Wie seht ihr den Unterschied im Mahayana-,Theravada- Buddhismus?

5 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Erst mal finde ich es nett, dass du den Begriff "Hinayana" nicht gebrauchst 😃.

Zu dem, was diese Lehrerin sagte: Sorry, aber wer so etwas denkt, kann nicht wissen, was der Buddha lehrte !

Und, das beobachte ich seit mindestens 20 Jahren ( seit ich sehr viel Kontakte zu Buddhisten der verschiedensten Traditionen habe ) leider immer wieder.

Ok. du meinst nicht Zen mit deiner Frage - aber auch im Vajrayana gibt es viele, die schlicht und ergreifend niemals eine Sutta ( geschweige denn viele ) aus dem Pali Kanon gelesen haben.

Gerade aber, wenn sich jemand "Lehrer" oder "Lehrerin" sollte das doch erwartet werden dürfen. Oder ?

Zum Glück gibt es aber "im Westen" inzwischen sehr viele LehrerInnen, die Erfahrungen in beiden Traditionen gesammelt haben. Und, erst dann kann man erkennen, dass es sehr viel mehr Gemeinsamkeiten als "Unterschiede" gibt.

Vor allem halte ich die Formulierung "Wenn man ein Mitgefühl in sich spürt, sollte man gleich ins große einsteigen." für blanken Unsinn. Erst mal, weil es ohne umfassendes Mitgefühl mit allen fühlenden Wesen keine "Erleuchtung" ( also auch Arahantschaft ) im Theravada gibt. Und dann auch, weil das "Bodhisattva-Ideal" ja ein sehr schönes/edles ist, aber: so ein Ideal zu haben, bedeutet ja nicht automatisch, dass man "mehr Mitgefühl hat" als jemand, der dem Buddha so nachfolgt, wie der Buddha diesen Weg eben lehrte ( im Theravada ).

Ich frage mich auch, warum Buddha selbst diesen "Bodhisattva-Weg" nicht selbst schon lehrte. Zu behaupten, er habe "diese höheren Lehren für sich behalten", o.ä., widerspricht dem, was der Buddha sagte. Nämlich, dass er alles gelehrt habe...

Ein "Bodhisattva" ist ja erst mal nur ein Bodhisattva, kein Buddha, kein vollständig Erleuchteter. Vielleicht "löst" sich dieser Knoten, indem man einfach mal annimmt, dass ein Bodhisattva eben noch kein "Arahant" ist. Sondern, dass er noch "an etwas anhängt", z.B. dem Wunsch, wiedergeboren zu werden, um "allen Wesen zu helfen".

Selbst der Dalai Lama ( der ja als Bodhisattva gilt ) hat nie von sich behauptet, "erleuchtet" zu sein. Selbst über die "Brahmaviharas" sagte er: er verstünde sie nicht vollständig, hätte sie nicht verwirklicht. Aber, er gäbe sich Mühe !

Also, von Bodhisattvas, die auf den "Eingang ins Nibbana verzichten", um anderen zu helfen, sprach Buddha nie.

Ich persönlich finde diese "Idee" wunderbar 🙏 ! Und, für mich schließt das eine das andere nicht aus. Wer weiß schon, wie oft "er" noch geboren wird ? Die Vorstellung, das sei "bestimmt nur noch wenige Male"... Na ja, da kann man sich schwer täuschen.

Was ich aber gar nicht nachvollziehen kann, ist der Wunsch ( und da habe ich einige kennengelernt, die ihn hatten ) "so schnell wie möglich erleuchtet zu werden", um... (?) Und "der Rest der Welt" interessiert sie herzlich wenig 😕.

Ich denke aber, da haben sie die Worte des Buddha entweder nicht gründlich genau "studiert" ( womöglich gar nicht gelesen ), oder: es interessiert sie nicht = das eigene Ego, die "Begierde" nach dem eigenen Glück ( ohne "nach rechts und links zu schauen" ) ist dann größer...

Tja, mit dieser Haltung wird man eh kein Arahant - egal, wie penibel man sich an die Silas hält, wie viele Stunden man am Tag meditiert, welche "Jhanas" man erfährt...

= Erleuchtung kann Niemand nur für "sich selbst" erlangen. Das ist ein Widerspruch in sich selbst !

Zu behaupten, der Buddha selbst habe einen "unvollkommenen Weg" gelehrt, oder sich 45 Jahre lang die "wirklich wichtigen" Belehrungen aufgespart ( für wen denn ?), ist absurd !

Nicht zu wissen ( und auch nicht nachforschen zu wollen ), was der Buddha über Liebende Güte, Mitgefühl etc. lehrte, und welchen Stellenwert das für die eigene Befreiung hat, und dann womöglich auch noch "herab zu schauen" auf die Theravadins ( in ihrem "kleinen Fahrzeug" )... = Puhhh, das klingt so gar nicht nach einer Befreiung von der Illusion des Selbst, und auch nicht nach sonderlich viel "Mitgefühl".

Umgekehrt gilt das aber ebenso ! Ich habe auf meinem Kanal Hunderte von Kommentaren bekommen, in denen vor allem der "tibetische Buddhismus" ( allen voran natürlich der Dalai Lama ) regelrecht "verteufelt" wurde, oder zumindest als "degeneriert" bezeichnet wurde. Gruselig, wie manche den Dharma "verstehen" und für ihre eigenen Zwecke missbrauchen wollen 😬!

Vielleicht interessieren dich die Gemeinsamkeiten doch mehr als die ( angeblichen ) Unterschiede (?).

Dazu hat Ariya Nani vor ein paar Jahren mal einen Vortrag gehalten: "Wichtige Aspekte der Lehre Buddhas - Die Gemeinsamkeiten von Theravada und Mahayana".

In dem geht es tatsächlich um das, was in den meisten Traditionen ( nicht allen ) gelehrt wird, und was direkt auf den Buddha zurückgeht ( die Darstellung des "Lebensrades" ist allerdings SO erst lange nach seinem Tod entstanden, beruht aber auf dem, was er selbst lehrte ):

  • Die Vier Edlen Wahrheiten,
  • Der Achtfache Pfad,
  • Karma,
  • Abhängiges Entstehen,
  • Das "Lebensrad",
  • Die Brahmaviharas,
  • Die 5 Sila (ethische Regeln),
  • Erwachensfaktoren,
  • Geistige Fähigkeiten,
  • Die "Kilesas" (Geistestrübungen),
  • Die 5 Hemmnisse,
  • Dukkha (Umgang mit Leid),
  • Anatta ("Nicht-Selbst"),
  • Die 3 Daseinsmerkmale,
  • Die 5 Skandhas,
  • Vergänglichkeit (Shunyata oder "Leerheit")

https://www.youtube.com/watch?v=SXrWxr6lPVQ

Entschuldige die lange Ausführung !

Ich hoffe, ich habe an deiner Frage nicht "vorbeigeredet" ?!

Liebe Grüße: Manu

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Meine Meinung dazu ist, dass ich mir da kein Problem draus mache.
Wichtig scheint mir, ob man sich gut aufgehoben fühlt, in der 'Linie' oder Gruppierung, in der man seine Meditation erlernt. Der Rest entwicklt sich.

Wenn man zu Beginn damit in Kontakt kommt, sind die Unterschiede mit denen man am meisten konfrontiert wird die Stile. Zum Beispiel wird beim Zen-Buddhismus am wenigsten erklärt, während der Theravada-Buddhismus gleich mit kiloweise alten Büchern daherkommt. Auch in der Praxis gibt es Unterschiede. Nicht jeder mag den strengen Praxis-Stil des Zen. Nicht jeder mag die intensive zum Teil exzessive Meditationspraxis eines Vipassana-Retreats im Theravada. Manche mögen gerne Rituelles, andere nicht. Manche mögen gerne an die Hand genommen und überumfassend angeleitet werden. Andere möchten lieber selber entscheiden wie sie die Sache angehen.

Unterschiede in der Lehre rücken angesichts oben genannter Unterschiede erstmal in den Hintergrund.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung

Tank587 
Beitragsersteller
 08.11.2021, 19:23

Ich hab eher den tibetischen Buddhismus bei Mahayana gemeint. Der Zen-Buddhismus ist irgendwie fast Taoismus im buddhistischen Mantel.

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Von Experte Buddhismus bestätigt
Der Unterschied liegt auch darin, dass im Theravada die Arhatschaft angestrebt wird - also das eigene Erwachen, die eigene Befreiung aus Samsara. Während im großen Fahrzeug Bodhichitta angestrebt wird, der Erleuchtungsgeist zum wohle aller Wesen. 

Dieses Argument wird oft gegen den Theravada ins Feld geführt. Allerdings ist dieses Argument nicht nur ziemlich unzulänglich, sondern es sagt über den Behaupter auch aus, dass er das Prinzip der Buddhaschaft nicht verstanden hat. Denn Buddha wird man (nach dem Theravada) nur, wenn man sich in Mitgefühl & Moral übt. Demnach ist der geistig Erwachte grundsätzlich hilfsbereit & mitfühlend. Und daher gibt es im Theravada auch nicht so etwas, wie eine zweite Drehung. Bodhichitta & Arhatschaft sind untrennbare Einheiten. Weil das viele nicht wissen, entstehen auch Herabwürdigungen gegenüber dem Theravada.

Eine Lehrerin meinte sogar, dass viele glauben: "okay ich fang einmal mit dem kleinen an und wechsele dann ins große, aber das ist gar nicht so gut. Wenn man ein Mitgefühl in sich spürt, sollte man gleich ins große einsteigen."

Es wird oft behauptet, dass Mahayana die nächste Stufe ist. Aber wie ich dargelegt habe stimmt das nicht. Oft interpretiert das Mahayana die buddhistische Lehre einfach anders. In bestimmten Punkten erweitert das Mahayana zwar tatsächlich die buddhistische Lehre, aber man sollte diese "Erweiterungen" nicht auf Mitgefühl & Hilfsbereitschaft projizieren. Genauso bedeutet Erweiterung nicht immer automatisch gut, was natürlich auch umgekehrt gilt.

Bedenke auch, dass Kambodscha bis in das 13Jh. Mahayana Buddhistisch war. Erst dann wechselte das Land zum Theravada. Dieser nationale Wechsel wäre wohl kaum geschehen, wenn Theravada einfach nur eine minderwertige Vorstufe des Mahayana wäre. Genauso könnte man fragen, warum die Theravada Staaten Südostasiens nicht den nächsten konsequenten Schritt gehen & zum Mahayana wechseln, wenn diese Lehre doch für eine überlegene Weiterführung steht.

Woher ich das weiß:Hobby – aktiv praktizierender Buddhist & belesen

Ich bin Soto-Zen-Buddhist und für mich sind diese Unterschiede zweitrangig.

Gehen wir mal einfach davon aus, dass Mahayana wäre tatsächlich in irgendeiner Art und Weise "überlegen" - welchen Unterschied macht das?

Der Theravada-Buddhist hat dann bildlich gesprochen die Wasserpistole um den Brand zu Löschen, der Mahayana-Buddhist den Gartenschlauch.

Auch wenn das eine mehr "Wirkung" haben mag - relevant ist doch nicht die Effizienz der Methode, sondern die Bereitschaft, diese Mittel zu nutzen.

Was nutzt eine "überlegene Philosophie", wenn sie nicht praktiziert wird? Oder man sie unter lauter Ritualen für Bodhisattvas und Co erstickt?

Natürlich fühle ich mich unter Menschen wohler, die "meine" Weltsicht (Mahayana) teilen und tatsächlich erlebe ich Theravadin auch eher als distanziert.

Das bedeutet aber nicht, dass ich Nichiren-Buddhisten, Reines-Land-Buddhisten, Zennies oder Vajrayana-Anhänger pauschal als "bessere Menschen" ansehe.

Welche Art moralischer Haltung oder ethischem Verhalten jemand hat, zeigt sich aus meiner Sicht erst im Verhalten des Einzelnen.

Zu sagen: "Alle Theravadin sind egoistisch" entspricht womöglich einer emotionalen Tendenz, aber man sollte sich eben nicht von Emotionen zu Sektierertum und Überlegenheitsgefühlen verleiten lassen.

Ich gehe jedenfalls nicht auf andere Menschen zu mit der Haltung: "Zeige mir, was uns trennt", sondern "lass uns etwas gemeinsam machen".

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Seit etwa 40 Jahren praktizierender Buddhist

Tank587 
Beitragsersteller
 08.11.2021, 21:06

Ich seh das eigentlich eh überhaupt nicht so. Die haben das Metta-Sutta und fußend auf dem Intersein (oder welchen Begriff du da jetzt verwenden möchtest), kann man ja sowieso nichts nur für sich machen, da man ja ständig interagiert.

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Enzylexikon  08.11.2021, 21:09
@Tank587

Ich bin zwar kein Fan von TNH, aber die "wechselseitige Abhängigkeit" und das "bedingte Entstehen" (bei solchen Themen gebe ich gerne das Mikrophon an Theravadin ab, mir ist das zu trocken) sollten in der Tat deutlich machen, dass es keinen Sinn macht, sich elitär separieren zu wollen.

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