Schreib einen Brief an deinen Vater, wenn du dich nicht traust, mit ihm zu sprechen. Vertrau mir, es ist wichtig, dass du das nicht für dich behälst.
Ich habe mit 12 herausgefunden, dass meine Mutter eine Affäre hat und habe es drei Jahre geheim gehalten, in der Hoffnung, es würde schon gut gehen, meinem Vater würde der Schmerz erspart bleiben. Außerdem brachte ich es nicht fertig, meine Mutter darauf anzusprechen. Ich wollte nie so tief in die Beziehung zwischen meinen Eltern hineingezogen werden und nun stand ich da und beschützte sie voreinander. Doch am Ende hat alles nichts genützt. Der Betrug kam heraus und meine Eltern haben sich getrennt. Heute sind beide wieder glücklich in Beziehungen und verstehen sich auch einigermaßen wieder.
Ich hingegen habe jahrelang danach noch Probleme gehabt. Dadurch, dass man sich niemandem anvertraut, denkt man sehr viel über den betrügenden Elternteil nach. Wieso hat sie das getan? Man versucht es irgendwie zu verstehen, rechtzufertigen, doch an einem gewissen Punkt geht es eben nicht mehr. Man wird bitter und baut einen Groll auf und etwas zerbricht. Ich werde vermutlich immer eine andere, kältere Beziehung zu meiner Mutter haben als ich sie heute ohne diese Geschichte gehabt hätte.
Ich fürchte, du musst dich leider an einen der beiden wenden. Ich würde sagen, an deine Mutter. Denn ich stelle mir vor, wie du - ein verständnisloser, verwirrter Teenager, der einfach nur hören möchte, dass der Papa kein A'rschloch ist - dich von seinen Entschuldigungen und Mitleidsersuchen einwickeln lässt und er Druck auf dich aufbaut, es deiner Mutter nicht zu erzählen, damit er sein Leben so weiterführen kann. Also, bitte wende dich an deine Mutter, wenn auch nur mit einem Brief. Der Schmerz kommt so oder so, denn es ist passiert, daran ist nichts mehr zu ändern. Du kannst ihr aber helfen, nicht noch mehr Jahre mit jemandem zu verschwenden, der sie zur Lachnummer macht und sie nicht so liebt wie sie es verdient. Du könntest auch das Handy deines Vaters nehmen und eine der verräterischen SMS an sie weiterleiten. Dann sieht es so aus, als hätte er sich vertippt, und du bist raus aus der Nummer.
Wie auch immer du es magst, ich wünsche dir viel Stärke für die nächste Zeit. Ich will nicht lügen, eine Scheidung kann schmerzvoll sein, aber sie wird wohl eintreten, ob heute oder morgen ist dabei nebensächlich. Doch das schaffst du schon, halte durch! Deine Mutter und du, ihr seid ein Team, ihr gebt euch gegenseitig Kraft. Und diese Phase wird auch wieder vorbei sein, das versprech ich dir. Wenn man ganz unten ist, kann es nur noch aufwärts gehen. Viel Glück!