Berechnung Windkraft?

3 Antworten

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ich interpretiere die Frage mal so: warum werden die Lücken zwischen den Rotorblättern zur Fläche gerechnet, obwohl der Wind dort ungehindert hindurch bläst?

Weil der Wind keineswegs ungehindert hindurch bläst. Die Umströmung eines Rotorblatts ist deutlich breiter als das Blatt selbst und wird sogar von der Umströmung des Nachbarblatts beeinflusst.

In den früheren Zeiten, als man noch dachte, der Wind sähe die gleiche Fläche wie das Auge, wurden Vielblattrotoren gebaut, die zwar viel Drehmoment aber wenig Leistung bringen, weil sie langsam laufen und ein Teil der Windenergie in die Rotation der Strömung hinter dem Windrad geht.

Bild zum Beitrag

Moderne Windräder sind Schnellläufer, bei denen ein Rotorblatt maximale Leistung aufnimmt, die strömungstechnisch fließt, bis das nächste Blatt vorbeikommt.

Die Angegebene Formel ist übrigens die theoretische Leistung des Windes, der ungehindert durch die Rotorfläche strömt, nicht die Leistung, die unter Berücksichtigung der Kontinuitätsbedingung daraus entnommen werden kann (Betz-Faktor ca 60%) und schon gar nicht die Leistung, die tatsächlich daraus entnommen wird.

 - (Schule, Physik, Windkraft)

MeanGummylizard 
Beitragsersteller
 24.04.2022, 09:05

OK, diese Erklärung ist mir Verständlich. Danke hierfür!
Hast Du eventuell hierfür die ein oder andere Quelle wo ich das nach lesen kann oder zumindest ein paar Stichworte für die Recherche.

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MeanGummylizard 
Beitragsersteller
 24.04.2022, 09:47
@hologence

Ich danke Dir! Somit sind nach dem Betzschen Gesetz nach die Leistungsberechnung für Windkraft falsch wenn hier nicht noch der Wirkungsgrad in Abzug kommt. Was leider anscheinend üblich ist um etwas schön zu rechnen. Der Leistungsbeiwert bei modernen Windkraftanlagen bewegt sich ja zwischen 67 und 84%.

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Franz1957  24.04.2022, 20:34

Was die Physik betrifft. stimme ich dem zu, aber was die Geschichte betrifft, widerspreche ich. Die klassischen europäischen Windmühlen waren bereits Schnellläufer mit nur 4, selten auch 6 Flügeln.

Die vielblättrigen Windpumpen, wie die auf Deinem Bild, werden noch heute so gebaut, weil sie für ihren Zweck an den Orten, wo man sie einsetzt, optimal sind: Auch bei schwachem Wind anlaufen und zuverlässig Wasser in den Vorratsbehälter pumpen. Den Hersteller der abgebildeten Turbine gibt es übrigens noch: https://aermotorwindmill.com/

Daß uns hier die Schnellläufer mit drei Rotorblättern am geläufigsten sijnd, liegt wiederum an ihrem Zweck, der Stromerzeugung. Da sind höhere Drehzahlen sowieso erwünscht, und man ist weniger darauf aus, daß sie auch bei schwachem Wind laufen, als darauf, daß sie einen großen Teil des jährlichen Windenergiepotentials abschöpfen.

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Warum wird zur Berechnung der Windkraft der Rotorradius als Flächengrundlage herangezogen.

Im Maschinenbau ist es typisch, dass nichts exakt berechnet werden kann, weil eine exakte Berechnung viel zu kompliziert wäre und alle Bedingungen, die in die Rechnung einfließen müssten, sowieso nicht genau bekannt sind. Das trifft ganz besonders bei allen Strömungsvorgängen zu. Für eine exakte Berechnung müsste man theoretisch alle Luftteilchen erfassen sowie ihre Wechselwirkungen untereinander. Das geht schlichtweg nicht.

Deine Überlegung ist insofern schon richtig. Mit deiner Idee einer genaueren Erfassung der tatsächlichen Verhältnisse wäre von daher nicht viel gewonnen außer mehr Rechenarbeit. Bei der Optimierung der einzelnen Rotorprofile geht man durchaus mehr ins Detail und verwendet z.B. die Finite Elemente Methode, um die Umströmung genauer zu berechnen. Aber auch da kommt man am Ende nicht drumrum, in einem Windkanal die Berechnungen am realen Objekt zu überprüfen und die Ergebnisse der Versuche als Korrekturfaktor in die Berechnungen einfließen zu lassen.

Wenn man also sowieso nur Näherungslösungen finden kann, die für die Praxis ausreichend genau sind, kann man sich das Leben gleich von Anfang an leichter machen und als Ausgangswert die Rotorkreisfläche nehmen, denn die ist ja nun wirklich einfach zu berechnen. Die kinetische Energie bzw. Leistung, die der Wind vor dem Windrad hat, lässt sich ebenfalls leicht aus dessen Massenstrom und Geschwindigkeit berechnen (Ekin = 1/2 * m * v^2). Dann geht man her und multipliziert die mit dem sogenannten Erntegrad (Leistungsbeiwert). Wie groß der ist weiß man aus der Erfahrung zuvor gebauter ähnlicher Windräder. Der liegt heutzutage bei etwa 50 ± 5% je nach Windstärke.

Btw: In diesem Zusammenhang fällt mir ein alter Witz ein (einer meiner Lieblingswitze):

Was ist der Unterschied zwischen einem Handwerker, einem Ingenieur, einem Mathematiker und einem Philosophen?

Den kriegt man raus, wenn man sie fragt: "Was ist 2 mal 2?"

Der Handwerker: "Das ist 4, was sonst?"

Der Ingenieur tippt das in seinen Taschenrechner ein und stellt fest: "Im Rahmen der Rechengenauigkeit meines Taschenrechners ist das in guter Näherung vier."

Der Mathematiker zieht sich in seine Kammer zurück, beschreibt Unmengen von Blättern Papier mit kryptischen Zeichen, kommt nach 3 Tagen aus seiner Kammer ungewaschen, unrasiert, ungekämmt und total übermüdet wieder raus und verkündet voller Stolz: "Es gibt eine Lösung!"

Der Philosoph wiegt seinen Kopf, überlegt gründlich und sagt dann: "Ich würde mal vermuten, dass die meisten mit vier antworten. Selber bin ich mir da aber nicht sicher."


MeanGummylizard 
Beitragsersteller
 24.04.2022, 11:16

Gut man kann sich schon zu Tode rechnen aber das Betzsche Gesetz hier zu berücksichtigen wäre ja schon ein Schritt in die richtige Richtung. Mir geht halt das Durchschnitts geeiere auf den Geist. Das ist manchmal wie wenn ich heute erwürgt werde und dann kommt der ZDF Doku Moderator und sagt dann "Ich weiss nicht warum der sich so anstellt, er hatte doch 99,999% seiner Lebenszeit Sauerstoff - Man kann sich aber auch anstellen." ;)

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Hamburger02  24.04.2022, 11:20
@MeanGummylizard
Gut man kann sich schon zu Tode rechnen aber das Betzsche Gesetz hier zu berücksichtigen wäre ja schon ein Schritt in die richtige Richtung.

Wobei das Betzsche Gesetz ja zunächst nur das maximal Mögliche angibt, was man an Energie dem Wind entziehen kann. Die Realität liegt dann nochmal etwas darunter.

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MeanGummylizard 
Beitragsersteller
 24.04.2022, 11:25
@Hamburger02

Ja, aber es wäre eine relativ simple Methode der Realität etwas näher zu rücken.

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Hamburger02  24.04.2022, 12:03
@MeanGummylizard

Genauso simpel ist es mit dem Leistungsbeiwert zu rechnen und dann kommt man der Realität noch näher.

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Franz1957  24.04.2022, 20:51
@MeanGummylizard
aber das Betzsche Gesetz hier zu berücksichtigen wäre ja schon ein Schritt in die richtige Richtung.

Mir ist bisher noch nirgends aufgefallen, daß das Betzsche Gesetz bei der Berechnung von Windturbinen *nicht* berücksichtigt würde. Hast Du da Beispiele? Gut, im Lehrmaterial für Schüler begegnet man immer wieder haaresträubenden Vereinfachungen, ist es das, was Du meinst?

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MeanGummylizard 
Beitragsersteller
 24.04.2022, 21:50
@Franz1957

Allgemeine Erklärungen zur Windkraft von Befürwortern und Gegnern verwenden diese Vereinfachung

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Franz1957  24.04.2022, 23:53
@MeanGummylizard

Und die verwenden sie, um damit *was* genau auszudrücken? Wirklich die Leistung der Turbine? Oder vielleicht doch nur die Leistung, die der unbeeinflusste Wind durch die btr, Querschnittsflächje transportiert?

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MeanGummylizard 
Beitragsersteller
 25.04.2022, 07:56
@Franz1957

Durch eine übertriebene Vereinfachung der Berechnung von Leistung wird der Anschein erweckt, dass Windkraft und Solarenergie das Nonplusultra sind und alles andere ablösen wird, innerhalb kürzester Zeit. Dass Stromerzeugung und Stromtransport Grenzen gesetzt sind, zumindest in unserer momentanen Strom Infrastruktur wird unter den Teppich gekehrt. Absolut Schön- bzw. Schlechtrechnen hilft in der Situation in der wir uns befinden keinem. Träumerische Vorstellungen und absolute Ablehnung sind einfach Falsch. Beide Seiten vereinfachen das ganze auf eine Ebene die undurchführbar ist. Leider hat der Krieg in der Ukraine auch das hässliche Gesicht unserer "unterentwickelten bzw. veralteten" Energieinfrastruktur gezeigt.
Wunschvorstellung und Realität gehen leider nicht immer die gleiche Wege. Ich bin immer versucht beide Seiten der Argumentation anzuhören und mir dann daraus eine Meinung zu bilden. Eigenrecherche hilft dann auch ungemein um Dinge zu verstehen. Es ist traurig zu sehen wie ein eigentlich technischer bzw. wissenschaftlicher Vorgang beidseitig zur Ideologie verkommt.

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Hamburger02  25.04.2022, 08:14
@MeanGummylizard
Durch eine übertriebene Vereinfachung der Berechnung von Leistung wird der Anschein erweckt,

Unterstellst du, mit dieser vereinfachten Berechnung würden fasche Werte rauskommen? Dem ist allerdings nicht so, sondern die Ergebnisse dieser Berechnungen sind schon sehr gute Näherungen, wie sich in der Praxis zeigt, wenn berechnete Windräder tatsächlich aufgestellt werden.

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MeanGummylizard 
Beitragsersteller
 25.04.2022, 08:45
@Hamburger02

Durch Verwendung der Grundformel erhält man verfälschte Werte, erst durch die Berücksichtigung des Wirkungsgrades ist die Näherung an der Realität. Ich habe es hier in der Gegend (extrem Windschwache Gegend) immer wieder erlebt, dass versucht wird mit aller Gewalt Windkrafträder zu installieren obwohl es Leistungstechnisch keinen Sinn macht. Das hat bei uns mit der Kommunalpolitik und einer Vetternwirtschaft zu tun. Hier ist mir aufgefallen, dass wissentlich bei der Vorstellung der Projekte geflunkert wurde mit den Leistungsdaten. Leider hat es hier in der Gegend weniger mit Klimaschutz zu tun sondern mit Geld verdienen. Ich möchte das aber hier nicht ausführen, weil zu einer Erklärung Personennamen und Firmennamen gehören um die Zusammenhänge zu verstehen. Kann ich aber gerne in einer PM erklären.

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Hamburger02  25.04.2022, 09:00
@MeanGummylizard

Die Probleme, die du hier andeutest, haben nichts mit der Berechnung der Leistung der Windräder zu tun. Das Problem liegt dann ganz woanders. Das liegt dann eventuell darin, dass die durchschnittliche Windstärke übers Jahr gerechnet eventuell zu hoch angesetzt wird. Wenn der Wind nicht ausreichend stark bläst, kann man Windräder berechnen wie man will, die bringen dann trotzdem keine Leistung.

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Vermutlich ist das Rho (ρ) in der Formel der Faktor, der berücksichtigt, dass nicht die ganze Kreisfläche zu P beiträgt. Andeswo wäre das der "Wirkungsgrad".


MeanGummylizard 
Beitragsersteller
 24.04.2022, 10:34

p ist die Luftdichte

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Franz1957  24.04.2022, 19:09

Das übliche Formelzeichen für den Wirkungsgrad ist Eta (η).

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