Wie gelangt das Licht der ersten Galaxien zum James-Webb-Tekeskop?
Es ist ein Paradoxon, dass ich mir trotz viel Lektüre dazu nur zusammenspekulieren kann: "Wir", also die Materie, aus der wir bestehen, sind vom Ursprung durch den Urknall ca. 13,4 Milliarden Lichtjahre weggeschleudert worden. Diese Bewegungsenergie hat auch jene Materie erhalten, die vor ca 13,1 Milliarden Jahren die ersten Galaxien gebildet hat; diese Materie war also vor 13,1 Milliarden Jahren mit der Materie, aus der unsere Galaxie, unser Sonnensystem, unser Planet & wir bestehen, "gleich auf". Diese ersten Galaxien haben dann Licht ausgestrahlt, welches wir Mithilfe des James-Webb-Teleskop jetzt empfangen - wir sind also sehr viel schneller an unserer jetztigen Position angekommen als dieses Licht, obwohl es ein physikalischen Gesetzt ist, dass sich nichts schneller als das Licht bewegen kann.
Dieses Rätsel, also wie wie "vor" dieses Licht kommen, konnte ich dank einiger Artikel im Internet lösen: Die Antwort darauf ist die Expansion des Universums. Denn anders als Materie ist der Raum in gewisser Weise nicht an die Beschränkung des Tempolimits "Lichtgeschwindigkeit" gebunden. Zwei Punkte, die kurz nach dem Urknall noch nah bei einander waren, entfernen sich mit zunehmender Geschwindigkeit von einander, je weiter das Universum sich aufbläht, wie zwei Rosinen auf einem aufgehenden Hefeteig. Und die Zunahme dieses Abstandes geschieht irgendwann sogar schneller als das Licht.
Ok soweit.... Aber: Nun ist das Problem umgedreht. Nun stellt sich nicht mehr die Frage, warum unsere Materie "schneller" als das Licht der ersten Galaxien war, so dass das James-Webb-Teleskop es nun auffangen kann (Materie ist natürlich nie selbst schneller als Licht, sondern wird einfach nur vom Raum bewegt), sondern: Wie kann dann wiederum das Licht einen Punkt einholen, der sich von ihm schneller als es selbst wegbewegt? Nutzt das James-Webb-Teleskop hier Krümmungen der Raum-Zeit aus, indem es so ausgerichtet ist, dass es auf eine Ansammlung extrem massererreicher Objekte - Galaxiehaufen, dunkle Materie, große schwarze Löcher etc. - schaut, die die Raumzeit derart krümmen, dass das Licht eine Abkürzung nehmen kann & somit trotz konstanter Lichtgeschwindigkeit eingefangen werden kann, obwohl sich unsere Galaxie mit Über-Lichtgeschwindigkeit vom Startpunkt dieses Lichtes weg "bewegt"? Bin ich auf der richtigen Spur? Oder ist alles ganz anders & ich habe einen Denkfehler?
4 Antworten
Du scheinst viel Ahnung zu haben deshalb fühle ich mich etwas dümmlich hier zu antworten stelle aber Mal die These auf, dass erstens:
Nur weil sich der Ursprung schneller von uns als das Licht entfernt heißt das ja nicht dass das Licht welches schon unterwegs war uns nicht noch erreichen kann,
Und zweitens gibt es ja Bereiche die wir genau deshalb doch nicht sehen können: Alles was hinter dem beobachtbaren Universum liegt.
Wahrscheinlich hab ich dich auch nur falsch verstanden und das war 0 hilfreich 😂
Ich hab leider nicht wirklich Ahnung, daher bin ich so konfus & mache bestimmt riesige Denkfehler. Aber "wir", also die Bausteine, aus denen wir bestehen, können ja nicht schneller sein als das Licht, dessen Bausteine aber in der selben Nano-Sekunde beim Urknall entstanden sind & mit der selben Bewegungsenergie wie "wir" vom selben Punkt weggeschleudert wurden...
"Wir", also die Materie, aus der wir bestehen, sind vom Ursprung durch den Urknall ca. 13,4 Milliarden Lichtjahre weggeschleudert worden.
nein, und hier liegt auch dein missverständnis.
es gibt keinen ursprung, und es wurde nichts von irgendwo weggeschleudert.
das universum ist auf großen skalen homogen und isotrop, es gibt kein "zentrum", keinen "ursprung".
auch wurden nichts von irgendwo weggeschleudert, die galaxien sind (im mittel) alle mehr oder weniger in ruhe relativ zum schwerpunktsystems des universums (jenes in dem die hintergrundstrahlung isotrop ist).
die expansion des universums (und der "urknall" ist nichts weiter als das was wir erhalten wenn wir diese expansion immer weiter zurück rechnen), bedeutet einfach nur dass die abstände immer größer werden.
und ja, eine galaxie deren licht uns nach ca 13 Mrd. jahren erreicht, war zum zeitpunkt als das licht ausgesandt wurde weniger als 13 Mrd. lichtjahre von uns entfernt, und ist heute zum zeitpunkt wenn wir das licht empfangen mehr als 13 Mrd .lichtjahre von uns entfernt.
dazu versteht man zunächst die...
Hubblekonstante
Unter der Annahme einer linearen Ausdehnung des Universums ist der Skalenfaktor a(t) =D(t)/D0 einer beliebigen Distanz D und der Distanz D0 zum Zeitpunkt t0 im Universum linear abhängig von der Zeit t:
a = da/dt*t (1) mit einer Ausdehnungsgeschwindigkeit
da/dt = H*a (2)
Der Faktor H ist die Hubblekonstante (die besser Hubbleparameter heißen sollte, weil sie nicht konstant ist - in der Tat folgt aus einer linearen Ausdehnung konstante Ausdehnungsgeschwindigkeit da/dt und damit H = 1/t mit 1 in 2 eingesetzt), hat beim Urknall eine Polstelle und nimmt seitdem ab, wird aber nie null.
Kosmologischer Horizont
Man kann nun mit der Lichtgeschwindigkeit c einen Radius rH = c/H definieren, der Hubbleradius genannt wird. Für D = rH ist die Geschwindigkeit v(rH) = c, d.h. theoretisch entfernen sich Objekte in dieser Entfernung mit Lichtgeschwindigkeit von uns (die Spezielle Relativitätstheorie gilt nur lokal und wird dadurch nicht verletzt), und man könnte meinen, dass man dann diese Objekte nie mehr sehen kann, weil ihr Licht nicht gegen die Expansionsgeschwindigkeit ankommt, aber:
1. Licht direkt hinter rH kann es, einmal ausgesandt, mit der Zeit innerhalb von rH schaffen und uns letztlich doch erreichen - die korrekte Rechnung beinhaltet eine Integration der Bewegung mitbewegter Koordinaten und des Lichtsignals von t0 bis unendlich und führt hier zu weit - außerdem...
2. ist die o.g. Annahme der linearen Ausdehnung falsch. Die Ausdehnung unterliegt bremsenden und beschleunigenden Einflüssen (zB die Massendichte einschl. dunkler Materie vs. dunkle Energie), deren Stärke nicht zeitlich konstant war oder sein wird. In Abhängigkeit von diesen Einflüssen kann der Kosmologische Horizont sich bei vorwiegender Bremsung weiter ausdehnen und mehr Objekte sichtbar machen, oder bei vorwiegender Beschleunigung schrumpfen und mehr Objekte verbergen.
Aus diesen beiden Gründen liegt der Kosmologische Horizont nicht beim Hubbleradius, sondern nach aktuellem Stand etwas dahinter (etwa 16 Mrd LJ statt 13,4 Mrd LJ). Mit weiterer Ausdehnung des Universums und sinkender Massendichte könnte die Beschleunigung gewinnen - dann würde der Hubbleparameter auf einen konstanten Wert sinken: die Lösung für die Differentialgleichung da/dt = const*a ist dann eine exponentielle Ausdehnung, die den Kosmologischen Horizont schließlich bis auf gravitativ direkt gebundene Strukturen schrumpfen ließe, und die Reste der Vereinigung aus Milchstraße und NGC224 wären allein in der Dunkelheit.
Partikelhorizont.
Wo aber sind die fernsten Objekte, die wir jetzt schon sehen, wirklich? Als ihr Licht ausgesandt wurde, dh kurz nachdem das Universum transparent wurde, waren sie nur einige Mio LJ entfernt. Während ihr Licht im Raum zu uns unterwegs war, bewegte sich dieser Raum aber mit der Expansionsgeschwindigkeit von uns weg und verlängerte die Reisezeit des Lichtes (und seine Wellenlänge), bis das Licht schließlich hier ankam; inzwischen haben sich die damals aussendenden Objekte bis zum sog. Partikelhorizont entfernt (ca 46 Mrd LJ), also weit hinter dem Kosmologischen Horizont.
Hinsichtlich der scheinbaren Größe ferner Objekte ist es etwas komplizierter. Es gibt zwei Distanzen ferner Galaxien:
Die Entfernung, die aus der Leuchtkraft ferner Objekte mit bekannter Helligkeit (sog Standardkerzen, zB Supernovae) folgt (Luminosity Distance rL)
Die Entfernung, die aus dem Winkel folgt, in den ein Objekt bekannter absoluter Größe passt (Angular Distance rA).
Mit Hilfe der Rotverschiebung z gibt es eine einfache Beziehung zwischen beiden, Etherington's Distance Duality Equation (die vom genauen Expansionsmodell unabhängig ist:
rA/rL = 1/(1 + z)^2
Daraus folgt, dass in der Nähe, für z << 1, die Winkelentfernung sich etwa so verhält wie die Leuchtkraftentfernung, dass also entferntere Objekte gleicher Art kleiner erscheinen, wie gewohnt, dass für größere z aber die Winkelentfernung hinter die Leuchtkraftentfernung zurückfällt und die Objekte nicht mehr kleiner erscheinen. rA nimmt also mit wachsender Entfernung ab und die Objekte erscheinen sogar wieder größer.
Eine anschauliche Begründung ist, dass eine Galaxie wegen ihrer gravitativen Bindung zwar ihre absolute Größe beibehält, ihr Abbild aus ausgesendetem Licht aber der Expansion folgt und sich auf der Reise zum Beobachter um den gleichen Faktor (1 + z) aufbläht wie die Wellenlänge.
wenn man eigene "Denkfehler" sucht, arbeitet man sich am besten von Null an durch eine Darstellung des Ist-Zustands. Niemand kann einem das Abnehmen. Diese Darstellung habe ich versucht. Und es braucht Zeit. Es gibt keine schnelle Antwort, die mit einem Fingerschnippen den Aha-Effekt bringt. Ich habe mir das Licht immer wie einen Zug vorgestellt, der auf einem ständig expandierenden Schienenstrang fährt - Horizonte entstehen dadurch, dass hinreichend weit entfernte Stationen sich dann schneller von uns entfernen als der Zug fährt, und Züge von hinter solchen Stationen uns nie erreichen können. Aber das Bild, das mir hilft, muss nicht anderen helfen.
Die Materie wurde nicht von einem Punkt weggeschleudert, sondern der Raum selbst hat sich aufgebläht. Wir sind, von geringen Bewegungen z.B. aufgrund der Anziehung anderer Galaxien und Rotationsbewegungen, genau so in Ruhe wie eine Galaxie, deren Licht uns aus 40 Milliarden Lichtjahren Entfernung erreicht. Es hat sich nur jede Menge neuer Raum zwischen uns gebildet, den das Licht überwinden musste.
Liebe*r hologence, ich drücke gern "Danke" für diese ausführliche Antwort, aber als absoluter Laie kann ich leider nicht "hilfreich" drücken, weil ich einfach gar nichts verstehe ;-)
Hmm, der Urknall war keine Einwirkung von Energie auf Materie, also ein Schleudern? Das habe ich dann in der Tat immer falsch verstanden (bin ja auch nur ein Laie, der gerade beginnt, in diese Themen einzusteigen). Ist nachwievor schwer zu verstehen für mich: Da das Licht jetzt erst ankommt bei uns, muss die Zunahme der Distanz (in Folge des Aufblähens des Raums) schneller als die Bewegungsgeschwindigkeit des Lichtes erfolgen. Meine o.g. Frage: Wie kann uns das Licht dann jemals erreichen? Durch Raumzeitkrümmung? Oder wo liegt mein grundsätzlicher Denkfehler?
In solchen Fällen hilft eine Analogie. Du nimmst einen Luftballon, malst Punkte drauf und bläst ihn auf. Alle Punkte entfernen sich von einander, weil neue Fläche entsteht. Eine Ameise schafft es erst nach längerer Zeit, einen anderen Punkt zu erreichen, oder ab einer bestimmten Entfernung gar nicht mehr, weil der Abstand schneller wächst als die Ameise laufen kann.
Das Ganze musst du dann eine Dimension höher denken. Den Raum, in den sich unser Universum ausdehnt, kannst du dir aber nicht mehr vorstellen, der wäre vierdimensional.
Im Übrigen hat die Ausdehnung des Universums keine Geschwindigkeit, sondern eine Rate. Soundsoviel km pro Zeit und Abstand. Auch bei beliebig kleiner Rate wird der Abstand zwischen 2 Punkten mit Überlichtgeschwindigkeit wachsen, wenn nur der Abstand groß genug ist.
Aber wenn man im Bild bleibt, dann breitet sich der Luftballon doch weiter aus, während die Ameise läuft, und zwar schneller, als sich die Ameise bewegt?
Das hängt von der Entfernung ab. Je weiter 2 Punkte auseinander liegen, um so schneller entfernen sie sich.
Ja, eben... das war ja Ausgangspunkt für meine Frage
Liebe*r hologence, ich drücke gern "Danke" für diese ausführliche Antwort, aber als absoluter Laie kann ich leider nicht "hilfreich" drücken, weil ich einfach gar nichts verstehe ;-)