Meinung des Tages: Weg vom Auto, hin zur Bahn? Was muss passieren, um das Reisen mit dem ÖPNV/das Bahnfahren attraktiver zu machen?
Ein Zug, der über eine Stunde Verspätung hat oder sogar gänzlich entfällt – so gut wie jeder, der regelmäßig Bahn fährt, kennt dieses Szenario. Auch komplette Sperrungen, die mit einem mäßig funktionierenden SEV umgangen werden sollen, sind in Deutschland täglich ein Ärgernis für viele Pendler.
Zwölf Jahre lang führte die CSU das Verkehrsministerium, nun ist dieser Posten von Volker Wissing (FDP) besetzt. Seine Pläne zur Verbesserung der Bahn-Situation werden jedoch auch skeptisch betrachtet. Eine Kehrtwende möchte er schaffen.
Wissings Pläne für eine Kehrtwende
Dies soll unter anderem durch die Modernisierung des Schienennetzes geschehen. Beispielsweise sollen diejenigen Strecken, die besonders stark befahren werden, zu Hochleistungskorridoren umgebaut werden. Das wiederum bedeutet allerdings, dass diese Strecken komplett gesperrt werden müssen – es wird also eine Großbaustelle nach der anderen an der Tagesordnung sein
Außerdem möchte Wissing ab 2024 eine Infrastrukturgesellschaft einführen. Diese solle die Bahn nicht zerschlagen, sondern innerhalb des Konzerns selbstständig agieren, sodass sowohl der Erhalt als auch der Ausbau der Infrastruktur künftig unter einer Perspektive erfolgen, die primär gemeinwohlorientiert ist.
Zweifel an der Umsetzbarkeit
Skepsis bezüglich Wissings Pläne gibt es aus den Reihen der Grünen. Sie fordern wesentlich höhere Investitionen in die Bahn. Ursprünglich einigte sich die Ampelkoalition darauf, dass der Großteil der Zusatzeinnahmen aus der höheren Lkw-Maut in die Bahn investiert werden sollte. Laut Stefan Gelbhaar (Bündnis 90/Die Grünen) könnte es sich dabei um bis zu sieben Milliarden Euro pro Jahr handeln. Allerdings ist diese Zahl bis dato nicht im Haushalt zu finden.
Auch Dirk Flege von der „Allianz pro Schiene“ ist skeptisch. Laut ihm würden sich besagte Großbaustellen auf das gesamte Schienennetz auswirken. Dies würde zu einer zeitweisen Verschlechterung der Situation führen. Einen besseren Vorschlag allerdings gibt es aktuell nicht.
Folgt man den Schätzungen der Bahnbranche, so gibt es mittlerweile einen Investitionsstau von 90 Milliarden Euro. Dirk Flege (Allianz pro Schiene) erklärt, dass diese unter anderem für die Reaktivierung stillgelegter Strecken, aber auch für die Digitalisierung des Schienenverkehrs und die Elektrifizierung des Netzes benötigt würden.
Unsere Fragen an Euch: Wie empfindet ihr die Bahn-Situation in Deutschland, auch im Vergleich zu anderen Ländern? Was hätte früher umgesetzt werden müssen? Sind Wissings Pläne realistisch oder werden diese zu noch mehr Problemen führen?
Wir freuen uns auf Eure Antworten!
Viele Grüße
Euer gutefrage Team
Quellen:
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/bahn-verkehrsminister-100.html
32 Antworten
Im ÖPNV - also Bus und Bahn innerhalb einer Stadt - müsste das Angebot so aufgestellt sein, dass ich nicht mehr das Dreifache an Zeit pro Strecke im Vergleich zum Auto mit allen Reibungsverlusten bräuchte. Das beginnt schon bei der Dichte und somit Nähe der Haltestellen. Ich wohne zum Beispiel in einer Großstadt mit einem eigentlich sehr guten ÖPNV. Dennoch würde mein Arbeitsweg mit Bus und Bahn durch all diese Reibungsverluste mich über eine Stunde pro Strecke kosten - im Vergleich zu ca. 20 Minuten mit dem Auto...
Wenn ich mal ganz wild und frei in die Zukunft gedanklich spinne, wäre meiner Ansicht nach hier ein System mit "On Demand"-Fahrzeugen in selbstfahrend, die einen von daheim auf Abruf abholen und zu zentraleren Knotenpunkten mit größeren Fahrzeugen für die längeren, höher frequentierten Strecken bringen, da ein spannender Ansatz! Übrigens auch ein sehr barrierearmer bis -freier - und somit ein inklusiver, was ich ebenfalls enorm wichtig finde.
Im Fernverkehr möchte ich auf gar keinen Fall über hunderte Kilometer und mehrere Stunden stehen oder auf dem Gang sitzen müssen. Ebenfalls möchte ich nicht mit dem ständigen Gsundheitsrisiko dort fahren, dass der Zug irgendwo mitten im Nirgendwo stehen bleibt, kein Fenster zu öffnen ist und die Klimaanlage nicht mehr funktioniert. Und ich möchte auch nicht jede längere Fahrt Monate im Voraus planen und buchen müssen, um nicht entweder arm zu werden oder x mal umsteigen zu müssen und durch einen Halt an jeder Milchkanne ewig unterwegs zu sein. All das bietet die Bahn derzeit leider nicht. Somit ist sie in ihrer aktuellen Form für mich ein indiskutables Fortbewegungsmittel.
Ein sehr interessanter Ansatz - danke Dir für Deinen Beitrag!
Es fehlt nach wie vor der große Aufriss: Unionsgetriebene Projektchen mit "Pyrrhos-Erfolgen" haben den Blick für wirkliche Innovationen verstellt. Dieser muss m. E. wieder geweitet und geschärft werden. Beispielsweise: Autonomes Fahren mit mühsamer Fahrwegerkennung? Auf der Schiene ist der Fahrweg vorgegeben und die Strecke geregelt frei. Warum also nicht auf zurzeit ungenutzten Nebenstrecken autonom Fahren und Einzelkabinenverkehr anbieten, wo sich ein Zugeinsatz nicht lohnte? So könnten wir endlich wieder "in die Fläche" kommen.
Kritik ist gut, sollte aber konstruktiv und vom Verständnis der Sache geprägt sein. Zu häufig haben wir in DE ein heilloses Bahn-Bashing, was einer erforderlichen Diskurskultur im Weg steht.
Wissings Ansätze mögen ganz gut sein, der FDP abnehmen werde ich das aber erst, wenn die Umsetzung wirklich angegangen wird. E-Fuels für Autos war eine unsägliche Klientelpolitik, die am Thema vorbei ging. So etwas sollte sich Wissing jetzt nicht mehr leisten.
Der ÖPNV sollte pünktlicher und bezahlbar sein und einen ohne Zwischenfälle (Weichenstörung, Ausfall der Klimaanlage, usw.) schnell von A nach B bringen.
Innerstädtisch sollte (an Werktagen) mind. alle 10 Minuten eine Straßenbahn, U-Bahn oder ein Bus von oder zu einem zentralen Knotenpunkt (z.B. Hauptbahnhof) fahren.
In andere Städte sollte (an Werktagen) jede Stunde mind. ein Zug/Bus fahren.
Wenn man eine längere Fahrt hat und zwischendrin umsteigen muss, sollten die Züge so aufeinander abgestimmt sein, dass man nicht noch eine halbe Stunde oder mehr Wartezeit hat.
Die Tickets müssten günstiger statt jedes Jahr teurer werden, kostenlos müssen sie aber nicht sein.
Das 9€-Ticket war gut, aber auf Dauer wohl nicht finanzierbar, das 49€-Ticket finde ich zu teuer und schlecht umgesetzt. Während man das 9€-Ticket einfach am Automaten ziehen konnte, braucht man für das sog. Deutschlandticket in den meisten Regionen ein Smartphone, womit aber nicht jeder umgehen kann, wenn er denn überhaupt eins hat.
Ideal für Pendler wäre ein 365€-Jahresticket, das man einfach am Automaten kaufen kann.
Der ÖPNV sollte einen schnell ans Ziel bringen. Mit dem Auto brauche ich 30 Minuten zur Arbeit. Mit dem ÖPNV würde ich doppelt so lange brauchen und müsste noch zwei Mal umsteigen. Eine Verspätung auf einem Teilabschnitt, kann da ganz böse Folgen haben.
Eine Verbesserung beim ÖPNV ist aber wohl leider nicht in Sicht.
https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/bahn-deutschlandtakt-101.html
Leider haben die Verspätungen eher zu- als abgenommen, was dazu führen könnte, dass Pendler auf einen eigenen Pkw umsteigen.
Das 49,- € Ticket ist eine gute Idee. Schade, dass es dieses in meiner Region nur digital für das Smartphone gibt. Wenn ich also ein Ticket mir holen wollte ohne Smartphone, dann ginge dieses nur online. Onlinebestellungen stellen gerade ältere Menschen vor einer Hürde und nicht jeder ältere Mensch besitzt ein Smartphone. Ich kaufe daher bei Bedarf ein bis zwei Niedersachsentickets im Monat, statt ein 49,- € Ticket zu besitzen.
Ich weiß, ich bin etwas altmodisch oder wie eine Nutzerin behauptet hat, ein menschliches Problem, wenn ich mit moderner Technik nicht zurecht komme. Für mich sieht Verbraucherfreundlichkeit jedenfalls anders aus.
Wenn ich in meiner Freizeit die Bahn nutze sind Verspätungen zwar unschön, doch komme ich damit zurecht, denn in meiner Freizeit habe ich Zeit.
Der öffentliche Nahverkehr, in meiner Stadt (Hannover), wurde in den letzten
Jahren super ausgebaut, ebenso die Radwege. Gleichzeitig wurde der Straßenbau ins Zentrum zurück gebaut. Nun ist man mit Öffies tatsächlich schneller, als wie mit den Wagen. Leidenschaftliche Autofahrer sind darüber verärgert. Ich fahre am liebsten mit den Rad in die Stadt und dementsprechend positiv sehe ich es. Die großen Geschäfte sind an die Stadtränder ausgelagert und somit gibt es auch keinen Grund mit eigenen Wagen immer in die Stadt zu fahren. Natürlich gibt es immer Ausnahmen, wo ein Wagen sinnvoll ist.
Danke, es ist so unnötig umständlich und für mich unverständlich, warum nicht zumindest alle Großstädte zumindest eine Stelle haben, wo es direkt als Chip gekauft werden kann. Freunde von mir haben tatsächlich nur deswegen sich ein Smartphone angeschafft.
Schade, dass es dieses in meiner Region nur digital für das Smartphone gibt. Wenn ich also ein Ticket mir holen wollte ohne Smartphone, dann ginge dieses nur online. Onlinebestellungen stellen gerade ältere Menschen vor einer Hürde und nicht jeder ältere Mensch besitzt ein Smartphone. Ich kaufe daher bei Bedarf ein bis zwei Niedersachsentickets im Monat, statt ein 49,- € Ticket zu besitzen.
Du kannst dir die Chipkarte auch über einen anderen Verkehrsverbund holen. Bei welchem du das Deutschlandticket kaufst ist nämlich egal, da du es ja eh im ganzen Bundesgebiet nutzen kannst.
Die Ruhrbahn (Essen/Mühlheim) bietet z.B. das Deutschlandticket als Chipkarte an. Und das geht auch ganz altmodisch über den Postweg.
Ausgefallene Zuege,ein absolutes NoGo , besonders wenn eine gewisse Destination termingerecht erreicht werden muss,
Erstens müssen die Frequenzen erhöht werden,Halbstundentakt zwischen Größeren Städten,.z.B.Muenchen,Ingolstadt , Nürnberg,kleinere Städte ( Burghausen,Landsberg)müssen stündlich erreicht werden können .
Busverbindungen an den Fahrplan der Bahn anpassen.damit auch anliegende Orte ohne Bahnanschluss zeitnah erreicht werden können
49.€ Ticket muss erwerbbar sein nicht nur online und als Abo,sondern direkt an Verkaufsstellen für den jeweiligen Monat,sowie die Einführung von Familientickets mit Ermaessigung
49.€ Ticket muss erwerbbar sein nicht nur online und als Abo,sondern direkt an Verkaufsstellen für den jeweiligen Monat
Das Deutschlandticket wird personalisiert verkauft und ist nicht übertragbar, deswegen kann es das Ticket nur im Abo und nicht als Monatsticket geben. Monatstickets sind nämlich i.d.R. frei übertragbar.
Beim 9 Euro Ticket und beim Bayern-Ticket war es auch personalisiert,hier muss Vor- und Zunamen eingetragen werden ,bei Kontrollen würde das unterschriebene Ticket und der Ausweis vorgelegt,geht doch auch so.
Ich bin im Juni mit dem Bayern-Ticket nach Garmisch gefahren,musste meinen Namen leserlich schreiben,und meinen Ausweis vorlegen..alles kein Problem
Vielen Dank für Deine Antwort! Tatsächlich gab es auch in München für viele Leute dieses Problem beim Kauf.