Blick in die Vergangenheit des Universums?
Hallo, ich habe mal eine Verständnisfrage zur Astronomie. Das James-Webb-Teleskop hat ja bekanntlich vor kurzem 13 Milliarden Jahre in die Vergangenheit geschaut, was heißt das genau? Also mir ist klar, dass das Licht, welches dort in die Kamera eingefangen wurde, seit 13 Milliarden Jahren unterwegs war, aber wie ist es mit der Struktur?
Sagen wir mal so: Im All befindet sich ein Ball, dieser Ball leuchtet und wir sehen ihn nun als leuchtenden Ball wie er vor 13 Milliarden Jahren war. Ist es dann so, dass dieser in der Form gar nicht mehr existiert, da er z. B. in ein Schwarzes Loch gezogen oder nun in der Form eines Quadrates ist? Oder täusche ich mich gerade und man sieht nur das tatsächliche Licht?
Ein anderes Beispiel wäre, dass dort zwei Galaxien fotografiert werden, die 13 Milliarden Jahre alt sind. Nun sehen wir sie direkt nebeneinander, kann es dann sein, da wir sie jetzt nebeneinander sehen, dass sie dann ineinander gekracht sind - oder geht es da tatsächlich nur um das Licht? Vielleicht kann mir jemand das interessante und komplizierte Thema erklären. Vielen Dank !
3 Antworten
Richtig, die Struktur der weit entfernten Galaxien wäre heute eine ganz andere, als die, die das James Webb Teleskop heute einfängt. Vor 13 Milliarden Jahren gab es noch keine großen Galaxien, sondern nur kleine, eher unförmige und mehr strukturlose Galaxien, quasi Protogalaxien. Erst durch Verschmelzung mit anderen Galaxien und dem dadurch größer werdedenden Einfluss der Gravitation wurden sie im Laufe der Millionen und Milliarden Jahre größer. Die Spiralarme der großen Galaxien bildeten sich erst deutlich später aus. Jede Galaxie hat quasi mal ganz klein angefangen, auch unsere eigene Galaxie, die Milchstraße, fing mal ganz klein an, ihr Alter wird übrigens auf 13,2 bis 13,7 Milliarden Jahre geschätzt.
Genauso ist es. Was wir jetzt sehen, sieht längst nicht mehr so aus. Nur dass es vor 13 Mrd. gerade erst die ersten Galaxien gab.
Korrekt! Eine fremde Zivilisation in einer Entfernung von 4500 Lichtjahren, die unseren Planeten detailliert beobachten könnte, würde die Lichtsignale von vor 4500 Jahren empfangen und würde den Bau der Pyramiden sehen. Sie wüssten aber dann auch, das wir uns inzwischen 4500 Jahre lang weiterentwickelt hätten. Sie wüssten also nicht, ob wir überhaupt noch existieren.
dazu versteht man am besten zuerst die...
Hubblekonstante
Unter der Annahme einer linearen Ausdehnung des Universums ist der Skalenfaktor a(t) =D(t)/D0 einer beliebigen Distanz D und der Distanz D0 zum Zeitpunkt t0 im Universum linear abhängig von der Zeit t:
a = da/dt*t (1) mit einer Ausdehnungsgeschwindigkeit
da/dt = H*a (2)
Der Faktor H ist die Hubblekonstante (die besser Hubbleparameter heißen sollte, weil sie nicht konstant ist - in der Tat folgt aus einer linearen Ausdehnung konstante Ausdehnungsgeschwindigkeit da/dt und damit H = 1/t mit 1 in 2 eingesetzt), hat beim Urknall eine Polstelle und nimmt seitdem ab, wird aber nie null.
Kosmologischer Horizont
Man kann nun mit der Lichtgeschwindigkeit c einen Radius rH = c/H definieren, der Hubbleradius genannt wird. Für D = rH ist die Geschwindigkeit v(rH) = c, d.h. theoretisch entfernen sich Objekte in dieser Entfernung mit Lichtgeschwindigkeit von uns (die Spezielle Relativitätstheorie gilt nur lokal und wird dadurch nicht verletzt), und man könnte meinen, dass man dann diese Objekte nie mehr sehen kann, weil ihr Licht nicht gegen die Expansionsgeschwindigkeit ankommt, aber:
1. Licht direkt hinter rH kann es, einmal ausgesandt, mit der Zeit innerhalb von rH schaffen und uns letztlich doch erreichen - die korrekte Rechnung beinhaltet eine Integration der Bewegung mitbewegter Koordinaten und des Lichtsignals von t0 bis unendlich und führt hier zu weit - außerdem...
2. ist die o.g. Annahme der linearen Ausdehnung falsch. Die Ausdehnung unterliegt bremsenden und beschleunigenden Einflüssen (zB die Massendichte einschl. dunkler Materie vs. dunkle Energie), deren Stärke nicht zeitlich konstant war oder sein wird. In Abhängigkeit von diesen Einflüssen kann der Kosmologische Horizont sich bei vorwiegender Bremsung weiter ausdehnen und mehr Objekte sichtbar machen, oder bei vorwiegender Beschleunigung schrumpfen und mehr Objekte verbergen.
Aus diesen beiden Gründen liegt der Kosmologische Horizont nicht beim Hubbleradius, sondern nach aktuellem Stand etwas dahinter (etwa 16 Mrd LJ statt 13,4 Mrd LJ). Mit weiterer Ausdehnung des Universums und sinkender Massendichte könnte die Beschleunigung gewinnen - dann würde der Hubbleparameter auf einen konstanten Wert sinken: die Lösung für die Differentialgleichung da/dt = const*a ist dann eine exponentielle Ausdehnung, die den Kosmologischen Horizont schließlich bis auf gravitativ direkt gebundene Strukturen schrumpfen ließe, und die Reste der Vereinigung aus Milchstraße und NGC224 wären allein in der Dunkelheit.
Partikelhorizont.
Wo aber sind die fernsten Objekte, die wir jetzt schon sehen, wirklich? Als ihr Licht ausgesandt wurde, dh kurz nachdem das Universum transparent wurde, waren sie nur einige Mio LJ entfernt. Während ihr Licht im Raum zu uns unterwegs war, bewegte sich dieser Raum aber mit der Expansionsgeschwindigkeit von uns weg und verlängerte die Reisezeit des Lichtes (und seine Wellenlänge), bis das Licht schließlich hier ankam; inzwischen haben sich die damals aussendenden Objekte bis zum sog. Partikelhorizont entfernt (ca 46 Mrd LJ), also weit hinter dem Kosmologischen Horizont.
Weiterhun interessant: Es gibt zwei Distanzen ferner Galaxien:
Die Entfernung, die aus der Leuchtkraft ferner Objekte mit bekannter Helligkeit (sog Standardkerzen, zB Supernovae) folgt (Luminosity Distance rL)
Die Entfernung, die aus dem Winkel folgt, in den ein Objekt bekannter absoluter Größe passt (Angular Distance rA).
Mit Hilfe der Rotverschiebung z gibt es eine einfache Beziehung zwischen beiden, Etherington's Distance Duality Equation (die vom genauen Expansionsmodell unabhängig ist:
rA/rL = 1/(1 + z)^2
Daraus folgt, dass in der Nähe, für z << 1, die Winkelentfernung sich etwa so verhält wie die Leuchtkraftentfernung, dass also entferntere Objekte gleicher Art kleiner erscheinen, wie gewohnt, dass für größere z aber die Winkelentfernung hinter die Leuchtkraftentfernung zurückfällt und die Objekte nicht mehr kleiner erscheinen. rA nimmt also mit wachsender Entfernung ab und die Objekte erscheinen sogar wieder größer.
Eine anschauliche Begründung ist, dass eine Galaxie wegen ihrer gravitativen Bindung zwar ihre absolute Größe beibehält, ihr Abbild aus ausgesendetem Licht aber der Expansion folgt und sich auf der Reise zum Beobachter um den gleichen Faktor (1 + z) aufbläht wie die Wellenlänge.
Dankeschön. Also verstehe ich richtig, angenommen es gibt anderes Leben irgendwo im All, diese schauen 4500 Jahre in die Vergangenheit und sehen bis auf die Erde nieder, wie auch immer, sehen die wie gerade die Pyramide von Gizeh gabaut wird?