Verständnisfrage: Ausbreitung des Raumes = Ausbreitung von dessen Inhalt?

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Definiere Raum: Der Abstand zwischen zwei Objekten? Jenseits des äußersten Objektes gibt es somit keinen Raum oder man betrachtet Raum mathematisch oder religiös als eine ewige Konstante.

Der Urknall war keine Explosion im Raum, die das Universum in den Raum ausdehnt, sondern besteht aus einer Singularität, mit der Raum und Zeit erst entstanden sind, und einer Inflationsphase, in der die Skalenlängen sehr schnell gewachsen sind. Seither dehnt sich der Raum als Ganzes aus, darum ist der "Ort" des Urknalls heute überall, so wie die Galaxien, deren Abstände voneinander sich heute zusammen mit dem Raum vergrößern - eine Bewegung, deren Zurückverfolgung zu Abständen gleich null in der Vergangenheit führt, wobei alle Orte gleichberechtigt sind. Darum kann der Raum bei homogener Dichte unendlich sein und sich lokal trotzdem mit endlicher Geschwindigkeit ausdehnen.

Dazu versteht man am besten zunächst die Hubblekonstante.

Unter der Annahme einer linearen Ausdehnung des Universums ist der Skalenfaktor a(t) =D(t)/D0 einer beliebigen Distanz D und der Distanz D0 zum Zeitpunkt t0 im Universum linear abhängig von der Zeit t: 

a = da/dt*t  (1) mit einer Ausdehnungsgeschwindigkeit

da/dt = H*a (2)

Der Faktor H ist die Hubblekonstante (die besser Hubbleparameter heißen sollte, weil sie nicht konstant ist - in der Tat folgt aus einer linearen Ausdehnung konstante Ausdehnungsgeschwindigkeit da/dt und damit H = 1/t mit 2 in 1 eingesetzt), hat beim Urknall eine Polstelle und nimmt seitdem ab, wird aber nie null. 

Kosmologischer Horizont

Objekte in der Entfernung r entfernen sich mit der Geschwindigkeit v(r) = H*r von uns. Man kann nun mit der Lichtgeschwindigkeit c einen Radius rH = c/H definieren, der Hubbleradius genannt wird. Für r = rH ist die Geschwindigkeit v(rH) = c, d.h. theoretisch entfernen sich Objekte in dieser Entfernung mit Lichtgeschwindigkeit von uns (die Spezielle Relativitätstheorie gilt nur lokal und wird dadurch nicht verletzt), und man könnte meinen, dass man dann diese Objekte nie mehr sehen kann, weil ihr Licht nicht gegen die Expansionsgeschwindigkeit ankommt, aber:

1. Licht direkt hinter rH kann es, einmal ausgesandt, mit der Zeit innerhalb von rH schaffen und uns letztlich doch erreichen - die korrekte Rechnung beinhaltet eine Integration der Bewegung mitbewegter Koordinaten und des Lichtsignals von t0 bis unendlich und führt hier zu weit - außerdem...

2. ist die o.g. Annahme der linearen Ausdehnung falsch. Die Ausdehnung unterliegt bremsenden und beschleunigenden Einflüssen (zB die Massendichte einschl. dunkler Materie vs. dunkle Energie), deren Stärke nicht zeitlich konstant war oder sein wird. In Abhängigkeit von diesen Einflüssen kann der Kosmologische Horizont sich bei vorwiegender Bremsung weiter ausdehnen und mehr Objekte sichtbar machen, oder  bei vorwiegender Beschleunigung schrumpfen und mehr Objekte verbergen.

Aus diesen beiden Gründen liegt der Kosmologische Horizont nicht beim Hubbleradius, sondern nach aktuellem Stand etwas dahinter (etwa 16 Mrd LJ statt 13,4 Mrd LJ). Mit weiterer Ausdehnung des Universums und sinkender Massendichte könnte die Beschleunigung gewinnen - dann würde der Hubbleparameter auf einen konstanten Wert sinken: die Lösung für die Differentialgleichung da/dt = const*a ist dann eine exponentielle Ausdehnung, die den Kosmologischen Horizont schließlich bis auf gravitativ direkt gebundene Strukturen schrumpfen ließe, und die Reste der Vereinigung aus Milchstraße und NGC224 wären allein in der Dunkelheit.

Partikelhorizont.

Wo aber sind die  fernsten Objekte, die wir jetzt schon sehen, wirklich? Als ihr Licht ausgesandt wurde, dh kurz nachdem das Universum transparent wurde, waren sie nur einige Mio LJ entfernt. Während ihr Licht im Raum zu uns unterwegs war, bewegte sich dieser Raum aber mit der Expansionsgeschwindigkeit von uns weg und verlängerte die Reisezeit des Lichtes (und seine Wellenlänge), bis das Licht schließlich hier ankam; inzwischen haben sich die damals aussendenden Objekte bis zum sog. Partikelhorizont entfernt (ca 46 Mrd LJ), also weit hinter dem Kosmologischen Horizont.

Es heißt, mit dem Urknall hat sich nicht das Universum ausgebreitet, sondern der Raum an sich (gern auch die Raumzeit), von unendlicher Krümmung zu einer entfalteten Form, die (gedanklich um eine Dimension reduziert) "flach" oder in sich geschlossen sein kann.

die raumzeit ist nicht flach.

der raum (in der konventionellen aufspaltung von raum und zeit in der kosmologie) scheint zumindest annähernd flach zu sein. zumindest konnten wir noch nichts gegenteiliges messen. falls die globale räumliche krümmung des universums exakt null sein sollte dann war sie das aber auch im frühen universum. da geht nichts gegen unendlich.

Beides bedeutet unendlich.

ein geschlossenes universum (=positive globale räumliche krümmung) ist nicht unendlich groß.

Auf der anderen Seite haben wir die beobachtbare kosmologische Expansion der Galaxien

was heißt "auf der anderen seite"? der urknall ist nichts anderes als wenn du das immer weiter zurück rechnest (bis zu dem punkt an dem unsere (heutigen) modelle versagen)

Die Ausdehnung zu einem bestimmten Zeitpunkt kann also nur endlich sein.

ein flaches universum oder eines mit einer negativen globalen räumlichen krümmung wäre unendlich groß.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Physiker (Teilchenphysik)

Die kosmologische Expansion bedeutet, dass sich der Raum dehnt. Also aus "1cm werden 2cm" in jede Raumrichtung.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Studiere Physik

WilliamDeWorde  01.09.2024, 12:31

Frage: Dehnt sich das Lineal da nicht mit und 1cm bleibt 1cm?

Enzi1  01.09.2024, 12:32
@WilliamDeWorde

Naja die Bindungskräfte zwischen Materie ist stärker, sodass ncihts auseinandergezogen wird. Weit entfernte Galaxien bewegungen sich von uns weg, da die Anziehung zu schwach ist.

Radioactiveman5 
Beitragsersteller
 01.09.2024, 12:45
@Enzi1

Also Atome und kondensierte Materie entziehen sich einfach der Ausdehnung des Raumes, und nur Galaxien machen den ganzen Spaß mit?

WilliamDeWorde  01.09.2024, 12:46
@Enzi1

Würden wir es denn überhaupt bemerken, wenn die Bindungskräfte überall gleichmäßig schwächer würden? Immerhin wären die Messgeräte ebenfalls betroffen.

Radioactiveman5 
Beitragsersteller
 01.09.2024, 13:45
@Enzi1

Ja, dieses Fass wollte ich mit der (schlecht formulierten) Frage gar nicht aufmachen. :)

Ich geh schon davon aus, dass die Expansion des Raumes nur die Entfernung zwischen Objekten betrifft, nicht deren Ausdehnung. Sonst hätten wir schließlich immer noch "Urknall", nur größer. :) Die Rotverschiebung ist ja eine Sache von Geschwindigkeiten.

Ein bisschen "inkonsequent" ist das Ganze aber irgendwo schon. :)