Wie finden Sie mein neues Gedicht?

3 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Dein Gedanken, einen Toten denken zu lassen, ist gut. Die Ausführung ist zu gering. Das Gedicht ist daher leider schlecht.

Als Jugendlicher schrieb ich zur Übung ein Gedicht absichtlich in mindestens sieben Fassungen. Und die achte war dann annehmbar, gut, aber nicht sehr gut, noch lange nichts Besonderes. Die neunte, zehnte, elfte wurde es schließlich immer erst, bis es andere irgendwo als Gedicht vortragen wollten. Übe also und übe!

TIPPS zu deinem Dichten:

  • Reime nicht zuerst, denn es zwingt deine Gedanken in platte Worte.
  • Schreibe zuerst, alles, was du fühlst und dabei denkst.
  • Dann lässt du weg und lässt du weg. Nur das Weglassen ist die hohe Kunst!
  • Durch das Weglassen verlieren deine Sätze die fade Eindeutigkeit. Der Leser beginnt zwangsweise selbst nachzudenken, wenn er mitfühlen kann.
  • Dann gestaltest du den Rhythmus, die Klänge der Worte, die Phrasierung = die Atmung als Sprachführung. So nehmen deine Sätze die Gestalt an, die der Leser gedanklich und gefühlsmäßig nachvollziehen kann.
  • Suche nach Wenden, nach Brüchen, nach Parallelen, nach Paradoxien - und fasse sie in Worte. Ersetze die ersten Worte durch passendere Synonyme! Dann diese wiederum und… All das macht ein Gedicht aus. 

Erst dann, wenn leider nur einige Menschen, nicht möglichst viele, dein Gedicht verstehen, miterleben, hat es hohe Qualität.

Mein spontanes, einfaches Gedicht zu deiner Idee so als Beispiel:

/ = Zeilen-Ende und // = Strophen-Ende

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Der Kamerad im Gras

Gestorben bin ich nach dem Fall. /

Die Reste suchten meine Leute. /

Sie huschten durch das hohe Gras. /

Und fragten meinen Namen. //

 

Wir hörten einen nahen Knall. /

Ich kam mir vor wie Beute. /

Ich fiel zerfetzt ins tote Gras. /

Sie schwiegen meinen Namen. //

 

Mir juckte doch mein junges Fell. /

Ich wollt´ es wissen - heute! /

Im Sturm auf einem Hügel Gras. /

Ganz ohne einen Namen. //

 

Der Feind zerbombte mit Gebell, /

was seltsam ihn erfreute, /

dies gottverdammte Gras. /

Man betet meinen Namen. //

gefällt mir extrem gut.

Ein paar Details würde ich noch abfeilen.

Als ich gestorben bin, da liege,

da lieg in einem hohen Graß. ► Gras

Vielleicht gibt's in der Nähe Kriege,

doch ganz egal ist alles das. ► uU: doch unwichtig wurde das

Die Bäume rascheln laut und bange,

die Vögel fliegen hin und her.

Mir ist's egal, hier lieg ich lange,

ob es da leicht ist oder schwer.

Der Sommer kommt nun fast zum Ende, ► "geht zu Ende" oder "kommt an sein Ende"

Ade, du schöne grüne Zeit!

Der Frost ist fremd für meine Hände,

davon bin ich doch schon befreit.

Hoch schwebt die große weiße Wolke,

die jetzt kein Licht mehr hinterlässt. ► Wolken hinterlassen Schatten, nicht Licht

Darüber hört man Zorn vom Volke,

doch ich lieg weiter felsenfest.

Der Regen strömt auf große Räume, ► hm, wie wäre es mit "auf alle Zäune"? Räume gibt nicht soviele Sinn, denn Räume sind eher innen

die Felder wurden alle nass.

So hilflos knarren alte Bäume,

nie wieder spür ich alles das. ► "alles" weg

Als ich gestorben bin, da liege,

Die Zeitformen passen nicht.

da lieg in einem hohen Graß.

Gras schreibt man mit S.

die Vögel fliegen hin und her.

Klingt nicht sehr lyrisch, sondern nach Flughafen.

Also man sollte das Gedicht noch mal überarbeiten, was Grammatik, Rechtschreibung und Ausdruck angeht.


Ernstjeck 
Beitragsersteller
 13.07.2024, 12:30

Danke für deine Tipps. Gibt es irgendeine anderen Fehler in diesem Gedicht? Wenn was nicht ganz richtig in einem anderen Teil des Gedichts ist, könntest du auch sagen.

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croissantcrepe  13.07.2024, 12:43
@Ernstjeck

Das Reimschema ist etwas langweilig: A B A B - C D C D - E F E F usw.

Und das Versmaß ist nicht immer gelungen.

Du gehst zu schematisch an das Gedichteschreiben heran. Es fehlen etwas die Emotionen, die transportiert werden sollen, es fehlt der Überraschungsmoment, eine Wende im Gedicht, oder eine abschließende Botschaft am Ende, die hängen bleibt.

Man könnte viele Begriffe lyrischer umschreiben. Worte wie "Vögel" oder "Bäume" wirken recht banal. Was für Vögel oder Bäume genau? Gans, Spatz, Ente, Schwan, Eiche, Ahorn, Buche, Tanne? Was charakterisiert sie? Warum sind sie in dem Zusammenhang wichtig für die Gedichtaussage?

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