- Was denkt Ihr über die einzelnen Maßnahmen?
Wer einen Grund finden will, einen Job abzulehnen, findet auch einen. Problematisch sehe ich, dass die Jobcenter das in vielen Bereichen auch gar nicht prüfen können,ob ein Grund für eine Ablehnung legitim ist oder nicht. Viele Berufe untergliedern sich in viele Teilbereiche, so dass nicht jeder auf jede Stelle passt, selbst wenn die Oberbezeichnung gleich ist.
Zu Schwarzarbeit gehören immer zwei. Es ist zu kurz gedacht, hier nur den BG-Bezieher zur Rechenschaft ziehen zu wollen.
Schonvermögen dürfte bei den meisten Leistungsbeziehern eh kaum vorhanden sein, insofern ist die Änderung ein zahnloser Tiger.
Die zumutbare Pendelzeit...das ist schon wieder so´n Ding, auf das der Leistungsbezieher nur überschaubaren Einfluss hat. Gerade im ländlichen Raum (wie hier im Thüringer Wald) ist es eher der Normalzustand,dass Bewerber schon bei vergleichsweise geringer räumlicher Entfernung zwischen Wohnort und Arbeitsstätte vom AG im Bewerbungsprozess gefragt werden, ob ihnen die Entfernung nicht zu weit ist. Hier in der Region teilweise sogar bei Entfernungen von gerade mal 15-20km. Selbst diverse Male erlebt. Im Zweifelsfall wird der Bewerber lieber abgelehnt, weil der AG fürchtet,dass der sowieso schnell wieder abspringt.
- Gibt es welche, die ihr zu lasch oder zu strikt findet? Falls ja, weshalb?
Wie eben schon angedeutet, ist die Sache mit 1,5h Pendelzeit pro Strecke je nach Region überzogen hoch. Schon jetzt gibt es die Regel, dass je nach Beruf die Pendelzeiten vergleichbarer anderer Arbeitnehmer den Vergleichswert darstellen. Insofern ändert sich also nicht viel. Und mal ganz davon abgesehen: Wenn einem die Pendelstrecke zu weit ist, wird der sich nicht nur nicht um diesen Job reißen (etwa durch entsprechendes Verhalten im Bewerbungsprozess), sondern der wird sich auch nicht gerade den Hintern für so eine Stelle aufreißen, womit er schnell wieder auf der Abschussliste steht. Wenn ich beispielsweise 1,5h Heimfahrt habe, werde ich mich bestimmt nicht drum reißen, wenn der Chef fragt, wer freiwillig Überstunden machen will.
- Welche Strecken / Zeiten sind mit Blick auf die Arbeitsstätte Eurer Meinung nach vertretbar?
In Kilometern kann man das schlecht bemessen, zeitlich schon eher. Mehr als 1h pro Strecke (per Auto) sind m.E. ein No-Go. Das ist auch etwa die Fahrzeit,die ich habe. Wollte ich das mit dem ÖPNV fahren,wäre ich fast 3h unterwegs....pro Strecke.
- Denkt Ihr, strengere Maßnahmen führen tatsächlich dazu, dass mehr Menschen Arbeit aufnehmen werden?
Die Politik tut mal wieder so, als WOLLTEN sämtliche Leistungsbezieher ja nur nicht arbeiten. Dabei schätzt selbst die Bundesagentur für Arbeit die Zahl der Unwilligen auf maximal 3-4% ein. Und die lassen sich auch von schärferen Regeln nicht beeindrucken. Insofern glaube ich nicht, dass die strengeren Maßnahmen irgendwas bringen. Wenn die Politik tatsächlich will, dass mehr Leute eine Arbeit aufnehmen, sollte sie vielleicht erstmal anfangen, die arbeitsmarktpolitischen Instrumente wie z.B. "Qualifizierungsmaßnahmen" zu überarbeiten. Es kann doch nicht sein, dass sinnvolle Maßnahmen abgelehnt werden, in denen man fehlende Kenntnisse erwerben soll, man dafür aber 3-4x in "Bewerbungstrainings" gesteckt wird, wo man lernen soll, wie man das Fehlen der Kenntnisse im Vorstellungsgespräch überspielt. Als würde das nicht eh rauskommen, wenn man irgendwas nicht kann. Grund für diese "bewusste Fehlqualifizierung" ist nicht selten Arroganz der Jobcenter, die den Kunden nicht zutrauen, selbst am Besten zu wissen, welche Kenntnisse ihnen fehlen.
- Könnte die Wirtschaft durch derartige Beschlüsse angekurbelt werden?
Nein, nicht die Bohne.
- Sollten die Voraussetzungen, um Bürgergeld beziehen zu können, noch strenger werden?
Nein.
- Sollten Leute, die dauerhaft massiv gegen Auflagen verstoßen, komplett aus dem Leistungsspektrum des Bürgergelds fallen?
Ja...aber wie gesagt: sogar die BA selbst gibt den Anteil derjenigen, die tatsächlich nicht arbeiten WOLLEN, mit maximal 3-4% an. Statt sich an diesem vergleichsweise kleinen Prozentsatz hochzuziehen, sollten die JC lieber ihre Energie dahingehend umpriorisieren, diejenigen in Arbeit zu bringen, die arbeiten wollen und für die überhaupt ein Job da wäre. Es ist absolut NICHT zielführend, Energie in sinnfreie Aktionen zu stecken, während diejenigen, die tatsächlich arbeiten wollen, vielleicht gar nichts von freien Stellen erfahren, nur weil JC-Mitarbeiter mit denen beschäftigt sind, die keinen Bock haben.