Das große Problem bei Antworten zu solchen Fragen ist, dass wir das Wort "Atman", auf das sich der Buddha bezog, entweder gar nicht, falsch, oder nur sehr ungenau übersetzen (können).
Du schreibst ja selbst: "...ein Ich oder eine Seele, die..." Ja, was denn nun ? Ein "Ich" ist nicht das Gleiche wie eine "Seele". Auch Worte wie "Selbst" oder "Ego" erleichtern das Verständnis, was mit "Atman" gemeint ist, nicht wirklich.
Und, wenn der Buddha "An-Atman" ( Pali "Anatta" ) lehrte, ist die Übersetzung "Nicht-Ich" oder "Nicht-Selbst" zwar gebräuchlich, aber eben auch missverständlich, bzw. ungenau.
Kein ICH zu besitzen ( oder dasselbe zu zerstören, zu verlieren ) wäre eine Katastrophe, eine schwere psychische Störung, die nahezu lebens-untauglich machen würde.
Kein EGO zu haben wird meist so verstanden, nicht egoistisch zu sein, kein übertriebenes ( rücksichtsloses ) Ego zu haben. Das ist aber nicht das Gleiche wie "Anatta", sondern entweder dem Mitgefühl mit anderen geschuldet. Oder eben ( seltener ) eine Folge der Einsicht in das, was der Buddha "Leerheit" nannte = also der "Unpersönlichkeit allen Seins ( und aller Dinge )".
DAS wieder versteht man nur, wenn man bedenkt, dass es zwei "Wahrheiten" gibt: die relative und die absolute. Die relative Wahrheit ist: wir haben ein individuelles Ich, das sich zwar permanent wandelt, je nach Ursachen und Bedingungen, das uns und anderen dennoch halbwegs konstant erscheint.
Wäre das nicht so, hätten wir keine Vorlieben und Abneigungen, Meinungen, Vorstellungen, Eigenschaften, die uns von anderen unterscheiden, usw. All das verändert sich permanent, doch selten so schnell, dass uns unsere Freunde und Verwandte morgen nicht mehr erkennen würden.
Die absolute Wahrheit ist: Nichts besteht aus sich selbst heraus ( also unabhängig von Ursachen und Bedingungen ). Nichts bleibt immer gleich. Deshalb kann es auch keine "ewige Seele" geben, wie andere Religionen sie lehren.
Die absolute Wahrheit ist auch: Alles existiert nur als Prozess.
Deshalb hat der Buddha es abgelehnt, solche Fragen wie "Gibt es ein Ich ?" entweder mit Ja oder mit Nein zu beantworten. Die Frage müsste lauten: "Unter welchen Voraussetzungen existiert ein Ich ?" Und, da sich de Voraussetzungen ständig verändern, hinzukommen oder wegfallen ( wie z.B. durch den körperlichen Tod ), verändert sich auch das Ich...
Wie schon andere hier schrieben, hat das Thema "Transsexualität" ( richtiger "Trans-Identität" ) damit wenig zu tun. Es taugt weder zum Beweis für eine "Seele", noch zum Gegenbeweis.
Dass Menschen sich mit einem Geschlecht identifizieren, ist völlig normal. Meistens deckt sich diese Identifikation mit den Merkmalen des Körpers. Gelegentlich aber auch nicht.
Warum das so ist, weiß bis heute niemand. Es gibt verschiedene Theorien. Aber bisher noch keine eindeutigen. Wem soll das auch nützen ? Wenn es "genetisch" bedingt ist, oder durch ein Ungleichgewicht von Hormonen im Mutterleib ausgelöst wurde, lässt sich das ja nicht mehr rückgängig machen. Wenn es durch "Erziehung" oder andere Prägungen entstanden ist, sollte ja eine gute Therapie helfen. Bisher wurde so eine Therapie aber noch nicht entwickelt...
Übrigens gab es transidente Menschen auch schon zu Buddhas Zeiten. Der Buddha ging damit sehr entspannt um. Auf die Frage, was denn mit einem Mönch geschehen solle, der sich selbst als Frau verstand, sagte er, dann solle dieser Mensch im Nonnenkloster leben.
Er antwortete nicht, dass die geschlechtliche Identität "doch nicht so wichtig" sei, weil sie ja nur eine "Illusion" ist. Denn dann hätte er nicht zwischen Mönchen und Nonnen unterscheiden dürfen. Er hat ja auch nicht von den Männern und Frauen, die ihm folgten, verlangt, sie sollen jegliche Identifizierung, auch mit Geschlecht, sofort "ablegen", und somit "geschlechtslos" ( und "trieblos" ) in einer Gemeinschaft leben.
Auch das ist ein Prozess. Die wenigsten Menschen kommen auch nur in die Nähe dessen, was der Buddha "Vollkommenheit" oder "Erleuchtung" nannte. Er hat dennoch gelehrt. Für jede und jeden nach seiner Fasson = je nach der momentanen Persönlichkeit, meinetwegen auch dem "momentanen Ich" dessen, zu dem er sprach.
Er tat das aus Mitgefühl. Hätte er allen Menschen gleichermaßen die "höchsten Weisheiten gepredigt", ohne Rücksicht auf die Möglichkeiten seines Gegenübers, ihn zu verstehen, oder seinen Ratschlägen auch folgen zu können, wären die allermeisten seiner Lehren ungehört geblieben.
Ich meine, du redest doch mit einem Kleinkind auch anders als mit einem Erwachsenen. Oder mit jemandem, der nur wenig deutsch spricht, anders als mit einem Studienkollegen. Oder ?
Das hat nichts mit "Wertung" zu tun. So nach dem Motto: Ein Kleinkind, oder ein Ausländer ist "doof". Ganz im Gegenteil ! Wenn ich mich bemühe, mich an meinem Gegenüber zu orientieren, Informationen z.B. so zu vermitteln, dass sie auch verstanden werden können, dann bin ich mitfühlend = ich fühle mit dem Anderen, versetze mich in seine Lage.
Rede ich dagegen hochgestochen selbst von den "höchsten Wahrheiten", und der andere versteht nur "Bahnhof", dann war das im besten Falle vergeudete Mühe. Im schlimmsten Falle zeigt es nur meinen Hochmut.
Was das mit deiner Frage zu tun hat ?
Ich denke, beim Thema "Trans-Identität" urteilen viele vorschnell, dass die angeborenen Geschlechtsmerkmale des Körper die Ursache für ein Gefühl der "Zugehörigkeit zu eben diesem Geschlecht" sein müsse.
Im Zusammenhang mit Buddhas "Anatta-Lehre" ist es dann das Ideal eines erwachten Menschen ( der sich mit Nichts mehr identifizieren muss ), das herangezogen wird, um diese "Diskrepanz" anzuzweifeln.
Nur: Was ist das Problem ? Jemand, der schlecht sieht, bekommt eine Brille, oder eine Operation der Hornhäute. Wem Zähne fehlen, kann sich ein Gebiss machen lassen. Jemand, der nicht laufen kann, darf einen Rollstuhl benutzen. Jemanden, dessen Haut verbrannt ist, wird in vielen, komplizierten Operationen Haut transplantiert. Versagt ein Organ, versucht man, ein Spenderorgan zu finden...
Niemand "schreit" da auf. Niemand sagt: "Dann ist das eben so. Finde dich damit ab. Oder mach eine Therapie, um dich mit deiner Kurzsichtigkeit, Behinderung, deinem verunstalteten Gesicht, oder deinem nahen Tod abzufinden !"
Doch, sobald es um das Geschlecht geht, das nicht zum "Selbstbild" passt, sagen Viele genau das: "Finde dich damit ab." Oder eben: "Du identifizierst dich mit Etwas, was nicht dein Ich ist". Als wäre der Versuch, Leiden oder Behinderungen zu lindern oder mit "Hilfsmitteln" erträglicher zu machen, keine "Identifizierung".
Es geht bei dieser Frage auch nicht darum, ob "der Körper krank ist" oder nicht. Es geht um das Leiden, dass das Leben in oder mit diesem Körper den Betroffenen macht.
Wer das nicht verstehen kann, soll sich mal vorstellen, aus seiner persönlichen "Wohlfühlzone" gerissen, und gezwungen zu werden, "Jemand anders sein zu müssen". Also: ein Mann soll plötzlich eine Frau sein, Frauenkleider tragen, als Frau wahrgenommen zu werden, und nur noch so wahrgenommen zu werden...
Passiert natürlich nie. Deshalb kann sich so etwas Absurdes auch gar nicht vorstellen. Aber, wie viele Menschen leiden entsetzlich darunter, z.B. keine Kinder bekommen zu können. Sie "sehen" sich als "Mutter" oder "Vater", können es aber auf "natürlichem Wege" nie sein.
Da könnte man ja auch sagen: "Du warst ja nie Mutter/Vater. Warum leidest du ? Warum musst du alles Mögliche anstellen, um es doch zu werden ?"
Aber, auch das kennen die Meisten nicht aus eigener Erfahrung. Und, wenn sie daran denken, dann können sie sich eher noch den Wunsch nach eigenen Kindern vorstellen, als den Wunsch, so auszusehen und wahrgenommen zu werden, wie man sich innerlich bereits fühlt...
Ich meine jetzt nicht, dass du das so siehst. Verstehe mich da bitte nicht falsch ! Ich denke nur, dass die Frage nach einer "Seele", oder Buddhas Anatta-Lehre mit all dem nichts zu tun hat. Wir kennen die Ursachen für unsere Eigenarten nicht. Vieles mag mit "Vererbung" zu tun haben, oder mit "Karma", das wir in dieses Leben mitbrachten (?) Manches von dem, was unser ( prozesshaftes ) "Ich" ausmacht, können wir als Folgen bestimmter Ereignisse verstehen. Vieles aber auch nicht.
Das gilt für jeden Menschen, selbst für den "normalsten" - für die, die sich als "normal" betrachten im Gegensatz zu den "Unnormalen" ganz besonders.
Der Weg zur Erkenntnis von Buddhas Anatta-Lehre ist das Mitgefühl ! Eben auch mit denen, die wir nicht verstehen. Jeder Akt von echtem Mitgefühl ( oder auch der Mit-Freude ) löst ein wenig unsere Verstrickung in unser eigenes "Ich-Dünkel".
Und, darum geht es dem Buddha: einen Weg aufzuzeigen, den jede/r gehen kann, der/die Willens ist. Nicht darum, ein hohes Ideal aufzuzeigen, anhand dessen man sich, und vor allem Andere - be (ver-)urteilen kann !!!
Wie gesagt: ich unterstelle dir nicht, dass du so denkst. Ich schreibe das, weil ich meine eigenen Erfahrungen mit diesen Themen habe, und weil ich viele Male beobachten konnte, was ich hier anspreche. ( Wenn du Näheres dazu erfahren willst, können wir uns gerne per PN unterhalten ).
Links wollte dir schicken, weil andere zu bestimmten Themen eben Klügeres schon geantwortet haben. Wenn dich das interessiert, sag Bescheid. Dann schicke ich dir noch was.
So, nun muss ich ins Bett. Um 5 Uhr klingelt mein Wecker. Außerdem erinnern mich meine Schmerzen ( unheilbare Krankheit ) daran, mich auszuruhen. Übrigens tue ich, so gut ich kann, etwas gegen diese Schmerzen, und rede mir nicht ein, dass ich "damit leben muss", weil die Krankheit angeboren ist 😉.
Liebe Grüße: Manu