Diskutieren sollte wieder gelernt werden

8 Antworten

Dem ist nicht viel hinzuzufügen, Meinungsfreiheit wird gerne mit Redefreiheit verwechselt aber Falschinformationen und Hetze haben nunmal nichts mit Meinung zu tun.

Dazu wurde die Diskussionskultur vorallem von rechts in den letzten Jahren arg vergiftet, alles was irgendwie ansatzweise links ist wird als "woke" oder unter ähnlichen Labeln in eine Schublade gepackt.

Woher ich das weiß:Hobby – Euer Pick-Me-Girl :)

Bomberos911  27.07.2024, 06:48

Wobei das Beschimpfen in beide Richtungen geht. Man wird style schnell in die rechte Schublade gesteckt, wenn man bestimmte Gedanken äußert.

Bruno2308  27.07.2024, 05:23

Dieses "Möbel" mit den 2 Schubladen steht bei vielen in der Wohnung. Die Mitte wird aufgeteilt, die einen beschimpfen, die anderen als Linke, für diese sind dann wiederum alle rechts.

Skyler0003  27.07.2024, 08:48
Dazu wurde die Diskussionskultur vorallem von rechts in den letzten Jahren arg vergiftet, alles was irgendwie ansatzweise links ist wird als "woke" oder unter ähnlichen Labeln in eine Schublade gepackt.

Dafür wird alles was minimal konservativ ist, oder sich Millimeter rechts von linksradikal befindet, durch Wokeies als "Nationalismus" postuliert...

Marionetto  27.07.2024, 08:02

Ja, aber das Leben ist keine Einbahnstraße. Das Problem ist m.M.n. überall zu finden!

Für mich gibt es einen eindeutigen Zusammenhang zwischen dem Aufkommen sozialer Medien und dem "Niedergang" der Diskussionskultur. Man sieht seinen Kontrahenten nicht mehr, sieht ihm nicht mehr in die Augen, aus der eigenen Deckung heraus sinkt die Hemmschwelle an der Tastatur hinzu Beleidigungen und Anfeindungen - etwa vergleichbar mit dem Verhalten mancher Autofahrer, die hinter ihrem Steuer jeder verbale Selbstkontrolle fallen lassen.

In meiner Jugend 1960er bis 1970er gab es wesentlich größere Gegensätze in der Gesellschaft als heute: überall noch der Nazi-Mief. Eine Mischung aus Trauer über den verlorenen Krieg, dem Satz: Hitler hatte doch auch seine guten Seiten, extrem autoritäre Erziehungsvorstellungen, spießiger Moral und Hass auf Kommunisten.

Es wurde hart und viel diskutiert in Grund und Boden und protestiert. Aber es ging mehr darum die Denkweise nieder zu kämpfen, die soviel Unheil verursacht hatte als um die Menschen, die dahinter standen. Irgendwann verschwand der Mief nach der 68er Zeit. Man kann diese Entwicklung auch an der Debattenkultur im deutschen Bundestag nachvollziehen z.B. an den legendären Streit zwischen Herbert Wehner und Franz Joseph Strauß.

Heute sieht man nicht mehr den Menschen, der hinter einer Meinung steht. Er wird zum anonymen Kontrahenten, der mit enthemmten und verrohten verbalen Mitteln platt gemacht wird.


PeterP58  27.07.2024, 07:00

Heute haben die (jungen) Leute doch garkeine (eigene) Meinung mehr. Man übernimmt Meinungen eher < das ist einfacher als selbst zu denken ...

Marionetto  27.07.2024, 07:58

Eine gute Analyse!

Man lernt es doch - in der Schule. Dort musste man gefühlt jedes Jahr mindestens eine Errötung schreiben. Behauptung, Argument, Begründung, Beispiel. So sollte man an es zumindest handhaben.

Nur wird das von immer mehr Menschen nicht (mehr) umgesetzt. Heutzutage nehmen schließlich einige Kritik an einer Partei, einem Thema oder einer Meinung, die sie gut finden, direkt persönlich. Und diese Zahl steigt - in Amerika ist es mittlerweile fast schon eine Identität zu welcher Partei man sich zugehörig fühlt. Ein Diskurs wird dadurch unmöglich.

Hinzu kommt mangelnde Bildung. Wenn sich jmd in Deutschland wünscht, dass Trump Präsident wird, dann kann man getrost sagen, und das meine ich jetzt nicht derespektierlich, dass es sich dabei um einen Trottel handelt. Jeder halbwegs kluge Mensch sollte wissen, dass Trump uns schaden würde, wenn er an die Macht kommen sollte. Selbst wenn man, warum auch immer, ihn als Menschen toll finden sollte und gut findet, was er sagt und wie er sich gibt, dann sollte man immer noch begreifen, dass er auf alle Importe in die USA 10% Zölle verlangen möchte. Dies hat auf uns als Exportnation erhebliche negative Konsequenzen. Laut dem Institut der deutschen Wirtschaft wird uns das 150 Mrd kosten. Sprich, unsere Wirtschaftsleistung wird geschmälert, schlimmstenfalls gehen Arbeitsplätze drauf und die Auftragsanzahl geht zurück, bestenfalls verringern sich nur die Steuereinnahmen erheblich. So oder so ist das schlecht für uns. Aber so weit wird nicht gedacht, denn Trump ist ja Anti-Woke und das ist das wichtigste..

Folglich kann man klar eine steigende Dummheit in der Gesellschaft erkennen, die sich gegenüber rationalen Argumenten durchsetzt.

Der alles entschiedene treibende Faktor ist für mich persönlich aber das Internet und die damit einhergehende Blasenbildung. Viele suchen eben auch nach Bestätigung. Im Internet bekommt man diese auch sehr schnell. Und wer Zuspruch bekommt, der liegt auch richtig, oder? (So denkt der ein oder andere zumindest) Wenn es hier eine Politik-Frage gibt, dann liegen entweder die Grünen ganz oben, oder die AfD. Vertrittst du also einer deren Meinungen, dann bekommst du auf dieser Plattform viel Zuspruch. Man wird in seinen Ansichten schnell bestätigt und zugleich werden Feindbilder geschaffen. Lösungen sind irrelevant, lieber wird xy für etwas verantwortlich gemacht. Der Eindruck alle anderen, die es nicht so sehen sein dumm, naiv oder gebrainwashed, wird vermittelt. Und so ist es eben mit allen gesellschaftlichen Themen. Es gibt nur noch schwarz und weiß. Und insofern auch keinen richtigen Diskurs.


Marionetto  27.07.2024, 08:04

Absolut eine Top-Antwort!

Hagar470  27.07.2024, 06:10

Besser kann man es kaum noch ausdrücken.

Ich denke bevor man lernt zu diskutieren, muss man seine Impulse unter Kontrolle haben. Sonst geht bei dem kleinsten Trigger die Post ab.

Da viele Menschen und vor allem bestimmte Bevölkerungsgruppen es nie gelernt haben, weil es Teil der Kultur ist, herum zu schreiben und gewalttätig zu werden, sehe ich da nicht viel Hoffnung, auch nicht bei der jungen und noch kommenden Generation, es wird Zuhause ja so vorgelebt.


Marionetto  27.07.2024, 08:00

Klingt leider sehr schlüssig!

Ich denke das hat 2 Ursachen.

Was natürlich gar nicht geht sind Falschinformationen und Hetze. Dank des Internets ist das leider ziemlich leicht geworden. Ich bezweifle, dass wir das je in den Griff bekommen.

Bzgl. des Problems der Diskussionskultur denke ich, dass es mittlerweile an einem gewaltigen Mangel an Respekt liegt. Beispiel aus meinem Leben: Ich und eine Freundin haben uns über den Israelkrieg im Internet gestritten. Das Problem an unserem Streit war aber nicht die Tatsache, dass wir unterschiedlicher Meinungen sind, sondern dass wir im Laufe der Diskussion zunehmend respektlos wurden. Irgendwann tut's auch keine Entschuldigung mehr. Im realen Leben hätten wir wahrscheinlich schon nach 5min. die Diskussion beendet.

Alleine hier auf GF bekommt man am Ende einer Diskussion einen dummen Spruch zum Abschluss, z.B.: ,,Ach jetzt die Diskussion beenden, weil dir keine Argumente mehr einfallen. Klassiker". – Wobei man als User eventuell einfach nur kein Bock und eventuell auch keine Zeit mehr dafür investieren möchte.

Hinzu kommt, dass politische Themen komplexer geworden sind. Früher diskutierte man über die Privatisierung der DB, über Gleichberechtigung schwarzer/homosexueller Menschen oder man entwarf Subventionen, um irgendwelche Konzerne in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung zu unterstützen. Man dachte in der Politik eher darüber nach, wie man das kaputte Land nach dem Krieg wieder auf die Beine bekommt. Heute sind die Themen globaler und nicht mehr ganz auf lokaler Ebene: Klimawandel, Kriege, EU-Probleme, Flüchtlinge, Pandemie oder auch Ressourcenmängel kommen bald auch noch dazu.

Die heutige Politik beschäftigt sich stark mit Problemen und Konflikten, die dank der Industrialisierung, Globalisierung und dem ewigen Wirtschaftswachstum im Kapitalismus erst entstanden sind. Das ist nicht mehr Lokal, also auf persönlicher Ebene, und deshalb umso schwieriger es zu begreifen. – ,,Diese eine Plastiktüte wird schon nicht die Welt vergiften" Eben doch, wenn Milliarden anderer Menschen genauso denken, dann ist diese eine Mülltüte ein Problem.

Zunehmende respektlosigkeit, insbesondere im Internet, und global wachsende Probleme/Konflikte sorgen dafür, dass die Diskussionskultur anstrengender und komplexer wird.

Ich habe leider noch kein Rezept dafür gefunden, wie man damit am besten umgeht. Schweigen ist ja jetzt auch nicht die Lösung. Ich persönlich sag immer, dass es meine Meinung ist, die andere nicht unterstützen oder teilen müssen, wenn sie es anders sehen. Bin damit bisher, auch im realen Leben, ganz gut gefahren.


Marionetto  27.07.2024, 08:23

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Da kann ich mich wiederfinden. Und ich gebe auch zu, daß es mir ebenso schwer fällt mich auf gewisse Dinge neu einzulassen, die Du im Mittelteil deiner Antwort gut beschrieben hattest! Das liegt aber auch daran, daß ich oft das Gefühl habe daß man heutzutage doch oft zu sehr global denkt. Die Probleme die jeder "zu Hause" hat sind auch komplex und oft noch ungelöst. Warum soll man sich dann zusätzlich noch die Probleme der Welt an sich übermäßig heran ziehen...?! Das liegt nicht jedem, auch mir nicht immer. Man kann das Gute (hier: Empathie für Alles und Jeden auf dem gesamten Planeten!) auch übertreiben...

Und nochwas...man kann sich ja heutzutage auch kaum thematisch neutral zeigen. Denn ohne Zustimmung für eine der jeweiligen Diskussionsseiten...zack, bekommt man dann ggf. den "shitstorm" gleich von BEIDEN Seiten! Das Prekariat wächst wohl überall...

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