann?! Ein Gefängnis für lebenslange Häftlinge, weil sie unfähig sind, nicht zu morden?! Oder alle Gefängnisse als geschlossene Psychiatrien, die heilen wollen? Und wie viele Alexithymiker gibt es überhaupt unter den Gewaltstraftätern? Sind sie es alle?! Wer soll und wie kann man das beantworten? -
Ein Kompromiss, die Mischung ist folglich unsere derzeitige menschenwürdige Lösung, nicht das staatliche Töten des Straftäters der Einfachheit und des staatlichen Geldsparens willen. Das würde wieder einmal ins ethisch primitive Massenmorden der Staatsobrigkeit führen: Der Determinismus des Straftäters als Rechtfertigung und Entschuldigung der mordlustigen, zu Macht gekommenen Gleichgültigen.
Deshalb darf nirgendwo eine Diktatur regieren. Dies Rechtssystem würde sofort geändert werden! Diktatoren und deren Anhänger sind gleichgültige Menschen, keine Mitmenschen!
Ginge man nicht von einem freien Willen aus, könnte man die ganze Justiz gleich abschaffen. Dann wäre der Mensch eine Art Naturereignis, wie ein Blitz oder ein Erdbeben, das man ja auch nicht juristisch zur Verantwortung ziehen kann.
Selbst wenn einer psychisch krank ist, hat er immer noch die Wahl, so oder anders zu handeln. Schliesslich werden nicht alle psychisch kranken Menschen zu Straftätern. Würde man das unterstellen, wäre es deterministisch.