Wieso wird Druck in der Schule rein newtonisch gelehrt?

6 Antworten

Energie ist kein anschaulicher Begriff sondern als Erhaltungsgröße definiert.

Die angeführte Gasgleichung kommt im Lehrplan (außer im Leistungskurs) zumindet in Bayern, nicht vor. Im Leistungskurs habe ich das dargestellt. Inzwischen gilt so etwas als exotisch. Wärmelehre führt im gymnasialen Lehrplan offensichtlich inzwischen ein Schattendasein. Der neue Lehrplan für die 12. und 13. Jahrgangsstufe liegt in Bayern immer noch nicht vor. An der Schule meines Sohnes wurde die Wärmelehre entgegen dem Lehrplan sogar ganz fallen gelassen. Die meisten Physiklehrer sind mit derartigen Anforderungen überfordert. Als Fachbetreuer für Physik kann ich ein Lied davon singen.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Lehrer u. Fachbetreuer für Mathematik und Physik i.R.

AllesIsi98 
Beitragsersteller
 18.08.2022, 20:29

Das überrascht mich irgendwie. ich habe immer viel Positives vom bayerischen Unterricht gehört. Selbst in NRW habe ich die ideale Gasgleichung in der 10. Klasse gelernt, wobei mein Lehrer auch promovierter Chemiker war, daher kann das eine sehr individuelle Erfahrung gewesen sein. Wärmelehre selbst war allerdings auch da nicht Unterrichtsthema. (Ich musste damals leider ab der 11. Klasse Physik abwählen, daher weiß ich nicht inwiefern Wärmelehre im Physikunterricht im Abitur behandelt wurde)

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Littlethought  18.08.2022, 20:42
@AllesIsi98

Die ideale Gasgleichung: p * V = n* R * T wird meist dargestellt aber das Einführen der Bolzmannkonstanten k stellt einen zusätzlichen geistigen Schritt dar. Auf den Zusammenhang mit der Energie wird meist nicht eingegangen. Meist wird nur mit der Formel p1 * V1 / T1 = p2 * V2 / T2 gearbeitet um einzelne Größen zu berechnen. Ich war schon froh wenn wenigstens der Unterschied von Temperatur und Wärme richtig dargestellt wurde. Als ich die Fachbetreuung Physik übernommen hatte, mußte ich feststellen, das sich etwa die Hälfte der Lehrer der Fachschaft für unfähig erklärte auch nur einen Grundkurs Physik in der Oberstufe zu halten. Damit hatte ich nicht gerechnet.

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Littlethought  18.08.2022, 20:46
@Littlethought

P.S.: Nach Aussage einer mit mir befreundeten Chemielehrerin im Rang einer Studiendirektorin und Mitglied der Schulleitung, sieht es im Fach Chemie nicht besser aus.

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Es kommt sicher auf den Zusammenhang an, welche Definition nötig oder zweckmässiger ist.

Die Definition über die Energie birgt die Gefahr, dass es zum häufigen Missverständnis kommt, wo Kraft mit Energie gleichgesetzt wird.
Energie erhält man aber erst, wenn man Kraft mal Weg rechnet. Da kommt man dann bei der Suche nach dem mittleren Weg eines Gasmoleküls zwischen zwei Stössen bald mal in Teufels Küche.

wonach man den Druck als kinetische Energie pro Volumeneinheit verstehen kann

Aber auch nur bei idealen Gasen. Bei der newtonschen Herangehensweise spielt der Aggregatszustand keine Rolle.

was in der dreidimensionalen Vielteilchenwelt der Chemie sehr viel praktischer,

Was nur ein kleiner Teilbereich ist. Der Druck wird aber im Rahmen der Mechanik eingeführt. Und dreidimensionale Chemie spielt in der Schule und den meisten naturwissenschaftlichen Studienfächern gar keine Rolle.

Von Experte tunik123 bestätigt

Druck muss in dem Sinne nicht nur von Flüssigkeiten oder Gasen ausgeübt werden und bei der Vorstellung des Druckes eines idealen Festkörpers auf einen anderen macht eben die Herleitung aus den Gasgesetzen keinen Sinn mehr.

Der Newtonsche Audruck ist eben die Definition von Druck an sich, die Gasgleichungen sagen hingegen wie ein Gas einen Druck ausüben kann.

Nicht-newton'sche Physikvermittlung würde ich mir eher lagrangig oder hamiltonisch vorstellen als ausgerechnet thermodynamisch motiviert.

Aber es lässt sich drüber streiten, ob Kraft oder Energie anschaulicher ist. Wobei Energie und Artverwandte in der Thermodynamik ja Biester sind. Bis man sich da erst mal mit Enthalpien, Entropien und inneren Energien angefreundet hat, uiuiui...

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Abschluss als Diplom-Physiker

AllesIsi98 
Beitragsersteller
 18.08.2022, 20:16

Meine Frage ist natürlich sehr egozentrisch motiviert, aber ich persönlich komme mit Energie besser klar als mit Kraft - warum auch immer.

Es geht mir ja nicht darum Schülern nur das eine oder andere beizubringen, sondern zumindest alternative Interpretationen darzulegen, da ich glaube, dass das einen echten Mehrwert bieten würde, auch um Schülern zu zeigen, dass es nicht nur einen Weg, eine einzige richtige Denkweise gibt, sondern viele Methoden und Ansätze, die zum Ziel führen. (Thermodynamik war dabei grad das erste was mir eingefallen ist, weil Chemie und so)

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zalto  18.08.2022, 20:21
@AllesIsi98

Ja, verstehe Dein Ansinnen. Kennst Du den Karlsruher Physikkurs (KPK)? Der entspricht vermutlich Deinen Vorstellungen, ist aber umstritten. Statt Kräften hat man dort Impulsstromstärken und die Thermodynamik ist Entropie-zentriert.

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AllesIsi98 
Beitragsersteller
 18.08.2022, 20:24
@zalto

Den KPK kannte ich tatsächlich noch nicht, werde ich mir mal anschauen. Gerade mit dem Verständnis der Entropie haben wahrscheinlich viele (so definitiv auch ich) so ihre Probleme. Dat Janze klingt dementsprechend ambitioniert, in einem positiven Sinne.

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